Pflege - Patientenrecht & Gesundheitswesen
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Die Rechtsbeziehungen zwischen Arzt und Patient im Überblick
Wesen und Abschluß des Behandlungsvertrages
Die rechtlichen Beziehungen zwischen Arzt und Patient beruhen auf einem Behandlungsvertrag
(Dienstvertrag). Ein solcher Vertrag bedarf keiner besonderen Form und kommt durch die
Behandlungsübernahme, die unter Umständen auch telefonisch durch Erteilung von
Ratschlägen erfolgen kann, zustande.
Möchte der Arzt die Behandlung wegen Überbeanspruchung, fehlender Gebietskenntnisse oder
mangelnden Vertrauens ablehnen, so muß er dies dem Patienten zur Vermeidung einer
Schadensersatzpflicht deutlich sagen. Eine Behandlungsverweigerung darf aber nie dazu
führen, daß ein Patient ohne die notwendige ärztliche Versorgung bleibt (= ärztliche
Hilfeleistungspflicht).
Arzt und Patient sind in der Auswahl ihres Vertragspartners frei. Der Grundsatz der freien
Arztwahl gilt auch für den Kassenpatienten.
Allerdings müssen folgende Einschränkungen gemacht werden: Der Kassenpatient soll den
Arzt (Arzt für Allgemeinmedizin oder Arzt mit Gebietsbezeichnung) innerhalb eines
Kalendervierteljahres nicht ohne triftigen Grund wechseln und Ärzte, die nicht als
Vertragsarzt ausdrücklich zugelassen sind, nur in Notfällen in Anspruch nehmen. Als
berechtigter Grund für einen Arztwechsel ist vor allem ein nachhaltig gestörtes
Vertrauensverhältnis zum behandelnden Arzt anzusehen.
Bei der ambulanten Behandlung sind Arzt und Patient Vertragspartner. Bei Minderjährigen
oder unter Betreuung stehenden Volljährigen kommt ein Behandlungsvertrag aber nur durch
die Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters (Eltern, Betreuer) zustande. Wenn ein Patient
einen Vertrag nicht abschließen kann, die Behandlung aber in seinem Interesse erfolgt und
seinem mutmaßlichen Willen entspricht (z.B. lebensrettende Behandlung eines
Bewußtlosen), spricht man von einer Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 677
Bürgerliches Gesetzbuch).
Hauptpflichten des Arztes
Der Behandlungsvertrag verpflichtet den Arzt zur Leistung seiner Dienste. Die
Hauptpflichten aus dem Behandlungsvertrag sind für den Arzt insbesondere:
Krankheitsfrüherkennung, Befunderhebung, Diagnosestellung, Ermittlung der angezeigten
(indizierten) Therapie, Aufklärung des Patienten und Einholung seiner Einwilligung,
Durchführung der Therapie, Anregung von Rehabilitationsmaßnahmen, mittelbare Leistungen
(z.B. Überweisung, Einweisung, Erstellen von Urkunden, Zeugnissen, Gutachten für den
Patienten), Dokumentation der Behandlung sowie Schweigepflicht. Bei einzelnen ärztlichen
(oder zahnärztlichen) Leistungen können neben den Vorschriften des Dienstvertragsrecht
auch Gewährleistungspflichten aus Werkvertrag bestehen (z.B. Verordnung von losen
Schuheinlagen, Herstellen und Anpassen von Zahnprothesen, kosmetische Operationen). Jeder
Arzt ist im übrigen verpflichtet, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen
seiner beruflichen Tätigkeit zu versichern.
Die Diagnose- und Therapieleistungen des Arztes richten sich im allgemeinen nach
den Regeln der medizinischen Wissenschaft und Technik in dem Bestreben, die Krankheit zu
heilen oder Leiden zu lindern. In der Wahl seiner konkreten Behandlungsmethode ist der
Arzt frei. Die Behandlung des Arztes erfolgt grundsätzlich ohne Erfolgsgarantie.
Der Arzt schuldet nur die einwandfreie Behandlung. Diese muß unter Beachtung der
erforderlichen Sorgfalt vorgenommen werden. Beim Mißerfolg einer Behandlung darf
nicht ohne weiteres ein Behandlungsfehler oder eine Sorgfaltspflichtverletzung angenommen
werden.
