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Die Delegation von Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen auf nichtärztliches Personal - ein Dauer-Rechtsproblem im Bereich der vertikalen Arbeitsteilung

Das Direktions- bzw. Weisungsrecht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber hat das Recht, dem Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsverhältnisses bestimmte Tätigkeiten zuzuweisen und nähere Anweisungen über Art, Umfang, Zeit und Ort der Dienstleistung zu treffen.
Zu diesem Direktions- bzw. Weisungsrecht des Arbeitgebers gehört in der Gesundheitsversorgung auch die Übertragung ärztlicher Aufgaben auf das nichtärztliche Personal (= "Delegation"). Denn der Arzt braucht nicht alle Leistungen persönlich zu erbringen, sondern kann Aufgaben an ausreichend qualifizierte Mitarbeiter übertragen (§ 28 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - SGB V -). Man spricht insoweit auch von der "vertikalen Arbeitsteilung".
Gesetzliche Vorschriften, die zum Delegationsrecht eindeutige Anworten geben, gibt es (leider) nicht. Gleichwohl ist in Rechtsprechung und Literatur nicht umstritten, daß die Delegation ärztlicher Aufgaben erlaubt ist. Umstritten ist lediglich, in welchem Umfang ärztliche Aufgaben delegiert werden dürfen.
In einem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 24.6.1975 - VI ZR 72/74 - heißt es unter anderem:
"Die Verwendung nichtärztlicher Hilfspersonen ist aus der modernen Medizin und insbesondere aus dem heutigen Klinikwesen nicht wegzudenken. Es ist auch unvermeidlich, daß diesen Hilfspersonen ein hohes Maß an Verantwortung zufällt .... Ein persönliches Eingreifen des Arztes ist vielmehr grundsätzlich nur zu fordern, wo die betreffende Tätigkeit gerade beim Arzt eigene Kenntnisse und Kunstfertigkeiten voraussetzt."
Das nichtärztliche Personal darf in eingeschränktem Umfang heilkundliche Tätigkeiten ausführen
Unter "Ausübung der Heilkunde" versteht man die auf Feststellung, Heilung oder Linderung menschlicher Krankheiten, Körperschäden und Leiden gerichtete Tätigkeit, die nach allgemeiner Auffassung besondere (ärztliche) Fachkenntnisse voraussetzt (= Heilkunde im engeren Sinne).
Hierzu gehören alle Diagnose- und Therapieentscheidungen sowie solche Verrichtungen und Eingriffe, die aufgrund ihrer Komplikationsdichte und Gefährdungsnähe ärztliches Wissen und Können unbedingt erfordern. Diese Tätigkeit obliegt in erster Linie den approbierten Ärzten. Maßnahmen, die keine besonderen Gefahren für die Patienten mit sich bringen (= Heilkunde im weiteren Sinne), können dem Grundsatz nach auch von nichtärzlichem Fachpersonal durchgeführt werden.
Das Pflegepersonal wirkt umfassend bei der Verhütung, Erkennung und Heilung von Krankheiten (= Heilkunde) mit
Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Pflegepersonals liegt in der Grund- und Behandlungspflege (= "Allgemeine Pflege" und "Spezielle Pflege").
Hinzu kommen weitere Aufgaben, wie z.B.: Krankenbeobachtung, Gesundheitsförderung, Erste-Hilfe-Maßnahmen, Verwaltungsaufgaben (Näheres bestimmt § 4 Krankenpflegegesetz - KrPflG -).
Wenn auch das KrPflG lediglich von der "Vorbereitung, Assistenz und Nachbereitung bei Maßnahmen der Diagnostik und Therapie" spricht, ist die verantwortliche Durchführung bestimmter vom Arzt angeordneter bzw. delegierter Maßnahmen durch das Pflegepersonal nicht ausgeschlossen. Soweit bestimmte Maßnahmen Bestandteil der pflegerischen Ausbildung sind, kann dies als ein Indiz für die Delegationsfähigkeit solcher Maßnahmen (z.B. Medikamentengabe, Verbandwechsel, Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen, Legen und Entfernen von Blasenkatheter) angesehen werden.

