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Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat sich auf gemeinsame Eckpunkte zur Prävention verständigt
Prävention muss zur nationalen Aufgabe werden – so Ulla Schmidt
"Prävention muss zur nationalen Aufgabe werden. Und sie
muss im direkten Lebensumfeld der Menschen verankert werden. Das heißt,
Gesundheitsförderung und Prävention müssen in den Kindergärten und Schulen,
an Arbeitsstellen, im öffentlichen Bereich unserer Städte und Gemeinden
angesiedelt und auf gemeinsame Ziele ausgerichtet werden. Ziel ist, möglichst
alle Bürgerinnen und Bürger mit nachhaltig wirkenden präventiven Angeboten zu
erreichen. Deshalb freue ich mich, dass sich die Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf
gemeinsame Eckpunkte für ein Präventionsgesetz verständigt hat. Auf dieser
Grundlage wird jetzt zügig ein Präventionsgesetz erarbeitet", erklärt
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. Ziel ist, dieses noch in diesem
Jahr in den Deutschen Bundestag einzubringen.
"Die Stärkung der Prävention ist eines meiner
wichtigsten Anliegen, denn ich bin überzeugt davon, dass Prävention
mitentscheidend ist für die Zukunft unserer Sozialsysteme. Deshalb sollen
jährlich im Ergebnis mindestens 250 Millionen Euro für Prävention und
Gesundheitsförderung verwendet werden", so Bundesministerin Ulla Schmidt.
Die Ministerin weiter: "Wir wollen das Bewusstsein für Prävention
stärken und die Menschen zu Eigeninitiative und Eigenverantwortung motivieren.
Wir müssen dahin kommen, dass sich jede und jeder mit der Frage beschäftigt:
Wie können Krankheiten vermieden werden? Was kann ich persönlich tun, um meine
Gesundheit zu erhalten? Und wir müssen den Menschen hierzu konkrete
Möglichkeiten zum Mitmachen anbieten."
Heutzutage leidet ein Viertel der Erwachsenen an
Herz-Kreislauf-Erkrankungen einschließlich Bluthochdruck. Jeder Vierte klagt
über chronischen Rückenschmerzen. Derzeit wenden die Krankenkassen erhebliche
Mittel für die Versorgung chronisch kranker Menschen auf, obwohl viele
chronische Krankheiten durch Prävention positiv beeinflussbar sind. Nach
Schätzungen geben die gesetzlichen Krankenkassen jährlich ca. 30 Mrd. Euro -
und damit mehr als ein Viertel ihrer Ausgaben - für die Behandlung der rund 4
Millionen Diabetikerinnen und Diabetiker in Deutschland aus.
Dies macht deutlich: Alle Aktivitäten müssen auf gemeinsame
Ziele ausgerichtet werden, um Krankheiten zu vermeiden beziehungsweise deren
Eintritt hinaus- zuzögern. Bereits eine Verringerung der chronischen
Rückenerkrankungen um 10 Prozent kann zu einer Kosteneinsparung in Höhe von
2,6 Mrd. Euro pro Jahr führen. Deshalb soll die Prävention als eigenständige
Säule etabliert werden, neben der Akutbehandlung von Krankheiten, der
Rehabilitation und der Pflege.
Herzstück des Präventionsgesetzes wird die Stiftung
"Prävention und Gesundheitsförderung" sein. Dort werden Aktivitäten
der beteiligten Sozialversicherungszweige (Kranken-, Renten-, Unfall- und
Pflegeversicherung) organisiert und koordiniert.
Ulla Schmidt: "Entscheidend ist
nicht wie alt wir werden, sondern wie wir gesund alt werden."
Prävention stärken - Gesundheit erhalten
Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat Eckpunkte für ein Präventionsgesetz erarbeitet
Prävention ergänzt Behandlung, Rehabilitation und Pflege
Unser Gesundheitssystem, das sich bislang überwiegend auf Kuration,
Rehabilitation und Pflege stützt, garantiert allen Bürgerinnen und Bürgern
eine hochwertige Gesundheitsversorgung. Durch Stärkung und Ausbau der
Prävention mit einem Präventionsgesetz erfährt dieses System eine notwendige
Erweiterung. Es wird so zu einem modernen Gesundheitssystem weiterentwickelt, in
dem Prävention, Behandlung, Rehabilitation und Pflege gleichrangig
nebeneinander stehen. Damit schließen wir auch zu den Ländern in Europa auf,
die bereits gute Erfolge mit gesundheitlicher Prävention erzielt haben.