Da der Arzt seinen Beruf gewissenhaft auszuüben hat, muß er sich in der Sprechstunde
ausreichend Zeit für das Gespräch mit seinem Patienten nehmen.
Die diagnostische und therapeutische Bedeutung des Gesprächs zwischen Arzt und Patient
wird aber oftmals nicht richtig erkannt. Trotz übervollem Wartezimmer und Hektik in der
Arztpraxis sollte jeder Patient seine Probleme aussprechen können. Die Klage, der Arzt
habe keine Zeit gehabt ("da erhält man nur ein Rezept und ist gleich wieder
draußen"), sollte langsam der Vergangenheit angehören!
Im übrigen gilt der Grundsatz, daß eine Behandlung ohne Untersuchung nicht zulässig
ist. Der Arzt hat sich von den Beschwerden des Kranken selbst ein Bild zu machen. Er darf
die Angaben Dritter, insbesondere Familienangehöriger, nicht ungeprüft übernehmen und
muß wichtige Befunde selbst erheben.
Der Arzt ist verpflichtet, einen weiteren Arzt hinzuzuziehen, oder den Patienten an einen
anderen Arzt zu überweisen, wenn dies nach seiner ärztlichen Erkenntnis angezeigt
erscheint und der Patient einverstanden oder sein Einverständnis anzunehmen ist. Bei
schwerwiegenden ärztlichen Eingriffen (z.B. Bauchschnitt, Amputation) ist es oft ratsam,
mehrere Ärzte zu konsultieren und die Entscheidung genau abzuwägen.
Zur Verhinderung vermeidbarer Doppeluntersuchungen (z.B. Röntgen) ist es die Pflicht des
Arztes, bei Überweisung eines Patienten an einen ärztlichen Kollegen, ihm die erhobenen
Befunde zu übermitteln und ihn über die bisherige Behandlung zu informieren, es sei
denn, daß der Patient etwas anderes bestimmt. Besondere Bedeutung hat diese Pflicht bei
der Zusammenarbeit zwischen Ärzten im Krankenhaus und in freier Praxis, uns zwar in
beiden Richtungen!
Der Arzt hat dem Patienten gegenüber eine umfassende Aufklärungspflicht: Der
Patient muß vom Arzt grundsätzlich darüber aufgeklärt werden, was mit ihm, mit welchen
Mitteln, mit welchen Risiken und mit welchen Folgen geschieht.
Der Umfang der Aufklärung richtet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalles.
Maßgebend sind das Verständnisvermögen und das Krankheitsbild des Patienten sowie die
Dringlichkeit und Gefährlichkeit einer ärztlichen Maßnahme. Die Aufklärungspflicht ist
um so weitgehender, je weniger die Maßnahme aus der Sicht eines vernünftigen Patienten
vordringlich oder geboten erscheint. Will der Patient (z.B. vor einer Operation)
Einzelheiten wissen, so sind sie in gebotener Weise darzulegen (z.B. Narkoseverfahren,
Operationsmethode, Komplikationen, verantwortliche Ärzte).
Über die Bedeutung der ärztlichen Aufklärung ist in der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 25.7.1979 u.a. ausgeführt:
"Mitwirkung, Dialog und Stärkung der Eigenverantwortung des Patienten sind nur
möglich, wo dieser zunächst über die in seinem Fall bestehende medizinische Situation
aufgeklärt worden ist; ein unaufgeklärter Patient vermag demgegenüber in der Regel
nicht mehr zu sein als ein passives Objekt ärztlicher Fürsorge. Die Aufklärung des
Patienten befreit den Arzt von der Last der alleingigen Verantwortung. Sie macht den
Patienten im Hinblick auf die zu treffende Entscheidung zu einem verständigen
Partner..."
Bei einer lebensgefährlichen Erkrankung des Patienten darf eine Aufklärung
gegebenenfalls dann unterbleiben, wenn durch die Aufklärung ein schwerer seelischer
Schock des Kranken bewirkt und dadurch der Lebenswille nachhaltig schwerstens
beeinträchtigt würde. Bloße Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit reicht für die
Unterlassung der Aufklärung nicht aus. Zu bedenken ist aber auch hier, daß das
Selbstbestimmungsrecht des Patienten in der Regel eine Aufklärung fordert.