Die Rechtsbeziehungen des Pflegepersonals zum ärztlichen Bereich:

Aufgaben der Ärzte = Heilkunde im engeren Sinne:

Ausschließliche Zuständigkeit für Diagnose- und Therapieentscheidungen (= ärztliches Fachwissen ist gefordert).

Der Arzt wird im allgemeinen selbst tätig und trägt dafür die Verantwortung.

Aufgaben der Pflegepersonen = Heilkunde im weiteren Sinne:

Pflege (= Grund- und Behandlungspflege) des Patienten sowie Mitwirkung bei ärztlichen Aufgaben(= Wissen und Können sind erforderlich).

Pflegerische Aufgaben führt das Pflegepersonal weitgehend eigenverantwortlich aus.

Der Arzt darf Aufgaben auf das Pflegepersonal delegieren. Er hat insoweit die Anordnungsverantwortung und Instruktions- und Überwachungspflichten (Aufsicht, Kontrolle). Das Pflegepersonal hat die Übernahme- und Durchführungsverantwortung. l Dem Arzt obliegt die Gesamtverantwortung für die Behandlung und Pflege des Patienten. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen gibt es keinen arztfreien Bereich. Der Arzt muß gegebenenfalls auch für die Grund- und Behandlungspflege Anordnungen treffen (wenn nötig und nützlich).

