Rechtsgutachten:
Das Recht auf geschlechtsspezifische Pflege
Rund 1,9 Millionen Menschen in der Bundesrepublik erhalten
derzeit Leistungen der sozialen und privaten Pflegeversicherung. Mädchen und
Frauen stellen mit ca. 75 v.H. in der stationären Pflege und rund 65 v.H. in
der ambulanten Pflege die Mehrheit aller pflegebedürftigen Bürgerinnen und
Bürger.
Vor allem behinderte Frauen haben immer wieder darauf
hingewiesen, dass es für viele pflegebedürftige Frauen - nicht nur aber vor
allem im Bereich der Intimpflege- unzumutbar ist, gegen ihren Willen und Wunsch
von Männern gepflegt zu werden. Bedenkt man, dass gerade behinderte Frauen in
besonderem Maße von sexueller Gewalt betroffen sind, erscheint dies ein allzu
nachvollziehbarer Wunsch. Die Pflegeversicherungen und Sozialhilfeträger aber
auch die stationären Pflegeeinrichtungen und ambulanten Dienste sind gehalten,
diesen Unterschieden in den Bedürfnissen Rechnung tragen.
Ziel der ambulanten wie stationären Pflege ist nicht nur die
Grundversorgung der Pflegebedürftigen. Die Pflege muss vielmehr sicherstellen,
dass Menschen im Alter, mit einer Behinderung oder Erkrankung trotz ihres
Hilfebedarfs ein möglichst selbständiges, selbstbestimmtes und würdevolles
Leben führen können.
Gutachten
Im Auftrag des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und
Jugend hat Prof. Dr. jur. Gerhard Igll ein
Rechtsgutachten erstellt. Das Gutachten befasst sich erstmals eingehend und
umfassend mit der Frage, ob und in welchem Umfang der Wunsch nach Pflegepersonen
des eigenen Geschlechts bereits nach geltendem Recht zu berücksichtigen ist. Es
bietet allen im Pflegesektor Tätigen einen umfassenden Einblick in die
rechtlichen Rahmenbedingungen und gibt wertvolle Anregungen, wie das in der
Verfassung verankerte Recht pflegebedürftiger Frauen und Männer auf den
staatlichen Schutz ihrer Würde und Selbstbestimmung verwirklicht werden kann
und muss. Gleichzeitig nimmt es Stellung zu den Diskussionen um eine
ausdrückliche gesetzliche Verankerung dieses Rechts und liefert damit wichtige
Anregungen für die Diskussion zur rechtlichen Fortentwicklung der Qualität in
der Pflege und für die Stärkung der Rechte von pflegebedürftigen Frauen und
Männern.
Umfrage
Im Kontext zu diesem Gutachten wurde von der Bundesorganisationsstelle
behinderte Frauen`, Projektmitarbeiterin Gisela Hermes, eine Umfrage zur
geschlechtsspezifischen Pflege / Assistenz bei behinderten Frauen durchgeführt.
Dabei wurde der Bedarf hilfeabhängiger Frauen an weiblichen und männlichen
Assistenzkräften abgefragt. Es wurden differenzierende Bedarfssituationen
genannt und einige Beispiele, in denen mit einer Bereitschaft, dem Anliegen der
Frauen entgegen zu kommen, geschlechtsspezifische Pflege als
Selbstverständlichkeit ermöglicht wird.
Die betroffenen Frauen haben über positive und negative
Erfahrungen mit männlichen und weiblichen Assistenzkräften berichtet und
Gründe genannt, die behinderte Frauen bewegen, sich für oder gegen weibliche
oder auch männliche Assistenzkräfte zu entscheiden. Es wurden recht
differenzierende Aspekte sichtbar und es wurden Beispiele genannt, nach denen
die Berücksichtigung von Wünschen nach geschlechtsspezifischer Pflege
problemlos erfolgt.
Die Ergebnisse geben einen Einblick in die Assistenzsituation
von hilfeabhängigen Frauen und sensibilisieren für die Bedürfnisse. Das
Gutachten sowie die Ergebnisse aus der Umfrage können als pdf-Datei hier
runtergeladen werden.
Anlagen
Quelle: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (07.05.2003)
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