Die Arbeitsbelastung in der Pflege nimmt zu
Die Arbeitsbedingungen in der Altenpflege führen zu immer
größeren physischen und psychischen Belastungen bei den Pflegenden. Darunter leidet
zwangsläufig die Qualität der Pflege. Ursache ist laut Berufsgenossenschaft für
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) die angespannte finanzielle Situation im
Pflegebereich, die durch die Vergütungsregelungen der gesetzlichen Pflegeversicherung
erzeugt wird (Quelle: Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften;
27.5.1999).
Die BGW hat deshalb Anfang des Jahres in einer Resolution an die politisch
Verantwortlichen appelliert, neue wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen in der
Pflege zu schaffen. Nach Auffassung der BGW hat die Pflegeversicherung in ihrer heutigen
Form vor allem zu einer spürbaren Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für
Altenpflegerinnen und -pfleger geführt, die sich auch auf die Qualität der Pflege
auswirkt. Den Pflegeeinrichtungen mangelt es an Geld, die Personallage ist angespannt, die
Pflegenden stehen bei ihrer Arbeit unter großem Zeitdruck.
Die Ursache liegt vor allem im Einstufungssystem: Die Bewertung der
Pflegebedürftigkeit und die Berechnung der entsprechenden Pflegesätze richtet sich in
erster Linie nach den körperlichen Beeinträchtigungen der zu Pflegenden. Zu wenig
berücksichtigt werden geronto-psychiatrische Erkrankungen wie Depressionen oder Demenzen,
unter denen viele Heimbewohner leiden. Der damit verbundene hohe Pflege- und
Betreuungsaufwand wird aber von den Pflegekassen nicht angemessen vergütet. Da vielen
Pflegediensten und Heimen das nötige Geld fehlt, um genügend qualifiziertes Personal zu
beschäftigen, ist in den vergangenen Jahren der Anteil angelernter Kräfte stark
gestiegen. Auch deshalb leiden Altenpflegerinnen und -pfleger unter Überforderung und
wachsender Arbeitsbelastung.
Für die Pflegekräfte in den stationären Einrichtungen kommt erschwerend
hinzu: Viele Heime versuchen ihre Kosten zu decken, indem sie vor allem
Schwerpflegebedürftige der Stufen II und III aufnehmen. Der Grund: Für diese Patienten
zahlt die Pflegeversicherung höhere Pflegesätze. Professor Rolf Bialas,
Vorstandsvorsitzender der BGW: "Diese Entwicklung verstärkt zusätzlich die
Arbeitsbelastung des Pflegepersonals, denn durch die vermehrte Aufnahme
Schwerpflegebedürftiger entsteht ein deutlich höherer Pflegeaufwand sowie mehr Bedarf an
psychosozialer Betreuung."
Welche Folgen die Situation in der Pflege für die Beschäftigten hat,
zeigt eine Studie des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI), die 1998 beim
Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) erschienen ist. Untersucht wurden die
Arbeitsbelastungen von Altenpflegerinnen und -pflegern vor und nach der Einführung der
Pflegeversicherung am Beispiel von ausgewählten Pflegeheimen in der Stadt Mannheim. Die
Ergebnisse bestätigen die Beobachtungen der BGW: Die Arbeitsbedingungen haben sich
deutlich verschlechtert. Zwischen 1997 und 1998 wurde der Personalbestand -
umgerechnet auf Vollzeitstellen - um 13 Prozent reduziert, obwohl gleichzeitig der
Betreuungs- und Pflegebedarf gewachsen war. Der daraus resultierende Streß wirkt sich
negativ auf die Gesundheit aus: Bei den Pflegenden wurde eine deutliche Zunahme von
Rücken- und Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, von Schweregefühlen in den Armen oder
Beinen, von Müdigkeit und Schlafstörungen sowie von depressiven Symptomen festgestellt.
Anstieg von Hautkrankheiten bei Pflegekräften
Die BGW hat beim Pflegepersonal einen deutlichen Anstieg von
Hautkrankheiten beobachtet. Obwohl die Berufskrankheiten in der Pflege allgemein
zurückgegangen sind, stieg die Zahl der gemeldeten Hautkrankheiten von 1997 bis 1998 um
23 Prozent von 529 auf 651 an. "Die Haut von Pflegekräften wird durch häufiges
Händewaschen und die regelmäßige Benutzung von Desinfektionsmitteln besonders stark
belastet. Wir vermuten, daß die höhere Arbeitsbelastung den Beschäftigten weniger Zeit
für entsprechende Schutzmaßnahmen wie z.B. das regelmäßige Eincremen der Hände
läßt", erklärt BGW-Geschäftsführer Dr. Stephan Brandenburg.
Werner Schell (08/99)
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