Pflege - Patientenrecht & Gesundheitswesen
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Leitlinien zur Pflege- und Gesundheitsreform - Erfurter Resolution
Der Arbeitgeber- und BerufsVerband Privater Pflege (ABVP) hat auf seiner Mitgliederversammlung in Erfurt am 14. November 2002 eine Resulution
zur Gesundheitsreform 2003/2004 verabschiedet:
Die Mitglieder des ABVP fordern, dass sich die dringend notwendigen Reformen in den Bereichen der Häuslichen Krankenpflege und der
Pflegeversicherung an folgenden Leitlinien orientieren:
1. Die ambulanten Pflegedienste müssen die medizinisch
notwendigen Leistungen für die Patienten auch erbringen dürfen und sie
honoriert bekommen.
Im Bereich der Häuslichen Krankenpflege wird längst nicht mehr das
erbracht, was der behandelnde Arzt für notwendig erachtet, sondern nur das,
was Kassensachbearbeiter und Schreibtischärzte für angemessen halten.
Außer für die Kassensachbearbeiter ist dieser Zustand für alle
Beteiligten unzumutbar. Wir fordern daher eine gesetzliche Klarstellung,
dass die ärztliche Verordnung den Versicherten unverzüglich und
vollständig zugute kommt – wie im Bereich der Arzneimittelverordnungen.
Wir fordern darüber hinaus eine gesetzliche Konkretisierung des Anspruchs
der Versicherten auf pflegerische Prophylaxen. Schließlich fordern wir eine
klare gesetzliche Abgrenzung der Leistungskataloge der Kranken- und der
Pflegeversicherung voneinander, um dem Verschiebebahnhof dazwischen ein Ende
zu bereiten – denn die Leidtragenden dabei sind eindeutig die
Versicherten.
2. Die ambulanten Pflegedienste brauchen Gerechtigkeit
im Vertragsrecht.
Wir erwarten von den politischen Entscheidungsträgern, dass sie der
wirtschaftlichen und personellen Auszehrung der ambulanten Pflege durch die
Kassen unverzüglich ein Ende bereiten. Denn die jetzige Situation schadet
den Patienten, ihren Angehörigen, den professionell Pflegenden und den
Kassen selbst. Deren bisherige Politik verursacht Mehrkosten an anderer
Stelle, führt zum Ausstieg aus dem Beruf und hindert die ambulante Pflege
daran, ihren Beitrag zur integrierten Versorgung, zur qualifizierten
Teilnahme an den Disease-Management-Programmen und zum Auffangen der Folgen
der Umstellung der Krankenhausfinanzierung auf Fallpauschalen zu leisten.
Dazu verlangen wir die gesetzliche Verankerung einer Schiedsstelle im
Bereich der Krankenversicherung, so wie sie stärkere Gruppen im
Gesundheitswesen (Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Krankenhäuser) seit Jahren
haben.
3. Bürokratisierung muß beendet werden.
Die jetzige vertragliche und gesetzliche Situation hat zu einer
Verlagerung der Tätigkeit weg von der Pflege und hin zu ihrer Verwaltung
geführt. Keine der bürokratischen Vorschriften, die seit 1995 über die
ambulante Pflege gekommen sind, hat die Versorgung am Patienten verbessert.
Wir fordern daher eine Durchforstung aller Gesetze und Verordnungen auf
Landes- und Bundesebene, welche der Kontroll-, Nachweis-, Berichts-,
Vorhalte-, Aufbewahrungs- und Offenlegungspflichten für die Versorgung der
Versicherten und den Schutz aller Beteiligten vor schwarzen Schafen wirklich
notwendig sind. Ein Maßstab muss hierbei auch sein, welche Menge an
Informationen die Kassen und der MDK überhaupt qualifiziert bearbeiten
können.
In diesem Zusammenhang fordern wir auch eine gesetzliche Klarstellung der
Kontrollmöglichkeiten durch Kassen und MDK und klare Regelungen gegen
willkürliche Durchführungen. Heute genügt es nicht, eine qualitativ
hochwertige Pflege zu leisten, das Unternehmen muss auch ständig
prüffähig gehalten werden. Dies ist unwirtschaftlich.
4. Ambulant vor stationär endlich umsetzen.
Die Entwicklung der Inanspruchnahme von Leistungen der
Pflegeversicherung seit 1996 zeigt eine immer stärkere Beanspruchung der
Pflegekassen und der Sozialhilfeträger durch die stationäre Versorgung.
Denn die Verteilung der Leistungsfälle zwischen ambulant und stationär hat
sich zwischen 1996 und Ende 2001 erheblich verschoben: von 75:25 auf 69:31.
