www.wernerschell.de
Pflege - Patientenrecht
& Gesundheitswesen

www.wernerschell.de

Aktuelles

Forum (Beiträge ab 2021)
Archiviertes Forum

Rechtsalmanach

Pflege

Patientenrecht
Sozialmedizin - Telemedizin
Publikationen
Links
Datenschutz
Impressum

Pro Pflege-Selbsthilfenetzwerk

>> Aktivitäten im Überblick! <<

Besuchen Sie uns auf Facebook

Der öffentliche Gesundheitsdienst und seine Aufgaben

Der nachfolgende Beitrag wurde im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Buches "Das deutsche Gesundheitswesen von A bis Z" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1995/96) erstellt. Er wird im wesentlichen in dieser ursprünglichen Fassung mit einigen Einfügungen zum ÖGD in NW und mit ergänzenden Literaturhinweisen vorgestellt:

Die Organisation bestimmen Bund und Länder

Öffentlicher Gesundheitsdienst (ÖGD) ist die Organisation von Dienststellen auf der Ebene von Bund, Ländern, Kreisen und Gemeinden, die dem Schutz der Gesundheit der Gemeinschaft und des einzelnen dient.

Wahrgenommen wird der ÖGD schwerpunktmäßig von den Gesundheitsämtern(GÄ); aber auch nach den regionalen Gegebenheiten von anderen Ämtern (z.B. Umweltschutzämtern). Neben den staatlichen und kommunalen Einrichtungen des ÖGD gibt es noch mittelbare Träger der Staatsverwaltung (Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen) und sonstige Institutionen, die von den Trägern der unmittelbaren oder mittelbaren Staatsverwaltung errichtet und getragen werden (z.B. Verbände, Vereine).

Der ÖGD wird in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung als "Dritte Säule" eingestuft; ihm obliegen zahlreiche wichtige Aufgaben. Diese Aufgaben werden aber mit sehr bescheidenen personellen und finanziellen Mitteln wahrgenommen; eine Verbesserung dieser unzureichenden Ausstattung wird seit langem gefordert.

Grundsätzlich ist das Gesundheitswesen Aufgabe des Bundes und der Länder. Die Zuständigkeit ergibt sich aus dem Grundgesetz (Gesundheitsgesetzgebung). Die Organisationsform und die Zuständigkeit für Fragen des Gesundheitswesens werden im Rahmen der Gesetze im Bund von der Bundesregierung, für die Länder, die Kreise und Gemeinden von den Landesregierungen bestimmt.

Im Land Nordrhein-Westfalen (NW) befaßt sich z.B. das am 1.1.1998 in Kraft getretene "Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst" (ÖGDG) vom 25.11.1997 (GV NW S. 430) mit der Stellung des ÖGD im Gesundheitswesen und zeigt auf, welche eigenständigen Aufgaben im arbeitsteiligen Gesundheitswesen vom ÖGD wahrgenommen werden. Es ist danach eine besondere Aufgabe des ÖGD, Personen, die aufgrund ihrer Lebenslage besonderer gesundheitlicher Fürsorge bedürfen und die von den üblichen Einrichtungen der gesundheitlichen Versorgung nicht erreicht werden, komplementär zu versorgen.
Die Bezeichnung "Gesundheitsamt" kommt im ÖGDG nicht mehr vor; es heißt jetzt "untere Gesundheitsbehörde". Die Leitung liegt nicht mehr zwingend bei einem Arzt, dem Amtsarzt.
Wie es scheint, war der Gesetzgeber bei der Entscheidung über das ÖGDG nicht sicher, ob denn die Neugestaltung des ÖGD praxistauglich sein werde. Denn in § 30 ÖGDG ist vorgesehen daß die Auswirkungen dieses Gesetzes nach einem Erfahrungszeitraum von fünf Jahren durch die Landesregierung unter Mitwirkung der Spitzenverbände der Kommunen überprüft werden. Diese Prüfung wird folglich 2003 stattfinden. Die Einschätzungen und Folgerungen bleiben abzuwarten.