Prävention hilft, den demografischen Wandel zu bewältigen
Wir leben in einer Gesellschaft, in der sich ein demografischer Wandel
vollzieht. Die Altersgruppe der über 65-jährigen Menschen wird bis zum Jahr
2030 von gegenwärtig fast 15 Millionen auf 22 Millionen Menschen anwachsen, ihr
Anteil an der Gesamtbevölkerung liegt dann bei fast 30 % und steigt weiter an.
Diesen Wandel gilt es auch in gesundheitlicher Hinsicht zu bewältigen.
Stärkung der Prävention bedeutet für diese größer werdende
Bevölkerungsgruppe mehr Lebensqualität durch ein mobiles und selbstbestimmtes
Leben.
Gesundheitliche Prävention
ist der Oberbegriff für alle Maßnahmen, die dazu dienen, Krankheiten zu
vermeiden, sie frühzeitig zu erkennen oder ihre Folgen zu minimieren.
Begrifflich wird zwischen primärer Prävention
(Verhütung von Ersterkrankungen), sekundärer Prävention
(Früherkennung) und tertiärer Prävention (Verhütung der
Verschlimmerung einer Erkrankung sowie von Folgeerkrankungen)
unterschieden.
Daneben gibt es die Gesundheitsförderung, die
den Aufbau von gesundheitlichen Kompetenzen einschließlich der
Selbstbestimmung über die Gesundheit beschreibt (Konzept der
Weltgesundheitsorganisation). |
Prävention ist die Antwort auf chronische Erkrankungen
Studien des Robert Koch-Instituts belegen, dass ein Viertel der erwachsenen
Bevölkerung Deutschlands an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leidet. Aber auch
chronische Rückenschmerzen werden von jedem Vierten angegeben. Hier werden auch
vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen
große präventive Potentiale gesehen, die es auszuschöpfen gilt. Diese
Krankheiten können vermieden werden, wenn es gelingt, mit Hilfe präventiver
Maßnahmen die Bevölkerung zu motivieren, Angebote der Krankheitsverhütung und
Früherkennung zu nutzen und die notwendigen Konsequenzen aus den Ergebnissen
für ihr Verhalten zu ziehen.
Prävention kann zur Kostenreduktion im Gesundheitswesen beitragen
Ein Beispiel: Chronische Rückenschmerzen haben Arbeitsausfälle und
Frühverrentungen in erheblichem Maß zur Folge und verursachen jährlich Kosten
in Höhe von 26 Milliarden Euro. Dabei sind lediglich 15 % aller Fälle von
Rückenschmerzen auf einen behandlungsbedürftigen organischen Befund
zurückzuführen. In vielen Fällen können vor allem im betrieblichen Bereich
Bewegungsschulungen, ergonomische und organisatorische Maßnahmen
Haltungsverbesserungen bewirken. So kann verhindert werden, dass aus
unkomplizierten Beschwerden chronische Rückenschmerzen werden. Bereits eine
Verringerung der chronischen Rückenerkrankungen um 10 % führt zu einer
Kosteneinsparung in Höhe von 2,6 Milliarden Euro pro Jahr.
Prävention nützt Bürgerinnen und Bürgern
Gesundheit hat einen hohen persönlichen Stellenwert. In Befragungen nach den
wichtigsten Werten im Leben rangiert Gesundheit vielfach an erster Stelle.
Gesundheit verbessert die Chancen, das eigene Leben selbstbestimmt zu gestalten
und sich frei zu entfalten. Gesundheitliche Prävention ist ein Instrument, mit
dem dies erreicht werden kann.
Ein Präventionsgesetz, um Gesundheitspotenziale
auszuschöpfen
Bund und Länder haben gemeinsam ein Konzept für ein Präventionsgesetz
entwickelt. Auf der Basis vorhandener Strukturen wird ein System der primären
Prävention entwickelt, in das alle relevanten Akteure eingebunden sind mit dem
Ziel, möglichst alle Bürger und Bürgerinnen mit präventiven Angeboten zu
erreichen. Zugleich werden durch konkrete Maßnahmen das Bewusstsein für die
eigene Gesundheit sowie Eigeninitiative und Eigenverantwortung der Bevölkerung
gestärkt. Wenn es gelingt, Prävention zum Anliegen aller zu machen, können
messbare Erfolge erzielt werden!
Strukturelle Neuorientierung
Mit dem Präventionsgesetz wird ein flexibles System der primären Prävention
und Gesundheitsförderung geschaffen, das in der Lage ist, seine Angebote und
Maßnahmen den jeweiligen gesundheitlichen Erfordernissen anzupassen.