Die Delegationsgrundsätze im Überblick
Dem Arzt obliegt einmal die Verantwortung für die von ihm für erforderlich gehaltene Maßnahme (zum Beispiel Medikamentengabe, Blutentnahme, Injektion). Zum anderen muß der Arzt die Qualifikation der zu beauftragenden Pflegeperson verantwortlich feststellen; sie muß das notwendige Wissen und Können besitzen (zum Beispiel Ausbildung in der Pharmakologie sowie Punktions- und Injektionstechnik), um die Aufgabe korrekt ausführen zu können (= Anordnungsverantwortung). Eine Gefährdung des Patienten muß ausgeschlossen werden. Eine Delegation ist immer unzulässig, wenn die durchzuführende Aufgabe im konkreten Fall das Tätigwerden des Arztes selbst erfordert. Man kann sagen, je geringer die theoretische und praktische Gefährdungsmöglichkeit des Patienten ist, desto eher darf der Arzt die anstehende Verrichtung zur Durchführung einer Pflegeperson übertragen.
Die ärztliche Entscheidung muß alle notwendigen Informationen (zum Beispiel über den Patienten, die Maßnahme, Dosierung eines Medikaments, Gefahren) umfassen und darf keine Fragen offen lassen (= Instruktionspflicht). Die Pflicht, präzise Angaben zu machen, gilt auch bei einer sogenannten Bedarfsmedikation.
Die ärztliche Delegationsentscheidung muß im übrigen schriftlich dokumentiert und vom Arzt abgezeichnet werden (= Dokumentationspflicht). Kommunikationsmängeln oder -irrtümern kann so vorgebeugt werden!
Die Pflegeperson muß im Rahmen einer "gesunden Selbsteinschätzung" prüfen, ob sie sich subjektiv qualifiziert fühlt, die übertragene Aufgabe fehlerfrei auszuführen (= Übernahmeverantwortung). Fehlen klare ärztliche Angaben, besteht die Pflicht zur Nachfrage! Eine Pflegeperson kann bzw. muß die Befolgung einer Anordnung verweigern, wenn sie sich fachlich nicht oder nicht ausreichend qualifiziert fühlt.
So kann zum Beispiel eine im OP-Bereich beschäftigte Pflegeperson nicht verpflichtet werden, bei Operationen Tätigkeiten eines Assistenzarztes auszuüben, vor allem Wundsekret abzusaugen, Gefäße zu koagulieren, Haken zu halten, Fäden abzuschneiden und darauf zu achten, ob Nerven beschädigt werden können. Dies seien, so entschied das Arbeitsgericht Koblenz mit Urteil vom 24.8.1993 - 3 Ca 713/93 -, dem Arzt vorbehaltene Tätigkeiten.
Wurde eine Aufgabe nach sorgsamer Selbstprüfung übernommen, setzt die Pflicht zur richtigen Durchführung der angeordneten Maßnahme ein. Bei Komplikationen ist der Arzt zu verständigen. Die tätig werdende Pflegeperson trägt immer die Verantwortung für die "rein technisch" richtige Durchführung der angeordneten Maßnahme (= Durchführungsverantwortung). Sie kann für fehlerhaftes Handeln zivilrechtlich, arbeitsrechtlich und/oder strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Die durchgeführte Maßnahme muß in der Regel dokumentiert werden.
Dem Arzt obliegen Überwachungspflichten (= Aufsicht, Kontrolle); ihm obliegt letztlich die Gesamtverantwortung für die Behandlung und Pflege des Patienten (§ 28 Abs. 1 SGB V). Anhand zahlreicher Gerichtsentscheidungen läßt sich die Folgerung ziehen, daß der Arzt immer für die angeordnete Maßnahme und letztlich auch für die Durchführung verantwortlich, zumindest aber mitverantwortlich, bleibt.
Im übrigen versteht sich, daß die Grundsätze des Selbstbestimmungsrechts des Patienten gewahrt sein müssen (Aufklärung, Einwilligung)! Mangelt es an der Beachtung dieses Rechts, muß die Durchführung einer angeordneten Maßnahme ebenfalls unterbleiben, sie wäre rechtswidrig.
Das Pflegepersonal ist unter Umständen berechtigt, eine zulässigerweise übertragene Aufgabe aus Gewissensgründen zu verweigern
Mit Rücksicht auf die in Art. 4 Abs. 1 Grundgesetz (GG) garantierte Gewissensfreiheit ist eine Arbeitsverweigerung aus Gewissensgründen grundsätzlich möglich (§ 12 Schwangerschaftskonfliktgesetz - SchKG - sieht zum Beispiel die Verweigerung der Mitwirkung bei einem Schwangerschaftsabbruch ausdrücklich vor). Ob allerdings bei einem echten Gewissenskonflikt die übertragene Dienstleistung folgenlos verweigert werden kann, hängt von den Einzelumständen ab.
Bei einer solchen Verweigerung geht es um die Lösung einer Spannungslage zwischen Gewissensfreiheit und Vertragstreue. Der Arbeitgeber wird zunächst prüfen müssen, ob er für den Arbeitnehmer eine andere Beschäftigungsmöglichkeit hat. Besteht eine solche Möglichkeit nicht, darf der Arbeitgeber ggf. von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen.
Diese grundsätzliche Beurteilung ergibt sich unter anderem aus dem Urteil des Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 25.1.1990 - 2 AZR 229/89 und 2 AZR 230/89 -, bei dem es um die Kündigung von 2 Krankenschwestern ging, die in der pharmakologischen Forschung eines Pharmaunternehmens tätig waren. Sie waren nicht bereit, an der Bearbeitung einer Substanz mitzuarbeiten, die geeignet ist, Erbrechen zu unterdrücken. Sie verweigerten die Mitarbeit, weil die Substanz auch im Kriegsfalle eingesetzt werden könne.

Ärztliche Aufgaben können auf das Pflegepersonal delegiert werden; zum Beispiel Injektionen, Infusionen, Blutentnahmen.
Abnahme der Gefährdung und Komplikationsdichte ist entscheidend!

Es bestehen verschiedene Verantwortungsbereiche:

Anordnung, Aufsicht, Kontrolle = Führungs- beziehungsweise Anordnungsverantwortung.   Übernahme der Aufgabe; gegebenenfalls Weigerung = Übernahmeverantwortung.   Durchführung der Aufgabe = Durchführungs- beziehungsweise Handlungsverantwortung.

Kein arztfreier Raum!