Die Aufgaben: Neue Schwerpunkte sind notwendig
Die Aufgaben des ÖGD sind in Deutschland nicht einheitlich geregelt. Für den ÖGD in den Ländern sind einmal maßgebend das Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens (GesVG) von 1934 mit einigen Durchführungsverordnungen (DVO) und zum anderen eine Vielzahl von Spezialgesetzen. In einigen Ländern gibt es eigene Gesundheitsdienstgesetze. Trotz der unterschiedlichen gesetzlichen Vorschriften in den Ländern stimmen die vom ÖGD wahrzunehmenden Aufgaben in den Grundzügen überein. Der ÖGD befindet sich aber im Umbruch, so daß insgesamt oder nur regional Veränderungen im Aufgabenspektrum nicht auszuschließen sind.

Bereits 1985 wurde vom Deutschen Bundestag gefordert:
"Der ÖGD muß sich in Zukunft verstärkt Aufgaben im Umweltschutz, in der Gesundheitsvorsorge bei besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen, in der Sozialpsychiatrie und Sozialpädiatrie, bei der Bekämpfung des Drogen- und Rauschmittelmißbrauchs und vor allen Dingen bei der Verbesserung von gesundheitlicher Aufklärung und Gesundheitserziehung, aber auch bei dem Ausbau der Jugendzahnpflege mit Förderung der Zahn- und Gebißgesundheit durch Kariesprophylaxe zuwenden" (Bundestagsdrucksache 10/3374 vom 22.5.1985).

Die Aufgaben des ÖGD stimmen in den Grundzügen überein

Die dem ÖGD heute obliegenden Aufgaben umfassen folgende Bereiche:

A Seuchenhygiene und Gesundheitsschutz
B Umwelthygiene und Toxikologie
C Gesundheitsförderung und Gesundheitsvorsorge
D Jugendgesundheitspflege
E Sozialmedizinischer Dienst
F Amtsärztlicher Dienst und gutachterliche Aufgaben
G Gesundheitsberichterstattung und Epidemiologie

A Seuchenhygiene und Gesundheitsschutz
Allgemeines Ziel der Tätigkeit des ÖGD im Seuchenwesen ist die Verringerung des Auftretens von Infektionskrankheiten. Diese auch als Seuchenhygiene (als Teil der Umwelthygiene) bezeichnete Tätigkeit ist im Aufgabenspektrum des ÖGD fest verankert und auch mit Blick auf zukünftige Aufgabenstellungen unentbehrlich (Gründe: z.B. Panoramawechsel bei den Infektionskrankheiten, Fernreisen, fehlende Immunisierung der Bevölkerung, Verbreitung von Krankheitserregern durch Lebensmittel). Im Bereich des Gesundheitsschutzes rücken Anforderungen an die Hygiene in den verschiedenen Einrichtungen, z.B. in Bädern und Krankenhäusern, stärker in den Vordergrund.

Zu den Aufgaben der Seuchenhygiene und des Gesundheitsschutzes im einzelnen:

  • Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten mit Hilfe von vorbeugenden, zielgerichteten und gesundheitspolizeilichen Maßnahmen; insbesondere auf der Grundlage des Bundesseuchengesetzes. In diesem Gesetz sind umfassende Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen beschrieben.
  • Schutz der Bevölkerung vor der Weiterverbreitung von AIDS; vornehmlich durch Maßnahmen der Gesundheitserziehung-und -aufklärung (z.B. Beratungsgespräche, Öffentlichkeitsarbeit, Multiplikatorentraining für Lehrer und Ausbilder) und kostenlose HIV-Antikörpertests.
  • Schutz der Bevölkerung vor übertragbaren Krankheiten, gegen die durch Schutzimpfung immunisiert werden kann (Impfwesen). Insoweit kommen u.a. in Betracht: Impfangebote an die Bevölkerung (neben dem der Vertragsärzte) sowie Überwachung des Durchimpfungsgrades der Bevölkerung.
  • Verhütung, Feststellung, Erkennung und Veranlassung der Behandlung von Geschlechtskrankheiten sowie die vorbeugende und nachgehende Gesundheitshilfe (Gesundheitsfürsorge), insbesondere durch Überwachung und Untersuchung Prostituierten (Huren). Grundlage ist das Geschlechtskrankheitengesetz.
  • Schutz von Personal und Patienten im Krankenhaus (Krankenhaushygiene). Zur Verminderung der Krankenhausinfektionen erfolgt eine regelmäßige Beratung und Kontrolle der Krankenhäuser bei Neu- und Umbauten, Investitionen und im Betrieb durch alle Ebenen. Die hohe Zahl von Krankenhausinfektionen erfordert eine Intensivierung der Beratungs- und Kontrolltätigkeit (= regelmäßige Krankenhausbesichtigungen).

