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Häusliche Krankenpflege:
Ständige Krankenbeobachtung bei Atemfunktionsstörungen und Hilfe in einer Werkstatt für behinderte Menschen bei Blasenentleerungsstörung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung - Einschränkungen des Gemeinsamen Bundesausschusses sind nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts nicht bindend

Wenn ein schwer kranker Patient der ständigen Krankenbeobachtung bedarf, weil jederzeit durch Verschlechterungen der Atemfunktionen und Krampfanfällen eine medizinische Fachkraft erforderlich ist, muss die Krankenkasse die Kosten im Rahmen der häuslichen Krankenpflege übernehmen. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) am Donnerstag letzter Woche entschieden, wie erst jetzt bekannt geworden ist.

"Dieses Urteil ist nicht nur ein Erfolg für den schwer kranken Jungen und seine Eltern, die sich gegen die Zahlungsverweigerung der Krankenkasse gewehrt haben. Dieses Urteil ist ein Erfolg für alle schwer kranken Beatmungspatienten, die der Krankenbeobachtung bedürfen", so Bernd Tews, Geschäftsführer des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa).

Im Streit um den zeitlichen Umfang der Behandlungspflege wandte die beklagte Krankenkasse ein, dass die Richtlinien des Gemeinamen Bundesausschusses über häusliche Krankenpflege die allgemeine Krankenbeobachtung nicht vorsähen. Dieses Argument hatte allerdings vor dem BSG keinen Bestand: "Soweit die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über häusliche Krankenpflege nur eine spezielle Krankenbeobachtung bei akuten Verschlechterungen einer Krankheit zur Kontrolle der Vitalfunktion sowie die Überwachung eines Beatmungsgerätes als verordnungsfähig erklären, schränken sie die gesetzliche Leistungsverpflichtung der Krankenkassen bei der Erbringung von häuslicher Krankenpflege ein, ohne dazu eine ausreichende gesetzliche Ermächtigung zu haben. Insoweit binden sie die Gerichte nicht" so das BSG im Bericht über das Urteil.

"Wir begrüßen diese Entscheidung, da das BSG nochmals eindeutig klarstellt, dass der Gemeinsame Bundesausschuss nicht befugt ist, durch seine Richtlinien medizinisch notwendige Leistungen der Behandlungspflege zu verweigern" so Bernd Tews.

In einem weiteren bekannt gewordenen Urteil hat das BSG entschieden, dass die Blasenentleerung mittels Katheters, die während des Aufenthalts in einer Werkstatt für Behinderte erforderlich ist, ebenfalls als eine Leistung der häuslichen Krankenpflege von den Krankenkassen zu gewähren ist. Damit wird in einem weiteren Fall klar gestellt, dass der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nicht nur auf die eigene Wohnung beschränkt ist.

Das Fazit von Bernd Tews zu den beiden Entscheidungen: "Das sind zwei Urteile, die die häusliche Krankenpflege stärken sowie Klarheit und Rechtssicherheit für alle Beteiligten schaffen. Wir hoffen zum Wohl der Patienten auf eine schnelle Umsetzung durch die Krankenkassen."
Für Rückfragen: Bernd Tews, 030 / 30 87 88 60.
Quelle: Pressemitteilung bpa - priv. Anbieter sozialer Dienste vom 16.11.2005

PS.: Die Entscheidungen des Bundessozialgerichts werden hier vorgestellt.

Dort heißt es u.a.:

--- Urteil zur Krankenbeobachtung vom 10.11.2005 – Br KR 38/04 R:

Die Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg. Auch hier haben die Vorinstanzen die Krankenkasse zu Recht verurteilt, häusliche Krankenpflege auch insoweit zu gewähren, als sie der Beobachtung des Klägers dient, ob und welche konkreten Maßnahmen bei Verschlechterungen der Atmungsfunktion und beim Auftreten von Krampfanfällen geboten sind. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich die häusliche Krankenpflege insoweit nicht in die jeweils gebotenen Pflegemaßnahmen, für die die Beklagte eintreten will, und in die Beobachtungszeit aufteilen, für die sie eine Leistungspflicht ablehnt. Es kann deshalb dahinstehen, unter welchen Umständen eine allgemeine Krankenbeobachtung eine Leistung der häuslichen Krankenpflege sein kann, wenn ärztliche oder pflegerische Maßnahmen zur Abwendung von Krankheitsverschlimmerungen eventuell erforderlich, aber konkret nicht voraussehbar sind.
Soweit die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über häusliche Krankenpflege nur eine spezielle Krankenbeobachtung bei akuten Verschlechterungen einer Krankheit zur Kontrolle der Vitalfunktion sowie die Überwachung eines Beatmungsgerätes als verordnungsfähig erklären, schränken sie die gesetzliche Leistungsverpflichtung der Krankenkassen bei der Erbringung von häuslicher Krankenpflege ein, ohne dazu eine ausreichende gesetzliche Ermächtigung zu haben. Insoweit binden sie die Gerichte nicht.

Vorinstanzen:
SG Dortmund - S 8 KR 347/00 -
LSG Nordrhein-Westfalen - L 5 KR 13/03

--- Urteil zur häuslichen Krankenpflege in einer Werkstatt für behinderte Menschen bei Blasenentleerungsstörung vom 10.11.2005 - B 3 KR 42/04 R –

Die Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg. Die Vorinstanzen haben die Beklagte zu Recht verurteilt, die während der Zeit des Aufenthaltes in der Werkstatt für behinderte Menschen erforderliche Blasenentleerung mittels Katheters als Leistung der häuslichen Krankenpflege zu gewähren. Dass häusliche Krankenpflege auch außerhalb der Wohnung zu gewähren ist, falls ein Haushalt besteht, hat der Senat bereits früher entschieden. Die Blasenentleerung mittels Katheters ist eine Maßnahme der Behandlungspflege, auch wenn sie die Grundverrichtung der Blasenentleerung betrifft, weil sie krankheitsspezifisch den Folgen der Blasenlähmung und den daraus drohenden Komplikationen entgegenwirkt. Sie kann nach der neueren Rechtsprechung des Senats aber auch als Maßnahme der Grundpflege beim Pflegebedarf berücksichtigt werden, sofern der Versicherte die Pflege selbst sicherstellt und deshalb Pflegegeld bezieht.

Hier hat sich die Versicherte aber seit dem Besuch der Werkstatt für behinderte Menschen im September 2002 entschieden, die Pflegemaßnahme als Sachleistung in Anspruch zu nehmen. Als Folge dieser Wahl ist die beklagte Krankenkasse zur Leistung verpflichtet, weil die streitige Pflegemaßnahme nicht durch Haushaltsangehörige erbracht wird und auch nicht in zumutbarer Weise erbracht werden kann.

Der Anspruch der Klägerin wäre nur dann ausgeschlossen, wenn feststünde, dass die streitige Behandlungspflegemaßnahme bereits beim Pflegebedarf berücksichtigt worden ist und zu einer höheren Pflegestufe geführt hat. Diese Feststellung lässt sich schon deshalb nicht treffen, weil die Klägerin letztmalig im Jahre 1995 vom MDK wegen ihres Pflegebedarfs begutachtet worden ist.

Vorinstanzen:
SG Regensburg - S 2 KR 87/03 –
Bayerisches LSG - L 4 KR 15/04 -

Vorgestellt von Werner Schell (20.11.2005)