Auflösung des Bundesgesundheitsamtes wurde wirksam - Aufgaben gingen auf Nachfolgeinstitute über
Im Zusammenhang mit im Oktober 1993 aufgetretenen Verdachtsfällen von
HIV-Infektionen durch Blut und Blutprodukte und den dabei bekanntgewordenen
Abstimmungsproblemen innerhalb des Bundesgesundheitsamtes (BGA) sowie den damit
verbundenen unzureichend wahrgenommenen Informationspflichten gegenüber dem
Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hatte sich der Handlungszwang ergeben, das BGA
grundlegend umzustrukturieren und die den bisherigen Instituten des Bundesgesundheitsamt übertragenen
Aufgaben neu zu ordnen, um eine Verkürzung der Informationswege, eine Stärkung der
unmittelbaren Verantwortlichkeiten und den Abbau von Bürokratie durch überschaubare
Arbeitseinheiten zu erreichen. Diese Ziele wurden mit dem Gesetz über die Neuordnung
zentraler Einrichtungen des Gesundheitswesens (Gesundheitseinrichtungen-Neuordnungs-Gesetz
-GNG) erreicht. Die Neuregelungen traten am 1.7.1994 in Kraft.
Das BGA war im Zuständigkeitsbereich des Bundes mit umfassenden Aufgaben in Forschung und
Verwaltung für das Gesundheitswesen befaßt. Arbeitsfelder des Bundesgesundheitsamtes, das auf eine
118-jährige Tradition zurückblicken konnte, waren die Bekämpfung von
Infektionskrankheiten, die Umwelthygiene, der gesundheitliche Verbraucherschutz sowie
Epidemiologie, Veterinärmedizin und Arzneimittelsicherheit, die zu einem übergreifenden
Verbund zusammengefaßt waren.
Das Bundesgesundheitsamt hat dem deutschen Gesundheitswesen unzählige positive Impulse gegeben. Auf seinen
Arbeitsgebieten erbrachte das Amt beachtliche Leistungen, die zu seinem guten fachlichen
Ruf in Ausland und Inland führten. Zu der seit vielen Jahren diskutierten Anpassung des
Bundesgesundheitsamt an neue Entwicklungen im Gesundheitswesen ist es jetzt nicht mehr gekommen.
Mit dem GNG ist das Bundesgesundheitsamt in vier voneinander unabhängige Bereiche überführt worden. Die
vier Bereiche werden jeweils Teile der Aufgaben des früheren BGA wahrnehmen. Eines der
früheren Bundesgesundheitsamt-Institute, das Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene, ist Teil des
Umweltbundesamtes in Berlin geworden und gehört damit zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Ziel der organisatorischen Aufteilung des Bundesgesundheitsamtes und Hauptziel des GNG war es, den
Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger durch höhere Eigenverantwortung und
Effizienz der Institute noch wirksamer sicherzustellen. Besonderes Gewicht kommt dabei dem
Vorsorge-Grundsatz zu, der schon dem bisherigen BGA im Gesundheits-, Umwelt- und
Verbraucherschutz vorgegeben war; danach haben die Institute bereits bei ernstzunehmenden
Anhaltspunkten einer Gesundheitsgefährdung präventiv tätig zu werden.
Im Geschäftsbereich des BMG sind die folgenden selbständigen
Bundesoberbehörden gegründet worden:
-
Bundesinsitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Seestr. 10-11, 13353 Berlin (Tel.:
030/4502/0; Fax: 4502/1207). Als künftiger Sitz des Instituts ist Bonn vorgesehen.
-
Robert-Koch-Institut - Bundesinstitut für Infektionskrankheiten und nicht übertragbare
Krankheiten -, Nordufer 20, 13353 Berlin (Tel.: 030-4547/4; Fax: 4547/2328).
-
Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, Thielallee
88-92, 14195 Berlin (Tel.: 030/8308/0; Fax: 8308/2741).