B Umwelthygiene und Toxikologie
Allgemeines Ziel der Tätigkeit des ÖGD ist die Verringerung der gesundheitlichen Belastungen der Bevölkerung bei der Nutzung der Umwelt (Umwelthygiene, Umweltschutz). Dieser umweltbezogene Gesundheitsschutz erfordert in vielfältiger Hinsicht die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit des ärztlichen Sachverstandes. Denn umwelthygienische und umwelttoxikologische Fragestellungen bedingen komplexe und differenzierte Antworten. Es ist Aufgabe des ÖGD, die Risikofaktoren für die menschliche Gesundheit zu erkennen (z.B. bei Kontrollen, Ortsbesichtigungen, Probeentnahmen), sie zu bewerten, ihnen vorzubeugen und gegen schädliche Einflüsse Maßnahmen zu veranlassen oder zu ergreifen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben ist der ÖGD auf eine Zusammenarbeit mit anderen Stellen angewiesen (z.B. Gewerbeaufsichtsamt, Wasserwirtschaftsamt). Die Kapazität und fachliche Qualifikation des ÖGD ist u.a. in den folgenden hygienischen Bereichen gefordert: Abfallhygiene, Abwasserhygiene, Badewasserhygiene, Krankenhaushygiene, Lebensmittelhygiene (Lebensmittelüberwachung) und Trinkwasserhygiene.

C Gesundheitsförderung und Gesundheitsvorsorge
Der Wert einer gesunden Lebensführung und Verhinderung von Schäden für die Gesundheit durch Maßnahmen der Gesundheitsförderung ist unbestritten. Aufgabe des ÖGD ist es, Informationen anzubieten und Verhaltensweisen einzuüben, mit denen die Bevölkerung in die Lage versetzt werden soll, Lebensstile zu entwickeln und zu praktizieren, die gesundheitsförderlich sind. Dem ÖGD obliegen Koordinierungsfunktionen sowie die Aufgabe, mit anderen Trägern (z.B. Krankenkassen) die Initiative zu Gesundheitsaktionen zu ergreifen (kommunale Gesundheitsförderung).

Es ergeben sich folgende Aufgabenschwerpunkte:

  • Zielgruppenorientierte Gesundheitserziehung und -aufklärung über vermeidbare Risikofaktoren und Hinführung zu einer gesunden Lebensführung. Dazu gehört die Koordination und Initiierung von entsprechenden Angeboten auf regionaler Ebene (z.B. Gesundheitstage und -wochen, Veranstaltungen zum Weltgesundheitstag, Aus- und Fortbildung von Multiplikatoren). Die Notwendigkeit hierfür ergibt sich aus den verbreiteten gesundheitsbelastenden Lebensgewohnheiten, den noch immer zunehmenden Zivilisationskrankheiten und der erforderlichen Kostendämpfung im Gesundheitswesen zur Entlastung der Solidargemeinschaft.
  • Beratung von Schwangeren sowie von Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern (sog. Mütterberatung) wird durch den ÖGD angeboten, soweit andere Institutionen diese Aufgabe nicht wahrnehmen (Früherkennung von Krankheiten, Mutterschaftshilfe). Dabei können neben körperlichen Untersuchungen der Kinder folgende Aufgaben wahrgenommen werden: Beratung von Eltern zu den Themen Ernährung, Stillen, Hygiene, Körperpflege, Entwicklungsförderung, Schutzimpfung und Kinderkrankheiten (z.B. Rachitis- und Kariesprophylaxe) und Behinderungen sowie Bereitstellung von Informationsmaterial (Müttersterblichkeit, Säuglingssterblichkeit).
  • Beratung von Einrichtungen und ihren Trägern in Fragen möglichst wirksamer gesundheitsfördernder Gestaltung der Einrichtungen und des in den Einrichtungen realisierten Betreuungsprogramms. Dies betrifft insbesondere Kindergärten, Schulen, Heime sowie Behinderteneinrichtungen (z.B. Kindergärten für Behinderte).