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes in dem
Bereich der gesundheitlichen Prävention umfasst im Wesentlichen die
Sozialversicherung und Maßnahmen gegen gemeingefährliche und
übertragbare Krankheiten. Das Präventionsgesetz bezieht sich
überwiegend auf Regelungen im Bereich der gesetzlichen
Krankenversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung, der gesetzlichen
Unfallversicherung und der sozialen Pflegeversicherung. Der öffentliche
Gesundheitsdienst, der bereits jetzt konkrete Projekte und Maßnahmen der
Prävention durchführt, fällt in die Zuständigkeit der Länder. |
Die wichtigsten Eckpunkte sind:
- Finanzverantwortung gerecht verteilen Im Bereich der Sozialversicherung hat sich aufgrund gesetzlicher Regelungen
bislang hauptsächlich die gesetzliche Krankenversicherung in der primären Prävention engagiert. Dieser Ansatz wird mit dem Präventionsgesetz erweitert.
Künftig sollen sich auch die gesetzliche Rentenversicherung, die gesetzliche Unfallversicherung und die soziale Pflegeversicherung an der Finanzierung der
primären Prävention beteiligen, da auch sie von präventiven Maßnahmen profitieren. Das gilt auch für die private Krankenversicherung.
- Insgesamt sollen jährlich im Ergebnis mindestens 250 Millionen Euro für präventive Maßnahmen verwendet werden, davon 180 Millionen Euro von der
gesetzlichen Krankenversicherung, 40 Millionen Euro von der gesetzlichen Rentenversicherung, 20 Millionen Euro von der gesetzlichen Unfallversicherung
und 10 Millionen Euro von der sozialen Pflegeversicherung.
- Klare Orientierung durch Präventionsziele In Zeiten knapper Mittel - aber nicht nur dann - ist der gezielte Einsatz
vorhandener Gelder ein Muss. Wir brauchen daher anerkannte Präventionsziele und Umsetzungsstrategien. Alle Akteure sollen ihre Maßnahmen an den vereinbarten
Zielen ausrichten. So kann sichergestellt werden, dass die vorhandenen Mittel für solche Präventionsbereiche verwendet werden, die als vordringlich
eingestuft werden und deren Stärkung den größten Nutzen für alle verspricht. Das Präventionsgesetz trifft daher Regelungen über die Erarbeitung von
Präventionszielen, über die Zielbindung sowie über die regelmäßige Auswertung der Ergebnisse.
- Kooperation und Koordination verbindlich festlegen Im Bereich der primären Prävention gibt es viele Aktivitäten, die von
unterschiedlichen Akteuren durchgeführt werden. Mehr Koordination und Kooperation kann hier zu Synergieeffekten führen.
Das Präventionsgesetz wird verschiedene Leistungen
vorsehen:
Individuelle Leistungen zur Verhaltensänderung
sind beispielsweise schon jetzt bewährte Kurse (z. B. zur
Rauchentwöhnung, zur Stressbewältigung, zum Bewegungsverhalten und zu
anderen gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen).
Settingleistungen sind
Projekte, die in Lebenswelten (z. B. Kindergärten, Schulen, Betrieben,
Senioreneinrichtungen, aber auch benachteiligten Stadtteilen) stattfinden.
Prävention in Lebenswelten bedeutet, dass alle Beteiligten und Gruppen in
einem gemeinsamen Prozess die zur Gesundheitsförderung notwendigen
Veränderungen definieren und gemeinsam umsetzen.
Betriebliche Gesundheitsförderung
ist eine Sonderform der Settingleistungen, die sich ausschließlich auf
die Verbesserung der gesundheitlichen Situation in einem Betrieb bezieht. |
Es werden im Präventionsgesetz drei Handlungsebenen
unterschieden und deren Akteuren Zuständigkeiten zugewiesen. Gleichzeitig wird
geregelt, wie die Zusammenarbeit und Abstimmung erfolgt.
1. Auf der Bundesebene sollen 20 % der Gesamtmittel verwendet
werden. Durch eine Stiftung der Sozialversicherungsträger (siehe unten) sollen
Präventionsziele und Qualitätssicherung geregelt werden, Modellprojekte und
ggf. ergänzende Settingmaßnahmen im Einvernehmen mit den Ländern sowie
bundesweite Kampagnen durchgeführt werden.
2. Der Landesebene werden 40 % der Gesamtmittel zugewiesen.
Auf der Landesebene werden die Settingleistungen der Sozialversicherungsträger
mit den Aktivitäten der Länder zusammengeführt. Künftig werden hier
Kranken-, Renten, Unfall- und Pflegeversicherung gemeinsam mit den Ländern
entscheiden, mit welchen Maßnahmen die Präventionsziele am besten erreicht
werden können. Länderspezifischen Bedarfslagen wird Rechnung getragen. Diese
Arbeit organisieren die Länder selbst und schließen hierzu z. B.