Der Patient kann ausdrücklich auf eine Aufklärung verzichten. Unabhängig von dem Willen
und dem Verzicht des Kranken auf ärztliche Aufklärung ist der Arzt zur Aufklärung beim
Bestehen einer Geschlechtskrankheit bzw. vor Durchführung einer Kastration oder eines
Schwangerschaftsabbruchs gesetzlich verpflichtet. Eine gesetzliche Aufklärungspflicht
für den Arzt besteht auch nach § 125 Bundessozialhilfegesetz.
Diese Vorschrift macht es nämlich den Ärzten zur Pflicht, Behinderte über die nach Art
und Schwere der Behinderung geeigneten ärztlichen und sonstigen Eingliederungsmaßnahmen
zu beraten oder sie auf die Möglichkeit der Beratung durch das Gesundheitsamt bzw.
Arbeitsamt hinzuweisen. Ergänzend hierzu ist ein amtliches Merkblatt auszuhändigen. Das
Rehabilitationsangleichungsgesetz verpflichtet - nach Zustimmung des Patienten - den Arzt
zur Meldung einer bekannt gewordenen Behinderung an die Krankenkasse (= Anregung von
Rehabilitationsmaßnahmen), sofern nicht die medizinische Behandlung im Rahmen der
vertragsärztlichen Versorgung ausreicht.
Ärztliche Behandlungsmaßnahmen sind immer nur dann zulässig, wenn der Patient seine Einwilligung
erteilt hat.
Diese Auffassung beruht auf Artikel 2 Absatz 2 Grundgesetz:
"Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der
Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen
werden."
Der Patient kann eine einmal erteilte Einwilligung jederzeit mit der Wirkung
zurücknehmen, daß die ärztliche Behandlung einzustellen ist (= der Wille des Patienten
ist höchstes Gesetz).
Besondere Vorsicht hinsichtlich der rechtswirksamen Einwilligung ist geboten, wenn der
Patient eine Behandlung lediglich widerspruchslos duldet (= schlüssige Handlung) oder
eine pauschale Einverständniserklärung (z.B. im Rahmen der
Krankenhaus-Aufnahmebedingungen oder durch Unterzeichnung eines allgemeinen
Aufklärungsformulars) abgegeben worden ist.
Lehnen die Eltern zum Nachteil ihres Kindes die Einwilligung in eine notwendige ärztliche
Behandlung ab, kann das Vormundschaftsgericht die fehlende Einwilligung ersetzen lassen
(Vormundschaft oder Pflegschaft). Einsichtsfähige Minderjährige können selbst in eine
gebotene Behandlung einwilligen. Bei Volljährigen, die unter Betreuung stehen, finden die
Grundsätze des Betreuungsrechts Anwendung.
Bei Gefahr im Verzug kann eine ausdrückliche Einwilligung des Patienten unterbleiben.
Eine solche Situation ist gegeben bei Bewußtlosigkeit des zu Behandelnden und bei
unbedingter Erforderlichkeit ärztlicher Maßnahmen zur Rettung des Lebens oder zur
Abwendung schwerer Gesundheitsschäden (= Geschäftsführung ohne Auftrag). Einem
ausdrücklich erklärten Willen darf der Arzt jedoch auch in diesem Fall nicht
entgegenhandeln.
Beweispflichtig dafür, daß der Patient nach einer ausreichenden Aufklärung in eine
Behandlung eingewilligt hat, ist der Arzt oder das Krankenhaus.
Die Führung ordnungsgemäßer Krankenunterlagen (z.B. Krankenblatt, Befundbericht,
Operationsbericht, Narkoseprotokoll, Fieberkurven, Arztbriefe, Bestrahlungsaufzeichnungen,
Röntgenaufnahmen, Sektionsbericht), ist eine der dem Arzt obliegenden Hauptpflichten dem
Patienten gegenüber. Die Krankenunterlagen dienen nicht nur der Therapie, sondern sie
sind auch eine Art Rechenschaftsbericht. Sie sind mindestens 10 Jahre lang nach Abschluß
der Behandlung aufzubewahren, Unterlagen über eine Röntgenbehandlung sogar 30 Jahre.