D Jugendgesundheitspflege
Die Gesundheitsförderung schon bei Kindern und Jugendlichen ist aus medizinischer, sozialer und wirtschaftlicher Sicht am günstigsten: Lebenslang wirksame Verhaltensweisen lassen sich am ehesten im Kindes- und Jugendlichenalter einüben. Im übrigen ist die frühe Feststellung von Fehlentwicklungen bei Kindern und Jugendlichen erforderlich, um irreversible Schädigungen zu vermeiden.

  • Die Gesundheitsversorgung für Kinder und Jugendliche wird einmal abgedeckt durch 9 Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten (bis zum 6. Lebensjahr), zum anderen finden Untersuchungen der Berufsanfänger nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz statt (15. bis 18. Lebensjahr). Ergänzt werden diese Angebote durch die schulärztlichen Untersuchungen und der Jugendzahnpflege des ÖGD; sie binden einen großen Teil der Arbeitskapazität (= Schulhygiene).
  • Die Schulgesundheitspflege soll die bestmögliche Entwicklung aller Schulkinder in körperlicher, geistiger, seelischer und sozialer Hinsicht gewährleisten. Zur Schulgesundheitspflege gehören die ärztliche Untersuchung von Kindern auf Hinderungsgründe für den Schulbesuch (bestimmte Schulstufe und Schulart, besondere Förderungsmaßnahmen), Beratung der Kinder und Sorgeberechtigten in gesundheitlichen Belangen sowie Gesundheitserziehung und -aufklärung für Schüler, Eltern und Lehrer.
  • Die Jugendzahnpflege hat die Erhaltung der Zahngesundheit von frühester Kindheit an zum Ziel, insbesondere durch Einüben zahnpflegender und -erhaltender Verhaltensweisen. Zu den Aufgaben der Jugendzahnpflege gehört die Gruppenprophylaxe und Unterweisung in der Zahnpflege im Kindergarten, regelmäßige Untersuchung in Kindergärten und Sonderschulen (zum Teil in allen Schulen), im übrigen Schulbereich Anwendung des sog. "Verweisungsverfahrens" (d.h. Untersuchung des Zahnzustandes durch Kassenzahnärzte) sowie koordinierende Aufgaben in anderen Institutionen.
  • Die Aufgaben der Jugendzahnpflege ergänzen die Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankheitsverhütung) und ermöglichen gleichzeitig eine Sammlung von Daten zum Gesundheitszustand der Zähne von Kindergarten- und Schulkindern. Diese Daten stehen für epidemiologische Zwecke zur Verfügung.

E Sozialmedizinischer Dienst
Der sozialmedizinische Dienst (Gesundheitshilfe, Sozialmedizin) soll sicherstellen, daß Personen, die wegen Krankheit oder Behinderung der Hilfe bedürfen, durch den ÖGD beraten werden (Gesundheitsberatung), vom ÖGD in andere Beratungs- und Hilfeeinrichtungen vermittelt werden (z.B. Auskunfts- und Beratungsstellen), Hilfen für den Betroffenen koordiniert eingesetzt werden und zum Teil Hilfen direkt gewährt werden. Sozialmedizinische Hilfeleistungen stellen auch eine notwendige Unterstützung und Absicherung der seuchenhygienischen Maßnahmen bei übertragbaren Krankheiten dar.
Die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Anbietern von Gesundheitsberatung und Betreuung ist oft schwierig zu treffen. Es wird daher ein veränderter Aufgabenzuschnitt zu erwägen sein. Einzelne Beratungsangebote könnten zugunsten anderer Anbieter abgebaut werden (z.B. Behindertenberatung), während andere Beratungsangebote (z.B. für Personen mit psychischen Krankheiten) ausgebaut werden.

Zu den Aufgaben des sozialmedizinischen Dienstes im einzelnen:

