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12 Grundsatzthesen zur Menschenwürde Behinderter

Mit dem «Anschlagen» von «12 Grundsatzthesen zur Menschenwürde und des Bürgerrechts für behinderte Menschen» an die Tür der Nikolaikirche in Berlin veröffnete der Deutsche Behindertenrat (DBR) am 04. 12. 2000 seine zentrale Veranstaltung zum Welttag der Behinderten. Sie trug das Motto «Menschenwürde - Bürgerrechte. Unantastbar? - Garantiert?» Im Aktionsbündnis DBR haben sich zahlreiche Behindertenverbände zusammengeschlossen, die die Interessen von 2,5 Millionen Menschen mit Behinderungen in Deutschland vertreten.

Der Vorsitzende des DBR-Sprecherrates, Walter Hirrlinger, forderte im Beisein des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Karl Hermann Haack, einen Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik. «Die politisch Verantwortlichen können mit einem Sozialgesetzbuch IX und mit Gleichstellungsgesetzen in dieser Legislaturperiode einen ganz entscheidenden Schritt zur Umsetzung der Menschenrechte für Bürgerinnen und Bürger mit Behinderungen leisten», sagte Hirrlinger, der zugleich Präsident des Sozialverbands VdK Deutschland ist. Leider sei die Würde von Menschen mit Behinderungen immer noch nicht unantastbar wie das Beispiel von Gentests bezüglich vorhandener oder möglicher Erkrankungen eines Versicherungsunternehmens in Großbritannien zeige. Der DBR begrüße deshalb ausdrücklich, dass die Bundesregierung einen ähnlichen Antrag eines deutschen Versicherungsunternehmens vor kurzem abgelehnt habe.

Hirrlinger appellierte an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die so genannte Bioethik-Konvention [1] weder zu ratifizieren noch zu unterzeichnen, so lange sie Eingriffe an einwilligungsunfähigen Menschen zulasse. «Das Recht auf körperliche, geistige und seelische Unversehrtheit ist und bleibt unverzichtbar.»

Menschen mit Behinderungen seien keine «Fürsorgeobjekte», sondern gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger, so Hirrlinger. «Wenn Eltern sich für ein behindertes Kind entschließen, müssen sie Hilfen erhalten, und zwar mittels eines Leistungsgesetzes mit Bundesmitteln.» Für die Behindertenverbände sei ein umfassendes Benachteiligungsverbot mit einklagbaren Rechten einschließlich eines Verbandsklagerechts das Gebot der Stunde. Eine barrierefreie Infrastruktur sowie die Anerkennung der Gebärdensprache als eigenständige Sprache seien Voraussetzungen für eine volle Teilhabe und Teilnahme am öffentlichen und privaten Leben. Dazu bedürfe es auch der Barrierefreiheit in den Köpfen der Menschen.

Thesen des Deutschen Behindertenrates zur Menschenwürde und des Bürgerrechts von Menschen mit Behinderungen

Die Würde der Menschen mit Behinderungen ist unantastbar. Jeder Mensch mit Behinderungen hat das Recht auf körperliche, geistige und seelische Unversehrtheit. Menschliche Vielfalt und menschliches «Anderssein» sind eine Bereicherung für die Gesellschaft.

Jegliche Selektion behinderten Lebens wird abgelehnt! Lebenswert und Lebensqualität behinderter Menschen dürfen nicht in Frage gestellt werden.

Menschen mit Behinderungen sind Bürgerinnen und Bürger unseres Staates und keine «Objekte staatlicher Hilfen». Sie sind daher, soweit sie auf Förderung, Betreuung und Begleitung angewiesen sind, Auftrag- und Arbeitgeber.

Menschen mit Behinderungen, von Behinderung bedrohte Kinder und ihre Eltern haben von Anfang an einen Anspruch auf Förderung und Begleitung. Behinderte Menschen jeden Alters haben einen Anspruch auf bedarfsgerechte Unterstützung unter Beachtung ihres Wunsch- und Wahlrechts. Hierzu gehören auch und gerade offene Hilfen.

Zur Vermeidung von Diskriminierung fordern behinderte Menschen und ihre Angehörigen ein umfassendes Benachteiligungsverbot und einklagbare Rechte einschließlich eines Verbandsklagerechtes.

Alle Menschen haben das Recht, ohne fremde Hilfe den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Informationen, den neuen Kommunikationstechnologien sowie Gebäuden zu erlangen.

Die Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anzuerkennen.

Die Gleichberechtigung behinderter Frauen und Männer ist sicherzustellen; gleiches gilt für das Recht auf Intimsphäre und Schutz vor sexuellen Übergriffen.

Art und Ursache der Behinderung dürfen nicht ausschlaggebend sein für die Teilnahme am Leben der Gesellschaft und die damit verbundenen Rechtsansprüche auf Förderung und Rehabilitation.

Die Nachrangigkeit der Eingliederungshilfe im Sozialrecht muss beseitigt werden; Eltern, die sich für ihr behindertes Kind entschieden haben, dürfen nicht lebenslang durch Unterhaltszahlungen «bestraft» werden.

Behinderte Menschen ist der Zugang zu geeigneter Arbeit, bedarfsgerechtem Wohnen, zu Freizeit und Bildungsmaßnahmen zu ermöglichen - und zwar in jedem Alter.

Behinderte Menschen fordern das gemeinsame Leben mit anderen Menschen, die nicht auf den ersten Blick behindert sind; sie brauchen mehr Toleranz und Verständnis im Lebensalltag.

Werner Schell

[1] Der Text der Konvention ist vollständig abgedruckt in Schell, Werner „Sterbebegleitung und Sterbehilfe ...“ Brigitte Kunz Verlag, Hagen 2000.