Pflege - Patientenrecht & Gesundheitswesen
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Der Rettungsassistent und seine Notkompetenz
Der Rettungsassistent hat als Helfer des Arztes die Aufgabe, in einem
Unglücks- oder Notfall bis zur Übernahme der Krankenbehandlung durch einen Arzt
lebensrettende Maßnahmen bei Notfallpatienten durchzuführen, die Transportfähigkeit
solcher Patienten herzustellen, die lebenswichtigen Körperfunktionen während des
Transports zum Krankenhaus zu beobachten und aufrechtzuerhalten sowie kranke, verletzte
und sonstige hilfsbedürftige Personen, auch soweit sie nicht Notfallpatienten sind, unter
sachgerechter Betreuung zu befördern.
Rettungsassistenten nehmen damit wichtige Aufgaben im Rettungsdienst und beim Krankentransport wahr. |
Ihr Einsatz
erfolgt mit Hilfe unterschiedlicher Rettungsmittel (z.B. Notarztwagen,
Rettungshubschrauber).
Die Ausbildung der Rettungsassistenten erfolgt auf der Grundlage des
Rettungsassistentengesetzes (RettAssG) in Verbindung mit einer hierzu ergangenen
Ausbildungs- und Prüfungsverordnung an staatlich anerkannten Schulen für
Rettungsassistenten und schließt nach 12 Monaten mit einer Prüfung ab. Danach folgt eine
praktische Tätigkeit; sie dauert in Vollzeitform 12 Monate (ansonsten mindestens 1.600
Stunden). Die nach der Ausbildung erteilte Erlaubnis berechtigt bei Zuverlässigkeit zur
Berufsausübung und bei körperlicher Eignung zum Führen der geschützten
Berufsbezeichnung "Rettungsassistent" oder "Rettungsassistentin".
Krankenschwestern (Krankenpfleger) und Kinderkrankenschwestern (Kinderkrankenpfleger)
können nach einem Ergänzungslehrgang von mindestens 300 Stunden die Abschlußprüfung
nach dem RettAssG ablegen und die Erlaubnis zur Führung der geschützten
Berufsbezeichnung erhalten.
Personen, die vor Inkrafttreten des RettAssG (1.9.1989) eine Ausbildung als
"Rettungssanitäter" nach den "Grundsätzen zur Ausbildung des Personals im
Rettungsdienst" (520-Stunden-Programm) abgeschlossen haben, dürfen die Bezeichnung
"Rettungssanitäter" weiterführen. Sie können aber auch unter erleichterten
Bedingungen die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung nach dem RettAssG erwerben.
Die Frage, welche Notkompetenz der Rettungsassistent hat und welche ärztliche Leistungen ihm
übertragen werden können, wird seit Jahren kontrovers diskutiert. |
Die Bundesärztekammer hat sich daher den verschiedenen Fragestellungen angenommen und am
16.10.1992 eine "Stellungnahme der Bundesärztekammer zur Notkompetenz von
Rettungsassistenten und zur Delegation ärztlicher Leistungen im Rettungsdienst"
verabschiedet.
Diese Stellungnahme hat für die rettungsdienstliche Praxis große Bedeutung und wird
daher (ohne die dazu gehörigen umfangreichen Anlagen) wie folgt vorgestellt:
"Durch das Gesetz über den Beruf der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten
(Rettungsassistentengesetz - RettAssG) vom 10.07.1989 wird die Ausbildung des
Rettungsassistenten/Rettungsassistentin gesetzlich geregelt.
Gemäß § 3 des RettAssG soll die Ausbildung den Rettungsassistenten befähigen, als Helfer
des Arztes tätig zu werden sowie bis zur Übernahme der Behandlung durch den
Arzt lebensrettende Maßnahmen bei Notfallpatienten durchzuführen, die
Transportfähigkeit solcher Patienten herzustellen und die lebenswichtigen
Körperfunktionen während des Transportes zu beobachten und aufrechtzuerhalten.