  • Behinderten soll ein möglichst hohes Maß an selbständiger, qualitätsvoller Lebensführung ermöglicht werden. Um diesem Ziel gerecht zu werden, hat der ÖGD die ärztlichen Aufgaben nach dem Bundessozialhilfegesetz (Eingliederungshilfe für Behinderte) wahrzunehmen (ansonsten sind die übrigen Rehabilitationsträger zuständig) und die individuelle Beratung und Betreuung Behinderter sicherzustellen (Landesärzte für Behinderte). Dabei kommt der Koordination der Hilfeangebote eine große Bedeutung zu, insbesondere bei der Frühförderung im Kleinkind- und Schulbereich (in Ergänzung der Mütterberatung).
  • Bei der Beratung und Betreuung bei Abhängigkeit hat der ÖGD eine subsidiäre und komplementäre Rolle. Sie ist aber notwendig, da immer noch Fälle von anderen Betreuungsangeboten (z.B. Drogenberatungsstellen, Selbsthilfegruppen) nicht erreicht bzw. angenommen werden. Ziel muß sein, den Abhängigen zu einem abstinenten Leben zu verhelfen, die Gemeinschaftsfähigkeit des Abhängigen zu erhalten oder wiederherzustellen und Gefahren für Leib und Leben des Abhängigen und von ihm gefährdeter Dritter abzuwehren.
  • Der ÖGD nimmt bei der Betreuung von psychisch Kranken insbesondere folgende Aufgaben wahr: Originäre Zuständigkeit in der Kinder-, Jugend- und Gerontopsychiatrie, Mitarbeit in sozialpsychiatrischen Arbeitskreisen, subsidiär Beratung, Betreuung und Hilfevermittlung im Bereich der Erwachsenenpsychiatrie und subsidiär die Begutachtung. Ziel ist die Erhaltung der Fähigkeit von psychisch Kranken zu selbständigem Leben in Familie und Gemeinschaft sowie die Abwehr der Gefahr für Leib und Leben des psychisch Kranken und eventuell von ihm gefährdeten Dritten (Psychiatrische Versorgung, Unterbringung von psychisch Kranken).
  • Für Personen mit chronischen Krankheiten und ihren Angehörigen sind Beratungs- und Betreuungsangebote vorzuhalten. Hilfen sozialer Art aus gesundheitlichen Gründen sind mit dem spezifischen Wissen von Ärzten und Sozialarbeitern anzugehen. Ein Angebot für chronisch Kranke ist z.B. die Beratung bei Krebs. Sie sollte orgininär in solchen Bezirken wirksam werden, in denen kein anderer Beratungsträger vorhanden ist.
  • Schwangerenkonfliktberatung soll subsidiär in solchen Bezirken stattfinden, in denen kein ausreichendes Beratungsangebot sowie keine akzeptierte Pluralität und Neutralität vorliegen. Ziel ist Hilfe für Schwangere und ungeborenes Leben im Zusammenhang mit einem vorgesehenen Schwangerschaftsabbruch.
  • Für Tuberkulosekranke wird aus gesundheitlichen Gründen Beratung, Betreuung und Hilfevermittlung geleistet. Diese sozialmedizinische Betreuung von Tuberkulosekranken ist komplementär zur Seuchenbekämpfung erforderlich.
  • Im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten richtet sich ein besonderes Beratungs- und Betreuungsangebot vor allen an Prostituierte. Hierzu gehören vornehmlich Hilfevermittlung, Schuldnerberatung, "Ausstiegs"-Hilfen, Berufseingliederungshilfen und Umschulungen. Vorrangiges Beratungsziel ist die Infektionsverhütung bei Prostituierten.
  • Bei der sozialmedizinischen Betreuung im Zusammenhang mit HIV und AIDS steht die Erhaltung eines niedrigen Morbiditätsniveaus und die Hilfe bei der Lebensbewältigung im Vordergrund. Zu den Aufgaben gehören die Beratung vor und nach HIV-Antikörpertests, die aufsuchende Beratung, die Betreuung sowie die Vermittlung von Hilfen. Hinsichtlich des Beratungs- und Hilfeangebots anderer Stellen hat der ÖGD eine Koordinations- und Initiativaufgabe.

F Amtsärztlicher Dienst und gutachterliche Aufgaben
Hierzu gehören eine Reihe unterschiedlich gelagerter Aufgaben, die dem gemeinsamen Oberziel "Deckung des Bedarfs an amtlich legitimierten ärztlichen Aussagen" dienen (Gutachtertätigkeit).

