Pflege - Patientenrecht & Gesundheitswesen
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Erklärung der Deutschen
Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste e.V. (DGF) zu
Pflegequalität und Patientensicherheit im Intensivpflegebereich
Berliner Erklärung, April 2007
Die DGF fordert eine Mindestquote von fachweitergebildetem
Personal für deutsche Intensivstationen zur Gewährleistung der
Patientensicherheit. Aufgabenallokation und Neuverteilung der
Verantwortlichkeiten vom ärztlichen in den pflegerischen Bereich sind
gesetzgeberisch zu Regeln. Vorbehaltsaufgaben für Fachkrankenpflegende sind
verbindlich festzuschreiben um eine Versorgung von kritisch erkrankten Patienten
in Krankenhäusern ökonomisch sinnvoll und zukunftsfähig sicherzustellen.
Die aktuellen Entwicklungen im deutschen Gesundheitswesen und der deutschen
Krankenhauslandschaft sind zunehmend geprägt von ökonomischen Zwängen und
damit einhergehenden Veränderungen der klinischen Patientenversorgung.
Ansätze zur optimierten Ressourcennutzung z.B. im Bereich des
Qualitätsmanagements, der Prozessreorganisationen und der Verzahnung klinischer
und ambulanter Krankenversorgung offerieren allerdings deutlich eine weitere
Reduktion notwendigen Fachpflegepersonals. Dieses Fachpflegepersonal, das in den
Bereichen OP, Anästhesie und vor allem Intensivstationen seine Handlungsfelder
hat, ist ein Garant für eine hochwertige Versorgung der kritisch erkrankten
Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland. Möglich geworden ist das durch
ständige professionelle Weiterbildungen, die auf die Tätigkeiten in den
jeweiligen Handlungsfeldern vorbereitet haben und damit notwendige berufliche
Handlungskompetenz vermitteln konnten.
Muss der potentielle Patient einer Intensivstation zukünftig Angst haben vor
einer minderqualifizierten Betreuung? Sind die dann entstehenden Kosten durch
Sekundärschäden real nicht höher anzusiedeln als die Ausgaben für die
Qualifizierung von dringend benötigtem Fachpflegepersonal? Befindet sich die
Gesundheitsökonomie an dieser Stelle nicht auf einem völlig falschen Weg?
Die DGF hat sich als Fachgesellschaft zum Auftrag gemacht die Qualität der
pflegerischen Versorgung nicht nur zu erhalten, sondern vor dem Hintergrund
wachsender Herausforderungen auch zu steigern, sodass die Patientenversorgung
durch gezielte Fort- und Weiterbildungen von Fachkrankenpflegepersonen
wahrgenommen werden können. Da die DGF als Vertretung der Fachkrankenpflege auf
nationaler und internationaler Ebene in zahlreichen Gremien und Prozessen aktiv
beteiligt ist und damit die Gewährleistung und Förderung größtmöglicher
Patientensicherheit fokussiert, stellt sie mit Erschrecken eine zunehmende
Gefährdung der zukünftigen Patientenversorgung fest.
Am 16. März 2007 tagten die Fachvertreter der DGF in Berlin zu diesem
Themenkreis und fokussierten speziell den Bereich der Intensivstationen. Unter
den Aspekten von Patientensicherheit und Kosten-Nutzen-Relation wird der
zunehmende Verzicht auf Fachpflegende bei gleichzeitiger Zunahme von nicht
ausreichend qualifiziertem Personal in bundesdeutschen Kliniken kritisiert.
Erschwerend kommen ungenaue Aufgabenverteilungen und veraltete
Delegationsrichtlinien in der Zusammenarbeit von Pflegenden und Ärzten hinzu,
die die Patientenversorgung in der Intensivmedizin nicht leichter gestalten.
Schon viele Jahre weist die DGF auf bisher ungenutzte Ressourcen in diesem
Bereich hin. Hierzu zählen neben medizinischer Evidenzbasierung der für die
Patienten erbrachten Leistungen auch maßgeblich die strukturellen
Voraussetzungen der Leistungserbringung. Strukturelle Faktoren sind ebenso
relevant für ein bestmögliches Patientenoutcome bei der Intensivbehandlung und
–pflege wie die Therapieausrichtung an aktuellen Leitlinien und Empfehlungen.
Die Fachkrankenpflege in Deutschland erfüllt tagtäglich in tragender und
ergebnisorientierter Funktion hoch komplexe Versorgungsaufträge und begleitet
den Patienten nicht nur in der kritischen Phase seiner Erkrankung bis hin zur
Genesung, sondern begleitet auch die Angehörigen in dieser existentiell
bedrohenden Situation. Dazu gehört auch die Vorbereitung und Begleitung auf den
nicht immer zu verhindernden Tod oder die Begleitung des Patienten und seiner
Angehörigen bei sich chronifizierenden Erkrankungen. Die Fachkrankenpflegenden
sind durch ihr Patientennahes Aufgabengebiet ein wichtiges Bindeglied im
interprofessionellen Team intensivmedizinischer Versorgung. Dabei sind sie das
kommunikative und therapeutische Bindeglied im Behandlungsprozess und haben
damit therapieweisende Einflüsse. Schon seit vielen Jahren verlagern sich im
klinischen Alltag immer mehr originär ärztliche Leistungsmerkmale in den
Pflegebereich. So unterstützen Fachkrankenpflegende eigenverantwortlich
medizinische Therapiekonzepte wie z.B.