Die Delegation einer ärztlichen Aufgabe auf das Pflegepersonal ist schriftlich zu dokumentieren
Für die zeitgerechte Dokumentation der Delegation einer ärztlichen Aufgabe auf das Pflegepersonal ist in erster Linie der delegierende Arzt verantwortlich.
In § 10 Abs. 1 Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä 1997) heißt es unter anderem: "Der Arzt hat über die in Ausübung seines Berufes gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen die erforderlichen Aufzeichnungen zu machen ...."
Diese Regelung kann so verstanden werden, daß auch Delegationsentscheidungen ärztlicherseits aufzuzeichnen sind und damit in der Regel schriftlich zu erfolgen haben! "Die Dokumentation kann delegiert werden. Wird die Dokumentation einer ärztlichen Anordnung delegiert, so hat der anordnende Arzt die erfolgte Dokumentation abzuzeichnen."
Mit Rücksicht auf das Gebot der Schriftlichkeit durch den Anordnenden muß eine telefonische Delegationsentscheidung auf Notfälle beschränkt bleiben. In einer solchen Ausnahmesituation sind vom Pflegepersonal Aufzeichnungen über die angeordnete Maßnahme zu fertigen; diese Aufzeichnungen müssen dann schnellstmöglich dem Anordnenden zur Gegenzeichnung vorgelegt werden.
Aus der Sicht des Pflegepersonals ist die schriftliche Dokumentation einer ärztlichen Delegationsentscheidung wichtig, weil damit (bei Bedarf) der Nachweis geführt werden kann, daß berechtigt ärztliche Aufgaben durchgeführt wurden!
Genaue Grenzen, in welchem Umfang Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen auf das Pflegepersonal übertragen werden können, bestehen nicht
Weder KrPflG (§§ 4 und 11 Abs. 1) und Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege (KrPflAPrV; Anlagen 1 und 2; jeweils Ziffer 8.7.3) noch andere Vorschriften geben klare Auskünfte. Da KrPflG und KrPflAPrV nur Mindestanforderungen an die Ausbildung regeln, scheint lediglich sicher zu sein, daß einige Verrichtungen erlernt werden müssen, nämlich intrakutane, subkutane und intramuskuläre Injektionen, während andere Tätigkeiten, z.B. intravenöse Injektionen, erlernt werden können.
Mittlerweile liegen zahlreiche Veröffentlichungen und Stellungnahmen verschiedener Verbände vor, in denen Verhaltensmaßstäbe aufgezeigt werden:
Stellungnahme zur Vornahme von Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen durch Angehörige der medizinischen Assistenzberufe (Bundesärztekammer - BÄK - vom 16.2.1974).
Stellungnahme zur Vornahme von Injektionen, Infusionen, Transfusionen und Blutentnahmen durch das Krankenpflegepersonal (Deutsche Krankenhausgesellschaft - DKG - vom 11.3.1980).
Ärztliche Behandlung: Anforderungen an die persönliche Leistungserbringung (Erklärung der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung - KBV - vom 8.8.1988).
Verantwortungsbereiche der beruflich Pflegenden (Grundsätzliche Empfehlungen zur Pflege und zum Delegationsrecht der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schwesternverbände und Pflegeorganisationen e.V. - ADS - und des Deutschen Berufsverbandes für die Pflegeberufe e.V. - DBfK -); herausgegeben im Mai 1997).
Leider sind die verschiedenen Erklärungen nicht aufeinander abgestimmt, so daß sich immer wieder Klärungsbedarf ergeben wird. Es kann daher nur empfohlen werden, Einzelheiten der Delegationsgrundsätze für die Verhältnisse "vor Ort" mit den jeweiligen Leitungsgremien abzuklären und durch Dienstanweisung (beziehungsweise Kooperationsvereinbarung zwischen Heim/ambulanter Pflegedienst und Arzt) zu regeln.