Zu diesem Aufgabenbereich gehören insbesondere:

  • Untersuchung und Begutachtung durch Ärzte ohne Behandlungsauftrag nach im wesentlichen gleichen Kriterien für den Staat als Dienstherrn oder andere Einrichtungen im öffentlichen Interesse. Untersuchungen durch den Amtsarzt kommen z.B. in Betracht zum Ausschluß gesundheitlicher ungeeigneter Bewerber für bestimmte Tätigkeiten und Berufe (Beamtenanwärter usw.), zur Feststellung der Berechtigung von Leistungsansprüchen (z.B. Eingliederungshilfe für Behinderte) und als Beitrag zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Untersuchung/Gutachten im Zusammenhang mit der Unterbringung von psychisch Kranken).
  • Tätigkeit als ärztlicher Sachverständiger nach Strafprozeßordnung und Zivilprozeßordnung sowie der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit kein eigenständiger gerichtsärztlicher Dienst außerhalb des ÖGD besteht. Bei der gerichtsärztlichen Tätigkeit geht es darum, gesicherte medizinische Grundlagen für prozessuale und materielle Entscheidungen anknüpfend an den gesundheitlichen Zustand von Verfahrensbeteiligten zu schaffen (z.B. Feststellung von Verhandlungs- und Haftfähigkeit sowie der Schuldfähigkeit nach den Vorschriften des Strafrechts).
  • Überwachung der Gesundheitsberufe, soweit diese Tätigkeit nicht in anderer Zuständigkeit wahrgenommen (z.B. durch Ärztekammern, Zahnärztekammern) und Apotheken einschließlich des Verkehrs mit Arzneimitteln, Betäubungsmitteln und Gefahrstoffen.
  • Beratung der zuständigen Behörden in Angelegenheit des Katastrophenschutzes und Zivilschutzes, vornehmlich aus dem Gesichtspunkt der Seuchenhygiene und Umwelthygiene.
  • Im Zusammenhang mit der Sicherstellung des Krankentransports und des Rettungsdienstes obliegt dem ÖGD insbesondere die Wahrnehmung von hygienischen Aufgaben. Soweit eine anderweitige Zuständigkeit nicht gegeben ist, wird der ÖGD auch Initiativen zur schnellstmöglichen Versorgung von Kranken und Verletzten ergreifen.
  • Bei der Bestattung hat der ÖGD die Aufgabe der Abwehr von gesundheitlichen Gefahren, insbesondere aus hygienischer Sicht (= Bestattungshygiene), und die Sicherung von Daten für eine qualifizierte Gesundheitsberichterstattung (Mortalitätsstatistik). Vor Durchführung einer Feuerbestattung hat der ÖGD eine amtliche Leichenschau durchzuführen.

G Gesundheitsberichterstattung und Epidemiologie
Eine zunehmend bedeutsame Aufgabe ist das Sammeln, Verknüpfen und Auswerten von bereits vorhandenen und neu zu erhebenden gesundheitsbezogenen Daten. Damit soll eine Verbesserung des Kenntnisstandes über die gesundheitliche Lage der Bevölkerung und deren Entwicklungstrends sowie über Leistungen, Inanspruchnahmeverhalten und Gesundheitsausgaben erreicht werden.
Eine verbesserte Gesundheitsberichterstattung könnte bereits an anderer Stelle vorliegende Daten (z.B. Jahresgesundheitsbericht, Krankenhausstatistik) berücksichtigen und sinnvoll miteinander verknüpfen. Eine regionalisierte und bevölkerungsbezogene Statistik der Morbidität und Mortalität mit ihrer Verknüpfung von soziodemographischen sowie umweltrelevanten Daten und deren epidemiologische Analyse wird allgemein als vordringlich erachtet.

Literatur:
Bachmann (Hrsg.): Das grüne Gehirn (Loseblattsammlung). Verlag, R.S. Schulz, Starnberg-Percha
Beske/Brecht/Reinkemeier: Das Gesundheitswesen in Deutschland. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln 1995
Flenker, I.: Der Amtsarzt im zweiten Glied; Beitrag im "Deutschen Ärzteblatt" vom 26.6.1998
Grunow-Lutter/Plümer: Neue Steuerungsmodelle und ÖGD; Beitrag in Zeitschrift "Blickpunkt öffentliche Gesundheit", 2/98
Ortwein, I.: Kleines Lexikon des deutschen Gesundheitswesens. A&o publication, Bensheim 1998
Schell, W.: Das deutsche Gesundheitswesen von A bis Z. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1995/1996
Schell, W.: Staatsbürgerkunde, Gesetzeskunde und Berufskunde für die Pflegeberufe in Frage und Antwort. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1998
Schwartz u.a. (Hrsg.): Das Public Health Buch. Urban & Schwarzenberg, München 1998

Werner Schell