Die Aufgaben der Institute
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte:
1. Zulassung von Fertigarzneimitteln sowie Registrierung homöopathischer Arzneimittel,
soweit nicht das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und
Veterinärmedizin oder das Paul-Ehrlich-Institut zuständig ist,
2. Risikoerfassung und Bewertung sowie Durchführung von Maßnahmen nach dem Stufenplan,
3. Überwachung des Verkehrs mit Betäubungsmitteln (BtM),
4. Arbeiten zur medizinischen und technischen Sicherheit, Eignung und Leistung von
Medizinprodukten und zentrale Risikoerfassung sowie Durchführung von Maßnahmen zur
Risikoabwehr bei Medizinprodukten.
Robert-Koch-Institut - Bundesinstitut für Infektionskrankheiten und nichtübertragbare Krankheiten -(hervorgegangen aus dem Institut für Sozialmedizin und
Epidemiologie des aufgelösten Bundesgesundheitsamt):
1. Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren und nicht übertragbaren
Krankheiten,
2. epidemiologische Untersuchungen auf dem Gebiet der übertragbaren und nicht
übertragbaren Krankheiten einschließlich der Erkennung und Bewertung von Risiken sowie
der Dokumentation und Information,
3. Sammlung und Bewertung von Erkenntnissen und Erfahrungen zu HIV-Infektionen und
AIDS-Erkrankungen einschließlich der gesellschaftlichen und sozialen Folgen,
4. Gesundheitsberichterstattung,
5. Risikoerfassung und -bewertung bei gentechnisch veränderten Organismen und Produkten,
Erarbeitung geeigneter Sicherheitsmaßnahmen, Durchführung des Gentechnikgesetzes,
Humangenetik,
6. gesundheitliche Fragen des Transports ansteckungsgefährlicher Stoffe,
7. gesundheitliche Fragen des Transports gentechnisch veränderter Organismen und
Produkte.
Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und
Veterinärmedizin
(hervorgegangen aus dem Max von Pettenkofer-Institut und dem
Institut für Veterinärmedizin des aufgelösten Bundesgesundheitsamtes):
1. Sicherung des Gesundheitsschutzes im Hinblick auf Lebensmittel, Tabakerzeugnisse,
kosmetische Mittel und sonstige Bedarfsgegenstände, Pflanzenschutz- und
Schädlingsbekämpfungsmittel sowie Chemikalien,
2. Schutz von Mensch und Tier vor gesundheitlichen Risiken, die von Zusatzstoffen oder
unerwünschten Stoffen in Futtermitteln für Nutztiere ausgehen können,
3. Bewertung der Gesundheitsgefährlichkeit von Chemikalien, Abwehr von Gefahren
einschließlich Einstufung und Kennzeichnung, Dokumentation und Information zu
Vergiftungsgeschehen,
4. Erkennen und Aufrechterhalten des Gesundheitsstatus von Einzeltieren und
Tierbeständen, die zur Gewinnung von Lebensmitteln bestimmt sind, im Hinblick auf
Zoonosen,
5. Schutz des Menschen vor Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden
können (Zoonosen),
6. Zulassung und Registrierung von Arzneimitteln, die zur Anwendung bei Tieren bestimmt
sind, nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften einschließlich der Risikoerfassung
und Bewertung,
7. Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zu Tierversuchen sowie
spezielle Fragen des Tierschutzes,
8. Aufbereitung, Zusammenfassung, Bewertung, Dokumentation und Berichterstattung im
Hinblick auf die bei Durchführung des Lebensmittel-Monitorings nach § 46d Abs. 5 des
Lebensmittelgesetzes übermittelten Ergebnisse sowie die Durchführung von
Laborvergleichsuntersuchungen und Ringversuchen,
9. Wahrnehmung der Funktion eines gemeinschaftlichen oder nationalen Referenzlabors für
Lebensmittel, soweit für diese Aufgaben aufgrund von Rechtsakten der Europäischen Union
(EU) das Bundesgesundheitsamt benannt ist oder in Zukunft das Bundesinstitut benannt wird,
10. Fragen der Ernährungsmedizin, Bundeslebensmittelschlüssel,
11. Risikoerfassung und -bewertung bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln
einschließlich Tieren, von denen Lebensmittel gewonnen werden,
12. Allgemeine und spezielle gesundheitliche Fragen des Transports gefährlicher Güter,
insbesondere giftiger und ätzender Stoffe.
Literatur: Schell, W.: "Das Gesundheitswesen von A bis
Z". Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1994.
Werner Schell (14.4.2000)
|