Betrachtet man den Anstieg der Leistungsfälle in den beiden
Versorgungsformen, wird das Bild noch deutlicher. Die Anzahl der stationär
Versorgten ist in dem genannten Zeitraum um 50,3 % gestiegen, während im
ambulanten Bereich nur eine Steigerung um 8,6 % zu verzeichnen ist. Dies ist
der falsche Weg. Wir fordern daher, die Leistungsunterschiede ambulant –
stationär aufzuheben. Wir fordern darüber hinaus, die Überleitung vom
Krankenhaus zunächst in die ambulante Versorgung gesetzlich
festzuschreiben, sofern dem nicht ein Gutachten des MDK entgegensteht.
Weiterhin fordern wir die Herausnahme der Behandlungspflege aus der
Leistungserbringung stationär. Die jetzige Regelung ist unsystematisch und
verleitet Kassensachbearbeiter dazu, Versicherte und Angehörige zu Gunsten
der stationären Versorgung zu beraten.
5. Die ambulante Pflege will gleichberechtigter Partner
im Gesundheitswesen sein.
Obwohl große Teile der ambulanten Versorgung überhaupt nur denkbar
sind, wenn die ambulante Pflege und hier insbesondere die Häusliche
Krankenpflege sichergestellt ist, findet sie in den Entscheidungsgremien
selten die notwendige und die für das Ganze hilfreiche Beachtung. Wir
fordern daher eine gesetzliche Klarstellung des § 132a SGB V, wonach der
Umfang der pflegerischen Leistungen und ihre Abgrenzung ausschließlich der
Selbstverwaltung von Krankenpflege und Kostenträgern vorbehalten ist. Wir
fordern darüber hinaus ein direktes Mitspracherecht im Bundesausschuss
Ärzte-Krankenkassen, soweit Angelegenheiten der Häuslichen Krankenpflege
betroffen sind.
Weiterhin fordern wir unsere direkte Beteiligung an der Aufstellung und
inhaltlichen Festlegung derjenigen Disease-Management-Programme, bei denen
die Pflege eine wichtige Rolle in der Betreuung der Patienten spielt (z.B.
bei Diabetes).
Schließlich streben wir die Erweiterung der Kassenärztlichen Vereinigungen
zu einem Zusammenschluss aller ambulanten Leistungserbringer an. Dies wäre
förderlich sowohl für die DMP-Umsetzung als auch für die integrierte
Versorgung.
6. Die Leistungserbringung und die qualitativen
Anforderungen dürfen nicht unabhängig voneinander geregelt werden.
Derzeit wird die Leistungserbringung verrichtungsbezogen verordnet und
vergütet, aber in qualitativer Hinsicht ganzheitlich geprüft. Dies ist
ungerecht. Wir fordern daher eine gesetzliche Klarstellung im Leistungs-,
Vergütungs- und Prüfrecht, welcher Grundsatz gelten soll. Andernfalls
setzt sich die Ausblutung der ambulanten Pflege in personeller und
wirtschaftlicher Hinsicht fort.
7. Die personelle und wirtschaftliche Auszehrung der
Pflegedienste muss beendet werden.
Von der Vergütung der Leistungen hängen unmittelbar ab:
- die Zeit, die die Pflegekräfte beim
Patienten/Versicherten verbringen können
- die Gehaltshöhe
- die Fortbildungsmöglichkeiten, intern wie extern
- die Ausstattung des Arbeitsplatzes.
Die Berufsflucht aus der professionellen Pflege ist
Ergebnis von schlechten Arbeitsbedingungen in einem sozial
verantwortungsvollen, risikoreichen und anstrengenden Beruf. Hierfür tragen
die Vergütungspolitik der Kassen und das Wegschauen der Politik die
Hauptverantwortung.
Wir fordern eine 10%-ige Anhebung der Vergütungen in der ambulanten Pflege.
Wir fordern darüber hinaus, dass die Vergütungssätze für professionelle
Pflege auch an Kriterien wie: Risiko, Fehler zu machen, Infektionsgefahr,
Schwierigkeit der Leistung und Schwierigkeit der Leistungserbringung
orientiert werden.
Es ist kein Wunder, dass der Anteil der Fachkräfte in der Pflege in den
Verwaltungen seit Jahren zunimmt, ihr Anteil in der Pflege jedoch
abnimmt."
Quelle: Pressemitteilung Arbeitgeber- und BerufsVerband Privater Pflege e.V. vom 15.11.2002 www.abvp.de
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