STIFTUNG PFLEGE STARTET ANTI-DEKUBITUS-KAMPAGNE
Dekubitus-Standard kann binnen zwei Jahren „schmerzfrei"
500 Millionen Euro einsparen.
Mehr Qualität kann zu drastischen Einsparungen
im Gesundheitswesen führen –diese Erkenntnis braucht nicht notwendigerweise
amtliche Kommissionen. Allein die konsequente Umsetzung bekannter fachlicher
Standards würde zu diesem Ergebnis führen. Wenn zudem aufgeklärte Patienten
die Leistungen von Gesundheitseinrichtungen im Sinne kritischer Verbraucher auf
den Prüfstand stellen, habe dies einen ungeahnten
"Regulierungseffekt", so Christel Bienstein, Leiterin des Instituts
für Pflegewissenschaft an der Privaten Universität Witten/Herdecke und
Vorsitzende des Fachbeirats der Stiftung Pflege auf einer Pressekonferenz am
25.2.2003 in Bonn.
Ein Beispiel sind die Behandlungskosten für Druckgeschwüre, dem so genannten
„Dekubitus". Dabei handelt es sich um eine vermeidbare Erkrankung, die
oftmals erst bei einem Klinikaufenthalt, mitunter sogar bei einer simplen
Meniskusoperation, hervorgerufen wird. Patienten werden im Krankenhaus- bzw.
Pflegebett oder bereits auf dem Operationstisch falsch „gelagert", obwohl
ausreichende Kenntnisse und Hilfsmittel zur Verfügung stehen. Ursachen sind
mangelnde Information der Ärzte, des Pflegepersonals und/oder der Verwaltungen,
entsprechende Fehlbehandlungen sowie eine ungenügende Aufklärung der
Betroffenen.
Studien belegen eine Dekubitus-Häufigkeit im Krankenhaus- und Pflegebereich
zwischen 4 und 27 Prozent; Experten gehen übereinstimmend von einem
bundesweiten Mittel von 15 Prozent aus. Bei jährlich 16 Mio. stationären
Behandlungsfällen (1998) und einer Inzidenz von „nur" 1,3% entwickeln
über 200.000 Krankenhaus-Patienten pro Jahr einen Dekubitus.
Die Kosten für die Therapie eines Dekubitus liegen zwischen 15.000 und 30.000
Euro . Daraus ergibt sich ein jährlicher Gesamtaufwand im deutschen
Gesundheitswesen von mindestens 3,2 Mrd. Euro. Die Bundesregierung beziffert die
jährlichen Behandlungskosten allein für höhergradige Druckgeschwüre –
etwas konservativer - auf 1,0 - 1,2 Mrd. Euro . Zudem erhöht sich bei den
betroffenen Patienten die Verweildauer im Krankenhaus um durchschnittlich 5,3
Tage, was 1,1 Mio. zusätzliche Krankenhaustage pro Jahr bedeutet. Einen
durchschnittlichen Tagessatz von 150 Euro zugrunde gelegt, betragen die Kosten
der Krankenhausversorgung weitere vermeidbare 165 Mio. Euro.
Aus pflegewissenschaftlicher Sicht sind dafür insbesondere folgende Mängel
verantwortlich:
- Die Dekubitus-Gefährdung eines
Patienten wird nach internationalen Standards mit Hilfe einer
Einschätzungsskala ermittelt. Diese Skalen sind den Ärzten und dem
Pflegepersonal in Deutschland noch weitgehend unbekannt.
- Ein Dekubitus-Gefährdeter muss
regelmäßig nach einem individuellen Bewegungsplan entlastet werden. In
Deutschland geschieht dies noch völlig unzureichend.
- Nach positiver Gefährdungsdiagnose
müssen druckreduzierende Hilfsmittel wie Kissen oder Matratzen binnen zwölf
Stunden für den Patienten zur Verfügung stehen. In der häuslichen Pflege
dauert dabei die Beschaffung häufig noch bis zu mehreren Tagen oder gar
Wochen.
Die Patienten wissen dabei selbst zu wenig über die Dekubitus-Problematik und
–-gefährdung, um anfängliche Symptome – insbesondere Schmerz - selbst
deuten und bei nicht ausreichender Vorbeugung selbst aktiv werden zu können.
Selbst ein nur geringer Qualitätsfortschritt in der Patientenbetreuung kann das
Gesundheitswesen binnen 2 Jahren – für die Beitragszahler „schmerzfrei"
- um mindestens 500 Mio. Euro entlasten.
"Das Beispiel Dekubitus" , so Christoph Brocks, Vorstand der Stiftung
Pflege, "macht deutlich, dass die Kostenprobleme des Gesundheitswesens
nicht zu Lasten der Versicherten gelöst werden müssen, wenn die Bereiche
Wissenschaft und Bildung weiter verstärkt bzw. deren Erkenntnisse konsequent
umgesetzt werden."
Mit ihrer bundesweiten Anti-Dekubitus-Aktion will die Stiftung Pflege das
Problem zeitnah beheben helfen. Über das Pflege-Infotelefon (01805/773 774, 12
Cent/Minute) und über die Homepage der Stiftung Pflege (www.stiftung-pflege.de)
sind weitere Informationen für Patienten, deren Angehörige und Pflegende
abrufbar.
Quelle: Pressemitteilung 25.02.2002
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