Stellungnahme der BÄK vom 16.2.1974:
Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen sind Eingriffe, die zum Verantwortungsbereich des Arztes gehören. Der Arzt kann mit der Durchführung dieser von ihm angeordneten Maßnahmen sein medizinisches Assistenzpersonal beauftragen, soweit nicht die Art des Eingriffes sein persönliches Handeln erfordert.
Da Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen nicht zu dem üblichen Aufgabenbereich des ausgebildeten Assistenzpersonals gehören, bleibt der Arzt in jedem Falle für die Anordnung und ordnungsgemäße Durchführung der Eingriffe sowie für die Auswahl und Überwachung der Hilfskraft verantwortlich. Der Arzt darf daher die Durchführung nur solchen Hilfskräften übertragen, die in der Punktions- und Injektionstechnik besonders ausgebildet sind und von deren Können und Erfahrungen er sich selbst überzeugt hat. Die Durchführung von Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen außerhalb des ärztlichen Verantwortungsbereiches ist nur in Notfällen vertretbar, in denen ein Arzt nicht erreichbar ist.

Die Verweigerung der Ausführung von Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen ist grundsätzlich möglich
Die Befolgung von Anordnungen kann beziehungsweise muß stets dann verweigert werden, wenn die beauftragte Person nicht ausreichend qualifiziert ist oder sie sich selbst fachlich nicht qualifiziert fühlt. Der Arbeitnehmer braucht Anordnungen, deren Ausführung (ihm erkennbar) den Strafgesetzen zuwiderlaufen, nicht zu befolgen (§ 8 Abs. 2 Bundes-Angestelltentarifvertrag - BAT -). Dem Anordnenden muß auf jeden Fall mitgeteilt werden, daß die Ausführung der übertragenen Aufgabe unterbleibt.
Wenn zum Beispiel eine Pflegeperson im Rahmen der Ausbildung die Verabreichung von intravenösen Injektionen tatsächlich nicht erlernt hat, wäre eine Verweigerung einer solchen Verrichtung zwingend. Die Ausführung der Anordnung wäre in diesem Fall, subjektiv betrachtet, unmöglich und liefe letztlich auf eine Schädigung (= Körperverletzung) des Patienten hinaus.
Vergleiche hierzu unter anderem die nachfolgend in Kürze vorgestellten Urteile:
l Die Ausführung von intramuskulären Injektionen durch eine Krankenpflegehelferin ist nur bei entsprechender Qualifikation zulässig: Nach einer Bruchoperation erhielt ein Patient über mehrere Tage Injektionen in die Gesäßmuskulatur. Eine durch eine Krankenpflegehelferin gesetzte Injektion führte zu einer Spritzenlähmung. Daraufhin klagte der Patient auf Schadensersatz. Der BGH sprach dem Patienten solche Ansprüche weitgehend zu. Dabei ging der BGH davon aus, daß die Verabreichung von intramuskulären Injektionen durch eine Krankenpflegehelferin dann unzulässig ist, wenn die Helferin nicht über das allgemeine Ausbildungsziel hinausgehend in der Injektionstechnik besonders geübt und qualifiziert ist (Urteil des BGH vom 8.5.1979 - VI ZR 58/78 -).
l Der Krankenhausträger haftet für Fehler bei einer sogenannten "Erstlingsinjektion": Das Oberlandesgericht (OLG) Köln sah in der Übertragung einer intramuskulären Injektion auf einen hierfür nicht ausreichend qualifizierten Pfleger einen Behandlungsfehler. Bei dem Pfleger, der die Injektion gab, handelte es sich um einen Studenten im 3. vorklinischen Semester, der erstmals einen solchen Eingriff vornahm. Nach seinem Ausbildungsstand war er dazu, so das OLG, "absolut ungeeignet". Damit hatte der Patient nicht mehr eine fehlerhafte Injektion zu beweisen, sondern nur die Übertragung der Injektion auf den nicht qualifizierten Pfleger. Das Krankenhaus konnte sich nicht entlasten; daher wurde es zum Schadensersatz verpflichtet (Urteil des OLG Köln vom 22.1.1987 - 7 U 193/86 -).