Rahmenvereinbarungen. Dabei greifen sie auf die jeweils vorhandenen Strukturen
zurück.
3. Der Ebene der Sozialversicherungsträger werden ebenfalls
40 % der Gesamtmittel zugewiesen. Die bewährten Maßnahmen der individuellen
Verhaltensprävention und die Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung
sollen auf die Präventionsziele ausgerichtet und weiterhin eigenverantwortlich
von den Sozialversicherungsträgern erbracht werden. Darüber hinaus erhält die
gesetzliche Krankenversicherung die Möglichkeit, im Rahmen von
Satzungsleistungen den festgelegten Betrag zu überschreiten.
Stiftung Prävention und Gesundheitsförderung errichten
Auf Bundesebene wird eine Stiftung "Prävention und
Gesundheitsförderung" der Sozialversicherungsträger als Stiftung des
öffentlichen Rechts gesetzlich errichtet. Stifter sind die gesetzliche
Krankenversicherung, die gesetzliche Rentenversicherung, die gesetzliche
Unfallversicherung sowie die soziale Pflegeversicherung, die durch jährliche
Zuwendungen in Höhe von 50 Milli-onen Euro (entsprechend den zwanzig Prozent
der Gesamtmittel, die auf die Bundesebene entfallen) die Finanzierung der
Aufgaben ermöglichen. Die Stiftung wird Modellprojekte, ergänzende
Settingleistungen im Einvernehmen mit den Ländern sowie Kampagnen durchführen.
Daneben hat sie aber auch eine wichtige koordinierende Funktion: Sie wird sowohl
für die Entwicklung der Ziele als auch für die Konkretisierung der
Qualitätssicherungsstandards für die einzelnen Handlungsebenen verantwortlich
sein. Entscheidungen der Stiftung werden von einem Stiftungsrat getroffen, für
den neben den Sozialversicherungszweigen auch Bund, Länder und Kommunen
Vertreter benennen. Beraten wird der Stiftungsrat von einem Kuratorium, in dem
u.a. Vertreter des Deutschen Forums "Prävention und
Gesundheitsförderung" sitzen werden, sowie von einem wissenschaftlichen
Beirat.
Qualitätssicherung garantieren
Die Beiträge der Sozialversicherten sollten nur für Maßnahmen ausgegeben
werden, deren Nutzen prinzipiell nachgewiesen und deren qualitätsgesicherte
Erbringung gewährleistet ist. Dafür wird das Präventionsgesetz verbindliche
Kriterien der Evidenzbasierung und der Qualitätssicherung festlegen, auf deren
Grundlage konkrete Standards und Maßnahmen für die Umsetzung auf den
verschiedenen Handlungsebenen erarbeitet werden können. So wird eine
kriteriengestützte und gleichzeitig praxisnahe Qualitätssicherung von Anfang
an im System der Prävention verankert.
Rechenschaft ablegen
Mit dem Präventionsgesetz werden neue Formen der Zusammenarbeit sowohl unter
den Sozialversicherungszweigen als auch zwischen Sozialversicherungszweigen und
Ländern geschaffen. Es wird eine für das Gesundheitssystem neue Form der
Zielorientierung verankert und Qualitätssicherung von der Auswahl der Leistung
bis zu ihrer Erbringung installiert. Diese strukturellen Regelungen müssen
regelmäßig daraufhin überprüft werden, ob die gesetzten Ziele auch erreicht
wurden (Evaluation). Hierfür wird die Bundesregierung die
Gesundheitsberichterstattung des Robert Koch-Instituts ausbauen.
Darüber hinaus muss geprüft werden, ob die neu verankerten Instrumente der
Finanzierung, Kooperation, Koordination und Qualitätssicherung in ihrer
Konzeption und Umsetzung effektiv und effizient sind und nachhaltig zu den
gewünschten Ergebnissen beitragen (Monitoring). Alle Handlungsebenen und
Akteure sollen daher über ihre Aktivitäten und Maßnahmen bezüglich der
primären Prävention regelmäßig Rechenschaft ablegen. Damit können
veränderte Anforderungen an ein modernes Präventionssystem frühzeitig erkannt
und berücksichtigt werden. Das Präventionsgesetz sieht damit von Anfang an
systemimmanent eine Optimierung vor.
Quelle: Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung vom 20.10.2004
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