Im Hinblick auf diese Definition des Ausbildungszieles des RettAssG wird
unzutreffenderweise die Auffassung vertreten, daß mit dem Rettungsassistentengesetz ein
medizinischer Fachberuf geschaffen wurde, dem auch die Erlaubnis zur Durchführung
spezifischer ärztlicher Leistungen im Rettungsdienst übertragen worden sei. Auch wenn im
RettAssG ein eigener Kompetenzbereich des Rettungsassistenten beschrieben ist, gilt der
Arztvorbehalt für die Ausübung der Heilkunde (vgl. § 1 Heilpraktikergesetz).
In der rettungsdienstlichen Zusammenarbeit zwischen Arzt und
Rettungsassistent sind voneinander abzugrenzen:
1. Die Delegation ärztlicher Leistungen im Rettungsdienst.
2. Die "Notkompeten" des Rettungsassistenten im Rahmen des rechtfertigenden
Notstandes.
Zu 1. Möglichkeiten der Delegation ärztlicher Leistungen auf
Rettungsassistenten
Delegation beschränkt sich auf die Übertragung der Durchführung ärztlicher
Leistungen auf Nicht-Ärzte. Die Anordnungsverantwortung liegt stets beim Arzt, die
Durchführungsverantwortung grundsätzlich bei demjenigen, der die Leistung zur
Durchführung übernimmt. Die Verantwortung des Arztes erstreckt sich auch darauf, daß
sich die Leistung zur Übertragung auf den Rettungsdienst eignet und daß
derjenige, dem die Leistung konkret übertragen wird, die dafür erforderliche
Qualifikation tatsächlich besitzt.
Ob die Durchführung einer ärztlichen Leistung überhaupt delegiert werden darf, bestimmt
sich danach, ob die Durchführung generell oder wegen der besonderen Umstände des
individuellen Falles spezifische ärztliche Kenntnisse und Erfahrungen erfordert.
Dem Arzt vorbehalten und damit nicht delegationsfähig sind spezifische ärztliche
Leistungen: Das Stellen der Diagnose und die therapeutische Entscheidung.
Soweit Delegation zulässig ist, werden Rettungsassistenten im Rahmen eines ihnen
übertragenen Aufgabenbereiches tätig und erbringen assistierende Leistungen.
Zu 2. "Notkompetenz" des Rettungsassistenten
Der Rettungsassistent hat, wie jeder Bürger, der Pflicht zur Hilfeleistung nach § 323c
StGB zu genügen. Darüber hinaus hat er in seiner Rettungsdiensttätigkeit eine
Garantenstellung, da er sich beruflich dem Rettungsdienst widmet und somit höhere
Ansprüche an seine Fähigkeit zur Hilfeleistung gegen sich gelten lassen muß. Trotz
einer flächendeckenden notärztlichen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland sind
im Einzelfall für den Rettungsassistenten Situationen denkbar, in denen er nach eigener
Entscheidung, ohne ärztliche Delegation und Weisung und damit in voller eigener
Verantwortung überbrückende Maßnahmen zur Lebenserhaltung und Abwendung schwerer
gesundheitlicher Störungen durchführen muß, die ihrer Art nach ärztliche Maßnahmen
sind (Notkompetenz). Für den objektiv gegebenen Verstoß gegen den Arztvorbehalt zur
Ausübung der Heilkunde kann der Rettungsassistent in dieser Situation den
rechtfertigenden Notstand in Anspruch nehmen.
Ein Handeln unter Berufung auf die "Notkompetenz" setzt voraus, dass
- der Rettungsassistent am Notfallort auf sich alleine gestellt ist und rechtzeitige ärztliche Hilfe, etwa durch An- oder Nachforderung des Notarztes, nicht erreichbar ist
- die Maßnahmen, die er aufgrund eigener Diagnosestellung und
therapeutischer Entscheidung durchführt, zur unmittelbaren Abwehr von Gefahren für das
Leben oder die Gesundheit des Notfallpatienten dringend erforderlich sind
- das gleiche Ziel durch weniger eingreifende Maßnahmen nicht erreicht
werden kann (Prinzip der Verhältnismäßigkeit bei der Wahl der Mittel)
- die Hilfeleistung nach den besonderen Umständen des Einzelfalles für
den Rettungsassistenten zumutbar ist.
