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Unterrichtsreihe zum Thema "Sterbehilfe"
Einleitung zur Unterrichtsreihe "Sterbehilfe" - "Die Würde des Menschen ist unantastbar." (Art. 1 GG)

In der heutigen Diskussion um Sterbehilfe und Euthanasie wird von der Befürwortern dieser Maßnahmen mit dem Mitleid argumentiert, das man gegenüber todkranken und schwer leidenden Menschen haben müsse. Das Schicksal solcher Menschen, die auch selbst diese Hilfe zum Sterben begehrten, weil sie ihre Schmerzen und ihre Abhängigkeit von anderen nicht mehr ertragen könnten, müsse so erleichtert werden. Ein Variante dieser Haltung stellt die Forderung nach der Tötung von schwerstbehinderten Neugeborenen nach der Geburt dar.

Beiden Haltungen ist gemeinsam, daß sie - unausgesprochen oder offen- Kriterien für ein würdiges, gesundes und selbstbestimmtes Leben behaupten, denen Sterbende, Todkranke und (geistig und körperlich) Behinderte nicht genügen. Hierbei ist aber strikt zu trennen zwischen der verständlichen und nachvollziehbaren individuellen Angst vor Krankheit sowie Behinderung und der in diesen beiden Haltungen ausgedrückten Definitionsmacht von uns "Gesunden" und "Normalen", von uns Nicht-Behinderten und von Experten, die festlegen, welches Leben gesund, selbstbestimmt und würdig ist.

Hinzu kommt, daß in dieser Diskussion ein ökonomisch geprägter Argumentationsstrang enthalten ist. In dem Begriff der "menschlichen Kosten", die das Leiden dem Betroffenen und den Angehörigen verursacht, wird die ökonomisch geprägte Sicht deutlich, die wir anlegen, um menschliches Leid zu bewerten. Die Ökonomie gerät aber nicht nur im übertragenen Sinne, sondern auch ganz real in unser Blickfeld, wenn wir diese Sicht von Krankheit und Gesundheit, von Normalität und Behinderung wahrnehmen und beurteilen. Es sind einmal die Kosten, die wir für unser Gesundheitswesen aufbringen müssen. Als Beispiel sei nur die derzeitige Diskussion um die Pflegeversicherung für alte Menschen genannt.

Die Kategorie des Ökonomischen und, damit verbunden, die der Produktivität wird aber noch bedeutsamer, wenn wir uns der Geschichte der - um einen Begriff aus dem "Wörterbuch des Unmenschen zu benutzen - "Durchführung" von Euthanasie und Sterbehilfe zuwenden. Die Nationalsozialisten radikalisierten lediglich, das verdeutlicht unsere Unterrichtsreihe, die seit der Jahrhundertwende hauptsächlich von Medizinern und Psychiatern entwickelten Konzepte, wie mit "unwertem Leben" und mit "Ballastexistenzen" umzugehen sei. Wir versuchen, auf der Grundlage von Klaus Dörners Abhandlung "Tödliches Mitleid. Zur Frage der Unerträglichkeit des Lebens oder: die Soziale Frage: Entstehung, Medizinierung, NS-Endlösung, heute, morgen" (Gütersloh 1988) diesen heute noch wirksamen historischen Zusammenhang zu verdeutlichen. Er verdient unsere Beunruhigung und Verstörung. Dies ist an der zentralen These von Dörner zu belegen:"Es ist (...) die entscheidende Absicht der Nazis gewesen, der Welt am Beispiel Deutschlands ein einziges Mal zu beweisen, daß eine Gesellschaft, die sich systematisch und absolut jeden sozialen Ballasts entledigt, wirtschaftlich, militärisch und wissenschaftlich unschlagbar sei, eine Absicht, die sich auch nur schwer widerlegen läßt, wenn man die Logik und Ethik der Industrialisierung konsequent zu Ende denkt, insofern auch eine Absicht, die in der Tradition der fortschrittlichen Moderne gut abgesichert ist." (S.10)

Der sich innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft vollziehende Industrialisierungsprozeß verlangt, so weist Dörner nach, funktionierende, der Logik des Produktionsprozesses gehorchende Individuen. Derjenige, der sich nicht einbinden läßt, weil er dies nicht will oder aber, weil er dazu nicht in der Lage ist, wird als unproduktives Element aus der Gemeinschaft der Produktiven ausgegrenzt. Die eine solche Ausgrenzung verursachenden Merkmale beziehen sich zum einen auf für die "Normalen" auffälliges und sie störendes oder gar anwiderndes Verhalten. Zum anderen handelt es sich um Kranke, auch gerade um solche, die auf keine Genesung mehr hoffen können, sowie um körperlich, geistig und psychisch Behinderte. Nicht nur, daß sie ein in unseren Augen "unwürdiges" Leben führen, sie fallen uns auch zur Last, weil sie unserer Zuwendung bedürfen, da sie nicht für sich selbst sorgen können, sie verursachen auch noch in erheblichem Maße Kosten.

Obwohl wir dies alles wissen: Fremddefinition ist der erste Schritt zur Ausgrenzung; die Würde des Menschen basiert nicht auf allgemein anerkannten Merkmalen wie Schönheit, Beliebtheit, Klugheit etc., sondern der Mensch an sich besitzt Würde; obwohl wir dies alles wissen, hilft uns dies im Alltag wenig. Wir fühlen uns gestört und denken an die Kosten. Was also ist zu tun? Bedenken, daß alle Möglichkeiten elendsten Daseins auch in uns selbst vorhanden sind: siehe M 15 Die Möglichkeiten des Menschen

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