Die Auffassung, daß die ärztlichen Aufzeichnungen lediglich eine interne
Gedächnisstüzte des Arztes seien, ist überholt. Wenn ein schutzwürdiges Interesse des
Patienten besteht, kann er vom Arzt oder Krankenhaus Einsicht in die ihn
betreffenden Krankendokumente verlangen. Ein solches schutzwürdiges Interesse liegt vor
allem bei Verdacht eines Behandlungsfehlers oder einer Sorgfaltspflichtverletzung vor. Der
Patient muß ja schließlich das Prozeßrisiko abschätzen können. Neben dem
Einsichtsrecht steht dem Patienten auch ein Herausgabeanspruch hinsichtlich der
über ihn geführten Krankenunterlagen zu.
Der Bundesgerichtshof hat am 23.11.1982 Entscheidungen zu der Frage verkündet, inwieweit
ein Patient Einsicht in die ihn betreffenden Krankenunterlagen von Arzt oder Krankenhaus
verlangen kann. Der 1. Fall betraf eine Operation mit aus ungeklärten Gründen
ungünstigem Ausgang. Hier war dem Kläger an Material für eventuelle
Haftpflichtansprüche gelegen. Der 2. Fall betraf die Klage eines inzwischen genesenen
psychiatrischen Patienten, der seine Erlebnisse in einer sozialpsychologischen
Doktorarbeit aufarbeiten wollte.
Der Bundesgerichtshof hat im 1. Falle die Klage des Patienten mit gewissen
Einschränkungen für gerechtfertigt gehalten. Er war der Auffassung, daß der Patient aus
Gründen seiner verfassungsrechtlich geschützten personalen Würde und Selbstbestimmung
in der Regel Einsicht in die ihn betreffenden objektiven Befunde - Medikation,
Fieberkurve, EKG usw. - und Behandlungsberichte verlangen kann. Soweit die
Krankenunterlagen darüber hinaus - der heutigen Übung entsprechend ungetrennt - weitere
Aufzeichnungen enthalten, die wegen ihrer subjektiven Natur dem Patienten von den Ärzten
vorenthalten werden dürfen, kann die Pflicht auf Einsichtnahme dadurch erfüllt werden,
daß auf Kosten des Patienten Kopien gefertigt werden, in denen nicht
offenbarungspflichtige Stellen abgedeckt sind (VI ZR 222/79).
Im 2. Fall hat der Bundesgerichtshof ein Einsichtsrecht des Patienten mit der Begründung
verneint, daß bei einer psychiatrischen Behandlung über die genannten objektiven Daten
hinaus notwendig subjektive Bewertungen im Vordergrund stehen, die auch das Verhältnis
des behandelnden Psychiaters zu dem Patienten betreffen, so daß der Arzt seinerseits
schutzwürdig erscheine. Zu berücksichtigen sei auch, daß in der Krankenakte vielfach
Berichte von Angehörigen enthalten seien. Selbst bei deren Zustimmung zu der
Einsichtnahme könne zweifelhaft sein, ob sie sich über die Bedeutung einer Offenlegung
ihrer Angaben im Klaren seien. Letztlich sei auch die Besorgnis des Arztes zu
respektieren, daß der Patient durch die Einsicht in die während seiner psychischen
Erkrankung entstandenen Unterlagen Schaden nehmen könne. Dies unterliege der ärztlichen
Gewissensentscheidung. Hinter diesen Erwägungen müsse in dem zu entscheidenden Falle das
Interesse des Patienten an einer eigenen Auswertung der Krankenakte zurückstehen (VI ZR
177/81).
Patienten haben nach jeder Röntgenuntersuchung oder Röntgenbehandlung das Recht, eine
Abschrift der nach § 29 Röntgenverordnung vom Arzt zu fertigenden Aufzeichnung zu
verlangen. Diese Aufzeichnung muß Angaben über Zeitpunkt und Art der Untersuchung, die
untersuchte Region und die Daten, aus denen die Größe der Strahlenbelastung zu entnehmen
ist, enthalten. Damit soll jedem Patienten selbst eine Kontrolle über seine
Strahlenbelastung ermöglicht werden. Die Aufzeichnungen können dann bei jedem neuen
Arztbesuch vorgelegt werden.
Eine Vorschrift, die es verbietet, dem Patienten die Krankenunterlagen (oder Kopien)
herauszugeben, gibt es nicht!