Nach dem wissenschaftlichen Stand der Notfallmedizin kommen zur Abwehr von
Gefahren für das Leben oder die Gesundheit des Notfallpatienten folgende spezifisch
ärztliche Maßnahmen zur Durchführung für den Rettungsdienst im Rahmen einer
Notkompetenz in Betracht
- die Intubation ohne Relexantien
- die Venenpunktion
- die Applikation kristalloider Infusionen
- die Applikation ausgewählter Medikamente
- die Frühdefibrillation.
Die Ausübung der Notkompetenz durch den Rettungsassistenten richtet sich
nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das am wenigsten eingreifende Mittel, das
zum Erfolg führt, ist anzuwenden. Ist beispielsweise eine Beatmung mit einem
Beatmungsbeutel effektiv, ist eine Intubation mit ihren höheren Gefahren unzulässig,
weil nicht mehr verhältnismäßig. Bei entstehenden Schäden für den Notfallpatienten
kann sich der Rettungsassistent nicht mehr auf einen rechtfertigenden Notstand berufen.
Der Rettungsassistent darf daher nur solche Maßnahmen übernehmen, die er gelernt hat und
deren sichere Ausführung er zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme gewährleisten
kann.
Dies ist erforderlich, da alle für den Rettungsassistenten im Rahmen der Notkompetenz in
Betracht kommenden Maßnahmen risikobehaftet sind und die individuelle Beherrschung dieser
Maßnahmen nicht alleine durch das Erreichen des Ausbildungszieles als Rettungsassistent
gewährleistet ist, zumal alle genannten Maßnahmen der fortlaufenden und nachweisbaren
Übung bedürfen, da sie auch manuelle Fähigkeiten erfordern.
Die individuelle Überprüfung, welche Maßnahmen im Rahmen der Notkompetenz der einzelne
Rettungsassistent unter dem Aspekt der sicheren Durchführung übernehmen kann, muß der
fortlaufenden ärztlichen Kontrolle unterliegen, da nur ein Arzt Feststellungen
hinsichtlich der sicheren Beherrschung der Maßnahmen treffen kann.
Somit können Rettungsassistenten ärztliche Maßnahmen im Rahmen der Notkompetenz unter
dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit nur dann durchführen, wenn durch ständige
ärztliche Überprüfung ihres Wissens und Können sichergestellt ist, daß eine
Übernahme der Maßnahmen erfolgen kann, ohne daß sich der Rettungsassistent wegen
mangelnden Wissens und Könnens dem Vorwurf des Übernahmeverschuldens aussetzt, wenn aus
der Hilfeleistung Schäden resultieren.
Die Träger des Rettungsdienstes müssen sicherstellen, daß ein weisungsbefugter
Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes die individuelle Qualifikation ihrer
Rettungsassistenten fortlaufend überprüft. Nur so können sie dem Vorwurf des
Organisationsverschuldens vorbeugen, wenn ihre Rettungsassistenten unter Berufung auf die
Notkompetenz Patienten schädigen.
Bereits das Themencurriculum der Rettungsassistentenausbildung muß in Übereinstimmung
mit der Ausbildungszieldefinition und dem wissenschaftlichen Stand der Notfallmedizin
ausweisen, in welcher Intensität Wissen und Fertigkeiten bei jedem einzelnen Thema
vermittelt werden müssen, um auf eine dem Berufsbild des Rettungsassistenten
entsprechende, die Qualität der präklinischen Notfallmedizin erhaltende, mögliche
Inanspruchnahme der "Notkompetenz" durch Rettungsassistenten
vorzubereiten."
Literatur:
Schell W. "Injektionsproblematik aus rechtlicher Sicht"
Werner Schell
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