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Die Rechtsprobleme Pflegender in der Wundversorgung: Interview mit Prof. Dr. Volker Großkopf

Was tun bei einer fehlerhaften ärztlichen Anweisung?

CAREkonkret: Herr Professor Großkopf, Sie haben die Rechtsrisiken in der modernen Wundversorgung in den Fokus der aktuellen Ausgabe der Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen gerückt. Worin besteht die besondere Brisanz dieses Themas?

Großkopf: Die Behandlung von akuten und chronischen Wunden vollzieht sich regelmäßig in einem langwierigen Prozess der vertikalen Arbeitsteilung zwischen Arzt und Pflegekraft. Ist eine Behandlungssituation nach Aufgabenbereichen aufgeteilt, ist das reibungslose Zusammenwirken aller Beteiligten gefordert.

Für die Wundversorgung bedeutet dies, dass jede Phase der Wundheilung mit dem ärztlichen Therapiekonzept abgeglichen werden muss. Die Praxis zeigt, dass die interdisziplinäre Kommunikation häufig Defizite aufweist und von unterschiedlichen Auffassungen bezüglich der Auswahl der geeigneten Wundversorgungsmaßnahmen geprägt ist.

CAREkonkret: Worin liegt Ihrer Ansicht nach der Grund für die zum Teil problematische Zusammenarbeit zwischen ärztlichem und pflegerischem Personal im Bereich der Wundversorgung?

Großkopf: Ein Grund hierfür kann in dem enormen Zuwachs an Behandlungsalternativen gegenüber der klassischen Wundversorgung zu erkennen sein. Feuchtigkeitserhaltende Wundauflagen, die Vakuumtherapie, das Einsetzen von Wundmaden und vieles mehr haben dem klinischen und ambulanten Alltag große Therapieerfolge beschert. In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass die Wundversorgung dem Bereich der Behandlungspflege zuzuordnen ist und damit der ärztlichen Anordnung bedarf.

CAREkonkret: Die Pflegekraft ist aber oftmals näher am Behandlungsgeschehen als der Arzt. Welche Möglichkeiten haben Pflegende, auf eine fehlerhafte ärztliche Anweisung zu reagieren?

Großkopf: Aus dem Gesichtspunkt des Patientenschutzes, aber auch im eigenen Interesse sollten die Bedenken zunächst dem Arzt mitgeteilt werden. Lässt sich auf dieser Ebene keine Lösung finden, ist eine Eskalation unvermeidlich.

Im Krankenhaus kann dies über die etablierten Hierarchieebenen erfolgen. In der ambulanten Pflege und in den Pflegeheimen ist die Situation ungleich schwieriger, da der behandelnde Arzt der Pflegeeinrichtung als eigenständiger Partner gegenübersteht. Hier kann neben der Information des Patienten oder dessen gesetzlichen Vertreter die einrichtungsübergreifende Deeskalation in Betracht kommen. Mögliche Ansprechpartner finden sich bei den Krankenkassen, den MDK oder den Ärztekammern. Ausführlich habe ich den Problemkomplex der Eskalation in der neuesten Ausgabe der Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen behandelt.

CAREkonkret: Nach welchen Kriterien wird eine Wundbehandlung als fehlerhaft eingestuft?

Großkopf: Dies ist im Grunde keine juristische Frage. Allerdings liegt hierin das maßgebliche Problem des gesamten Komplexes. Die Bewertung einer Wundversorgungsmaßnahme als „richtig" oder „falsch" ist wegen der Individualität eines jeden Wundprofils leider eine Frage des Einzelfalles. Es gibt keinen evidenzbasierten Wundbehandlungsstandard, aus dem sich diese oder jene Maßnahme als das einzige Mittel der Wahl erschließen lassen würde. Diese Unwägbarkeit ist eine denkbar ungünstige Ausgangsposition in der Auseinandersetzung zwischen Arzt und Pflegekraft.

CAREkonkret: Wie könnte dieses Problem gelöst werden?

Großkopf: Mehr Handlungssicherheit würde durch eine evidenzbasierte Negativliste erreicht werden, aus der hervorgeht, welche Behandlung nicht mehr dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Forschung entspricht und demzufolge nicht mehr zur Anwendung gebracht werden darf. Aus meiner Sicht ist hier die Kooperation von Wundexperten der ärztlichen und pflegerischen Professionen gleichermaßen gefordert. Dieser Ansatz wird auch am 29. Oktober 2004 auf dem 3. Symposium des Pflegerechts in Köln/Deutz verfolgt. Das Programm findet sich im Internet: http://www.pwg-seminare.de. Auf dieser Veranstaltung werden alle Protagonisten des Wundbehandlungsgeschehens zu Wort kommen. Ich erhoffe mir deutliche Impulse für die Weiterentwicklung des Dialoges zwischen Arzt und Pflegekraft, aber auch Argumentationsmuster für die Begegnung mit den Sozialversicherungsträgern.

Quelle: CAREkonkret (Zeitschrift für Entscheider in Pflege und Verwaltung, Verlag Vincentz Network), Ausgabe vom 10. September 2004

Die Vorstellung des Artikels erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Redaktion von CAREkonkret. Werner Schell (10.09.2004)