Hinsichtlich der ärztlichen Schweigepflicht gelten folgende Grundsätze:
Der Patient soll sich den Angehörigen der Heilberufe, insbesondere dem Arzt und seinen
Helfern, mit all seinen körperlichen und seelischen Nöten bedenkenlos anvertrauen
können. Dieses Vertrauensverhältnis ist nach § 203 Strafgesetzbuch geschützt.
Danach wird auf Antrag bestraft (bis zu 2 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe), wer
unbefugt ein fremdes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das
ihm in seiner Eigenschaft als Arzt, Zahnarzt, Apotheker oder Angehöriger eines anderen
Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine
staatlich geregelte Ausbildung erfordert (z.B. Krankenschwester, Physiotherapeut), usw.
anvertraut oder bekannt geworden ist. Die Schweigepflicht muß sich grundsätzlich auf
alle Angelegenheiten erstrecken, die der Arzt bei der Begegnung mit dem Patienten
erfährt. Hierzu gehören auch familiäre, berufliche und wirtschaftliche Dinge, selbst
solche, die gar nicht den Patienten in eigener Person angehen. Geschützt ist auch der
Name des Patienten.
Mitteilungen über den Patienten sind u.a. in folgenden Fällen zugelassen (befugt):
- Bei Entbindung von der Schweigepflicht (setzt Geschäftsfähigkeit
bzw. genügendes Verständnis voraus).
- Bei Ausführung von gesetzlich vorgeschriebenen Meldungen (z.B. nach
dem Bundesseuchengesetz oder dem Geschlechtskrankheitengesetz).
- Bei Mitteilungen des Wissens über den Kranken an zum Wissen berufene
Personen. Das sind behandelnde Ärzte, Pflegekräfte und gegebenenfalls nahe Angehörige.
Der Patient kann Personen ausschließen.
- Bei pflichtgemäßem Ermessen zur Wahrung eines Interesses, das
höher ist als das berechtigte Interesse des Betroffenen an der Wahrung der
Schweigepflicht (z.B. Verhütung der Ansteckung, Kindesmißhandlung).
- Bei Wahrung berechtigter Interessen zur Selbstverteidigung vor
Gericht und Durchsetzung von Honorarforderungen im Zivilprozeß.
- Bei Mitteilungen an die Sozialleistungsträger (z.B. Meldung einer
Berufskrankheit oder Behinderung) und Kassenärztliche Vereinigungen über vertragsmäßig
behandelte Patienten.
Die
Schweigepflicht gilt nach dem Tod des Patienten fort. Es bestehen aber Auskunftsrechte der
nahen Angehörigen (z.B. über Behandlungsmaßnahmen und Todesursache)!
Lediglich das unbefugte Offenbaren ist mit Strafe bedroht. Zum unbefugten Offenbaren
genügt die einfache Weitergabe des Wissens an eine andere Person, die nicht dem Kreis der
zum Wissen Berufenen angehört. Möglich ist ein unbefugtes Offenbaren durch offenes
Herumliegenlassen von Krankenpapieren. Die Verletzung der Schweigepflicht kann auch darin
begründet sein, daß Gespräche mit dem Patienten in einer Art und Weise geführt werden,
die es fremden Personen gestattet, vertrauliche Informationen des Patienten mitzuhören.
Mitwirkung der nichtärztlichen Heilberufe
Der Arzt darf sich bei der Erledigung seiner ärztlichen Aufgaben (z.B. Diagnose- und
Therapiemaßnahmen) durch das nichtärztliche Personal unterstützen lassen. Voraussetzung
für eine Aufgabenübertragung ist aber, daß das tätig werdende Personal (z.B.
Krankenschwester, Physiotherapeut) über die erforderliche Qualifikation verfügt und die
Verrichtung im konkreten Fall nicht das Tätigwerden des Arztes selbst erfordert (z.B.
wegen Gefahr von Gesundheitsschädigungen).
Der Arzt darf z.B. die Durchführung von Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen solchen
Kräften übertragen, die in der Punktions- und Injektionstechnik besonders ausgebildet
sind und von deren Können und Erfahrungen er sich selbst überzeugt hat. Da aber solche
Tätigkeiten nicht zu den üblichen Aufgaben des nichtärztlichen Personals gehören,
bleibt der Arzt in jedem Falle für die Anordnung und ordnungsgemäße Durchführung der
Eingriffe sowie für die Auswahl und Überwachung der Hilfskraft verantwortlich. Narkosen
(jeder Art und Dauer), künstliche Beatmungen, Blutübertragungen und
Elektroschockbehandlungen darf der Arzt dem nichtärztlichen Personal nicht zur
selbstständigen Ausführung übertragen.