Verfügt allerdings eine Pflegeperson über die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten zur Durchführung einer Injektion, Infusion oder Blutentnahme (z.B. nach einer Weiterbildung) und ist eine besondere Gefährdung des Patienten nicht erkennbar, wird sie in der Regel eine solche Verrichtung nicht verweigern können.
In diesem Zusammenhang kann ein sogenannter Spritzenschein (Befähigungsnachweis) Bedeutung erlangen. Ein solcher Spritzenschein wird üblicherweise als eine Bestätigung eingestuft, daß eine bestimmte nichtärztliche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt nachgewiesen über die Befähigung zur Ausführung einer ausdrücklich benannten Tätigkeit verfügte. Der sogenannte Spritzenschein muß aber hinsichtlich seiner Aussagekraft mit äußerster Vorsicht behandelt werden, denn die grundsätzlichen Verpflichtungen eines anordnenden Arztes und einer tätig werdenden Pflegekraft, ihr konkretes Verhalten richtig anhand der aufgezeigten Grundsätze einzuschätzen, bleiben unberührt.
Mit anderen Worten: Mit einer schriftlichen Bestätigung der Qualifikation kann zwar die Auswahlpflicht des zuständigen Arztes verobjektiviert werden, sie entbindet aber den Arzt im Einzelfall nicht von der Pflicht zur Überprüfung der Eignung der Pflegeperson!
Dem Arbeitnehmer kann zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Delegationsentscheidung eine Remonstrationspflicht obliegen
Die Remonstrationspflicht ist Teil der Dienstpflicht und verpflichtet den Arbeitnehmer, Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer dienstlichen Anordnung unverzüglich bei seinem unmittelbaren Vorgesetzten geltend zu machen. Wird die Anordnung aufrecht erhalten, so hat sich der Arbeitnehmer gegebenenfalls an den nächsthöheren Vorgesetzten zu wenden. Wird die Anordnung bestätigt, ist sie auszuführen, sofern nicht Strafbarkeit vorliegt (= Weigerungsrecht nach § 8 Abs. 2 BAT). Die Bestätigung hat auf Verlangen schriftlich zu erfolgen.
"Je höher die dienstliche Position, je qualifizierter der Ausbildungsstand, je anspruchsvoller der Aufgabenbereich, um so eher wird für die weisungsgebundene Person eine Möglichkeit und deshalb eben auch unter Umständen eine Pflicht zur Mitsprache bestehen. Je größer der Schaden, der bei Ausführung der potentiell fehlerhaften Weisung einzutreten droht, je offensichtlicher, je eindeutiger der Fehler, um so gründlicher ist den Bedenken nachzugehen. Je gravierender das in der Weisung liegende Unrecht, um so eher darf und muß der Gehorsam verweigert werden. Je eiliger schließlich die Ausführung der Anordnung, um so grobmaschiger die Remonstrationspflichten."
Im Zusammenhang mit einer Delegationsentscheidung kann auch an eine Überlastungsanzeige gedacht werden
Mit einer solchen Überlastungsanzeige (oder Entlastungsanzeige) wird der Arbeitgeber über unzureichende Arbeitsbedingungen informiert. Solche Mitteilungen sollen bewirken, daß der Arbeitgeber bzw. das zuständige Betriebsorgan die erforderlichen Maßnahmen zur Verbesserung der unzureichenden Arbeitsbedingungen trifft. Zum anderen soll eine Überlastungsanzeige den Arbeitnehmer vor einer Haftung bewahren. Zu bedenken ist aber, daß eine Überlastungsanzeige den Arbeitnehmer nicht von seinen Pflichten zur sorgfältigen Arbeitsleistung entbindet.

Muster einer Überlastungsanzeige:

An die Krankenhaus- bzw. Pflegedienstleitung ...
Zur Zeit sind der Station ... Pflegekräfte zugeteilt. Benötigt werden aber insgesamt ... Pflegekräfte. Aufgrund des fehlenden Personals können die anfallenden pflegerischen Aufgaben nur unzureichend wahrgenommen werden. Mängel in der Krankenversorgung sind für die Zukunft nicht auszuschließen.
Ich mache hiermit in aller Form auf diese Situation aufmerksam und bitte bis zur Behebung der personellen Engpässe um Mitteilung, welche Aufgaben bei der augenblicklichen Situation unverzichtbar sind bzw. absoluten Vorrang haben.

Werner Schell