• Entwöhnung vom Respirator
• Planung und Durchführung spezieller Lagerungstherapien
• Durchführung von Nierenersatzverfahren
• Bedienung technischer Überwachungsgeräte
• Steuerung der Analgosedierung und Schmerztherapie
• Durchführung und Überwachung der Ernährungstherapie und
Flüssigkeitsbilanzierung
• Einhaltung und Sicherung hygienischer Mindeststandards.
Diese aufgeführten Tätigkeiten werden zu den originären Aufgabengebieten wie
der Patientenbeobachtung und -pflege zusätzlich von dieser Berufsgruppe
geleistet. Mit gängigen Leistungserfassungsmethoden werden diese
Leistungsmerkmale aber dem ärztlichen Bereich zugeordnet. Ökonomisch
betrachtet hat das zur Folge, dass real erbrachte Leistungen nicht dem
ausführenden Leistungserbringer zugerechnet werden.
Obwohl deutlich wird, dass Fachpflegende eine tragende Säule in der Versorgung
kritisch erkrankter Patienten darstellen, bestehen vielerorts pseudoökonomisch
begründete Tendenzen, die Anzahl an Fachkrankenpflegekräften weiter zu
reduzieren. Das ist um so unverständlicher als das klar ist, dass Aufgaben von
hoher Komplexität und Gefährdungsnähe nur durch bestens geschultes Personal
wahrgenommen werden kann, ohne das Patienten Sekundärerkrankungen erleiden oder
gar gefährdet werden.
Nur eine einzige (vermeidbare) Zusatzkomplikation verteuert die nun notwendige
Krankenhausversorgung durch längere Verweilzeit und kostspielige
Sekundärinterventionen derart, dass das Budget für die Weiterbildung mehrerer
Pflegekräfte abgedeckt werden würde. Wenn Bildungsmaßnahmen quantifizierbar
sein sollen und damit wirtschaftlich rentabel, dann zahlen sich genau hier
Fachweiterbildungen aus.
Dennoch werden Weiterbildungsstätten, die in der engagierten Qualifizierung
dieser Berufsgruppe arbeiten, zunehmend Opfer von Einsparungen. Dadurch verliert
nicht nur die bisher staatlich geregelte Fachweiterbildung an Attraktivität.
Die für die Patientenversorgung notwendigen Kompetenzen gehen verloren.
Gleichzeitig werden zahlreiche vor dem Hintergrund von Qualitätsmanagement und
Zertifizierungsverfahren aufgestellte Forderungen des Gesetzgebers nicht mehr
erfüllt. Dazu gehört an vorderster Stelle die Durchführung einer hochwertigen
und umfassenden Versorgung der Patienten, die natürlich eine hohe fachlich und
technische Kompetenz beinhaltet. Gleichzeitig aber implizieren die Kriterien von
z.B. KTQ, dass der Patient in die Versorgungsplanung einbezogen wird, er
fachlich auch durch Pflegende beraten wird, die Sicherheit des Patienten in
allen Belangen gewährleistet wird, wozu Fachpflegende einen erheblichen Anteil
beitragen, da sie sich 24 Stunden lang um den kritisch Erkrankten auf der
Intensivstation kümmern.
Der radikale Abbau des Fachpflegepersonals in den Intensivbereichen und die
Zerschlagung der speziellen Bildungsangebote für diese Fachbereiche wird
unweigerlich zu einer quantitativen wie qualitativen Mangelversorgung der
Patienten führen, was nicht der Preis für die Gesundheitspolitik sein kann und
darf.
Die DGF fordert von daher
· eine Mindestquote von staatlich examinierten Fachkrankenpflegekräften von
70% in Intensivstationen
· eine strikte Begrenzung der Anzahl an zu betreuenden kritisch erkrankten
Patienten pro Intensivpflegekraft/pro Schicht auf 1:1, respektive 2:1 bei
durchschnittlichem Behandlungsbedarf (nicht beatmete Patienten).
Diese Forderungen sind von den Krankenhausträgern als Mindeststandard für
Pflege und Therapie auf Intensivstationen umzusetzen.
Gleichzeitig bestärkt die DGF die Gesundheitsgremien zu
· einer flächendeckenden und bedarfsgerechten Sicherstellung und
Weiterentwicklung der staatlich geregelten Fachweiterbildungen im Pflegebereich,
speziell in der Intensivpflege und der Anästhesiepflege, im Sinne der
Empfehlungen des deutschen Bildungsrates für Pflege
· einer Neustrukturierung der Aufgabenverteilung in den Intensivbereichen, im
Sinne einer Realitätsangepassten Allokation
· einer Bereinigung juristischer, haftungsrechtlicher, versicherungsrechtlicher
und arbeitsrechtlicher Grauzonen für Fachkrankenpflegende im klinischen Alltag
bei der Übernahme delegationsfähiger ärztlicher Aufgaben
· der Implementierung von Vorbehaltstätigkeiten gegenüber nicht ausreichend
qualifiziertem Personal
· zu einer Anerkennung der erforderlichen und vorhandenen Kompetenzen in Form
einer für die hohe Verantwortung und notwendige Kompetenzentwicklung adäquaten
Honorierung im Sinne einer tariflichen Bezahlung.
Diese Forderungen sind von den Krankenhausträgern zu unterstützen und von der
deutschen Gesundheitspolitik umgehend umzusetzen.
Die DGF steht allen an der Zukunft des deutschen Gesundheitswesens
Interessierten zur gemeinsamen Bearbeitung dieser essentiellen Themenfelder zur
Verfügung.
Berlin 18. April 2007
Vorstand der Deutschen Gesellschaft
für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste e.V.
http://www.dgf-online.de
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