Die Tätigkeit des nichtärztlichen Personals hängt im allgemeinen immer von den
diagnostischen Auswertungen und therapeutischen Anordnungen des Arztes ab. Dies gilt
entsprechend auch für die in eigener Praxis tätig werdenden Personen (z.B.
Physiotherapeuten).
Maßnahmen des nichtärztlichen Personals sind immer nur solange rechtmäßig, wie sie dem
Willen des Patienten entsprechen. Das befugt tätig werdende nichtärztliche Personal muß
- wie der Arzt selbst - das Selbstbestimmungsrecht des Patienten beachten.
Hauptpflichten des Patienten
Den Patienten trifft die Vertragspflicht, die ärztlichen Maßnahmen zu unterstützen und
die gegebenen Hinweise zu befolgen (z.B. Einnahme verordneter Medikamente, Beachtung
diätetischer Ratschläge). Handelt der Patient dieser Pflicht zuwider, kann ihm in einem
Haftungsfall gegebenenfalls eine Mitschuld angelastet werden. Darüber hinaus steht dem
Arzt das Honorar für seine Leistungen zu. Bei Kassenpatienten wird die Vergütung
nach einheitlichen Bewertungsmaßstäben bzw. Sondervereinbarungen über die
Kassenärztliche Vereinigung von der Krankenkasse gezahlt, während bei Privatpatienten
diese selbst für das Honorar einstehen müssen.
Der Arzt kann bei Privatpatienten eine angemessene Vergütung für seine Dienstleistung
geltend machen. Dies gilt auch dann, wenn keine besondere Honorarvereinbarung getroffen
worden ist. Abrechnungsgrundlage ist die Gebührenordnung für Ärzte, die ein
ausgewogenes, überschaubares und leistungsbezogenes Vergütungssystem geschaffen hat, das
große Transparenz der ärztlichen Gebührenrechnungen gewährleistet, das
Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient fördert und das Kostenbewußtsein der
Privatpatienten schaffen will. Als Vergütungen stehen dem Arzt Gebühren,
Entschädigungen und Ersatz von Auslagen zu. Leistungen, die über das Maß einer
medizinisch notwendigen ärztlichen Versorgung hinausgehen, darf er nur dann berechnen,
wenn sie auf Verlangen des Patienten erbracht worden sind. Durch Vereinbarung kann eine
von der Gebührenordnung für Ärzte abweichende Höhe der Vergütung festgelegt werden
(Abdingung).
Die Überwachung der Liquidation der ärztlichen Gebühren, Entschädigungen und des
Ersatzes von Auslagen entsprechend den Regelungen der Gebührenordnung für Ärzte gehört
zu den Aufgaben der Ärztekammern. Die Ärztekammern können daher gebeten werden,
ärztliche Gebührenforderungen auf ihre Übereinstimmung mit der Gebührenordnung für
Ärzte hin zu überprüfen.
Patienten und Ärzte haben so die Möglichkeit, sich im Streitfall des neutralen
sachverständigen Urteils der Ärztekammern zu bedienen. Der Rechtsweg zu den
Zivilgerichten wird durch die Inanspruchnahme der Ärztekammer nicht in Frage gestellt.
Die Honorierung der privaten Inanspruchnahme eines Zahnarztes erfolgt nach der
Gebührenordnung für Zahnärzte; sie regelt das zahnärztliche Gebührenrecht ähnlich
dem ärztlichen Gebührenrecht.
Aufhebung des Behandlungsvertrages
Während der Patient - dem Selbstbestimmungsrecht folgend - jederzeit die Aufhebung des
Behandlungsvertrages vornehmen kann, ist dies dem Arzt nur unter erschwerten Bedingungen
möglich. Ist der Patient auf den Dienst des Arztes angewiesen, darf eine Behandlung nicht
abgelehnt werden. Der Patient muß die Möglichkeit haben, sich die ärztlichen Dienste
ohne Schaden rechtzeitig von einem anderen Arzt zu beschaffen. Geringe
Pflichtversäumnisse der Patienten können nicht als Grund für die Kündigung des
Behandlungsvertrages in Betracht kommen. Die Rechtsbeziehungen zwischen Patient und Arzt
enden im allgemeinen durch den Abschluß der Behandlung.
Für den Vertragsarzt gelten strengere Berufsregeln. Zu den gesetzlichen Krankenkassen
zugelassene Ärzte müssen in Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht behandeln
und dürfen Patienten nur in begründeten Fällen ablehnen (= Sicherstellungsauftrag).
Kassenpatienten dürfen niemals willkürlich von einer Behandlung ausgeschlossen werden.
Außerhalb eines Notfalles können z.B. zur Ablehnung einer Behandlung berechtigen:
- Es mangelt am Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Das
Vertrauensverhältnis kann wie folgt gestört sein:
a) Ärztliche Anordnungen (z.B. Einnahme von Medikamenten, Einhaltung von Bettruhe) werden
wiederholt nicht befolgt.
b) Der Patient verlangt beharrlich medizinisch nicht begründete oder unwirtschaftliche
Behandlungsmaßnahmen.
c) Es kommt zu Auseinandersetzungen oder Beschwerden.
- Es sind bereits so viele Patienten in Behandlung, daß deren
ausreichende Versorgung durch die Übernahme weiterer Patienten gefährdet wird.
- Die Behandlung liegt außerhalb des Fachgebietes, so daß die
notwendigen medizinischen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht ausreichend vorliegen.
Beaufsichtigung der ärztlichen Tätigkeit
Ergeben sich aus dem Vertrag zwischen Patient und Arzt Meinungsverschiedenheiten
(Arzthaftpflichtstreitigkeiten einmal ausgenommen), empfiehlt sich zunächst ein
klärendes Gespräch zwischen den Vertragspartnern. Führt ein solches Gespräch aber
nicht zu der gewünschten Verständigung, kann der Patient nicht nur von den ihm zur
Verfügung stehenden zivilrechtlichen Möglichkeiten Gebrauch machen, sondern darüber
hinaus auch die zuständige Ärztekammer, der jeder Arzt als Pflichtmitglied angehört,
und gegebenenfalls die Kassenärztliche Vereinigung unterrichten und um die gebotenen Aufsichtsmaßnahmen
bitten (Artikel 17 Grundgesetz). Die Ärztekammern führen nach den Grundsätzen der
Berufsordnung für die deutschen Ärzte die allgemeine Aufsicht über die Berufstätigkeit
ihrer Mitglieder. Sie sollen insbesondere die Einhaltung der Berufsregeln gewährleisten.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben vor allem zu gewährleisten, daß die
zugelassenen Vertragsärzte nach den Vorschriften des Kassenarztrechtes bei ihrer
Behandlungs- und Verordnungsweise dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen, zum Notdienst
zur Verfügung stehen, ausreichend Sprechstunden anbieten und bei Urlaub ausreichend
vertreten sind.
Maßstab
für die ärztliche Tätigkeit ist das "Gelöbnis", das für jeden Arzt gilt:
"Bei meiner Aufnahme in den ärztlichen Berufsstand gelobe ich feierlich, mein Leben
in den Dienst der Menschheit zu stellen.
Ich werde meinen Beruf mit Gewissenhaftigkeit und Würde ausüben. Die Erhaltung und
Wiederherstellung der Gesundheit meiner Patienten soll oberstes Gebot meines Handelns
sein.
Ich werde alle mir anvertraute Geheimnisse wahren.
Ich werde mit allen meinen Kräften die Ehre und die edle Überlieferung des ärztlichen
Berufs aufrechterhalten und bei der Ausübung meiner ärztlichen Pflichten keinen
Unterschied machen weder nach Religion, Nationalität, Rasse noch nach
Parteizugehörigkeit oder sozialer Stellung.
Ich werde jedem Menschenleben von der Empfängnis an Ehrfurcht entgegenbringen und selbst
unter Bedrohung meine ärztliche Kunst nicht in Widerspruch zu den Geboten der
Menschlichkeit anwenden. Ich werde meinen Lehrern und Kollegen die schuldige Achtung
erweisen.
Dies alles verspreche ich feierlich auf meine Ehre." |
Weiterführende
Literatur zum Thema:
Schell W. "Arztpflichten - Patientenrechte"
Schell W. "Injektionsproblematik aus rechtlicher Sicht."
Werner Schell
|