Pressemeldung
Berlin, 28. Mai 2007
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Erklärung der Deutschen Gesellschaft für
Fachkrankenpflege und Funktionsdienste e.V. (DGF) zur Gewährleistung der
Patientensicherheit in deutschen OPs.
Ohne Bauchschmerzen in- und aus dem OP -
Spezialisierte Fachkrankenpflege vs. Schmalspurfortbildungen im OP
Die DGF fordert einen Fachkrankenpflegestandard
für den pflegerischen Anästhesie- und OP-Dienst zur Einhaltung qualitativer
und quantitativer Mindeststrukturen im Regelbetrieb der stationären Versorgung.
Eine umfassende qualitäts- und sicherheitsorientierte Patientenversorgung in
den Bereichen der Narkose- und Chirurgiedienstleitungen funktioniert nur unter
Berücksichtigung der notwendigen pflegerischen Kompetenz. Hochwertige Pflege
ist die Grundlage jeder erfolgreichen stationären Behandlung.
Das deutsche Gesundheitswesen stellt derzeit
hohe Anforderungen an die Mitarbeiter in der stationären Versorgung. Bedingt
durch reduzierte Budgets, jüngste Umstellungen der Vergütung von
Krankenhausbehandlungen, erhöhtem Wettbewerb und einer damit einhergehenden
Arbeitsverdichtung in den Krankenhäusern, sind enorme Anforderungen an
pflegerische und ärztliche Mitarbeiter in den Operations- und
Narkoseabteilungen deutscher Kliniken entstanden. Das hohe Maß an
Arbeitsverdichtung und die Zunahme der Komplexität der Behandlungen stehen im
direkten Zusammenhang mit der erwartbaren Outcome-qualität bei den Patienten.
Direkt davon betroffen sind die im OP tätigen nicht-ärztlichen Berufsgruppen
der Fachkrankenpflege 2 Anästhesie und Funktionsdienste (im weiteren
FKP-A und FKP-OP genannt). Die FKP-A arbeitet hauptsächlich in der Erbringung
und Assistenz von Narkosen, der perioperativen Patientenpflege, der
Schmerztherapie und der innerklinischen Notfallbehandlung. Die FKP-OP arbeitet
hauptsächlich in der Erbringung und Assistenz von chirurgischen Interventionen
und der invasiven und non-invasiven Diagnostik sowie der perioperativen Pflege.
Beide Berufsgruppen verfügen über umfangreiche und originäre Kompetenzen,
Tätigkeitsprofile und relative Vorbehaltsaufgaben3. Schon heute kann
die chirurgische und anästhesiologische Versorgung der Bevölkerung, gerade
auch in Not- und Katastrophenfällen, nur über die Einbindung der
Fachkrankenpflege gesichert werden. Durch kompetenzorientierte und überwiegend
staatlich anerkannte Weiterbildungen werden diese beiden Berufsgruppen seit
Jahrzehnten für die für Chirurgie und Anästhesie notwendigen Aufgabenbereiche
analog zu den sich entwickelnden OP Spektren und anästhesiologischen
Interventionsstrategien weitergebildet, damit die Komplexität der
Aufgabenbereiche bewältigt werden kann. Die zunehmende Multimorbidität der
Patienten, bedingt durch die demografische Entwicklung und damit einhergehende
Zunahme an chronischen Erkrankungen verschärft diese Ausgangslage auf Seiten
der Patienten.
Gerade im Bereich der Operations- und
Anästhesieabteilungen wird versucht, über die Etablierung neuer Strukturen die
Arbeitsverdichtung zu kompensieren. Hierbei steht die interdisziplinäre und
multiprofessionelle Zusammenarbeit stets im Vordergrund der
Optimierungsprozesse. Diese Bestrebungen können, wenn mit Augenmaß und
kompetenzorientierter Analyse der Tätigkeiten und Berufsgruppen, zum Erfolg
führen. Das bedeutet zu erheben, welche spezifischen Kompetenzen welche
Berufsgruppe unter welchen Bedingungen zum bestmöglichen Ergebnis in den
Behandlungsprozess einbringt. Nur so kann das Ziel der sicheren und
bestmöglichen Patientenversorgung erreicht werden.
Diese Veränderungen in den
Organisationsstrukturen der Klinken, hin zu fachübergreifend geleiteten Zentren
für z.B. operative Medizin mit einhergehender Zusammenfassung aller
Berufsgruppen führen aber zu einer Abwertung der unterschiedlichen
eingebrachten Kompetenzen und Tätigkeiten der Berufsgruppen. Über eine oftmals
rein ökonomische Betrachtungsweise wird eher Gleichmacherei und eine teils
gefährliche Vermischung der berufsgruppenspezifischen Tätigkeiten gefördert.
Nur über die Beibehaltung der Diversifikation
beider Berufsgruppen und der verschiedenen Aufgabenbereiche kann eine sichere
und effiziente Patientenversorgung gewährleistet werden.
Ohne eine ausreichend Differenzierung der
Kompetenzen und Tätigkeitsprofile der FKP-A und FKP-OP ist die Bildung
effektiver multiprofessioneller Teams nicht denkbar. Diese Teambildung ist
notwendig, um die aktuell prozessorientierte Krankenhausbehandlung von Patienten
auch unter Berücksichtigung der aktuellen ökonomischen Zwänge sinnvoll
weiterzuentwickeln.
Die FKP-A und FKP-OP ermöglichen mit ihren
jeweiligen Kompetenzen erst die Durchführung und Anwendung differenzierter
Operationen und Anästhesieverfahren durch die zuständigen Ärzteteams. Die
Chirurgen und Anästhesisten haben intraoperativ oftmals keinerlei zeitliche
Ressourcen, allen technischen Voraussetzungen und Neuerungen der
Patientenbegleitung und dem Ablaufmanagement genügend Aufmerksamkeit zu widmen.
Hier springen die Fachkrankenpflegenden nicht
nur regelhaft ein, sondern sind unabdingbares Mitglied des therapeutischen
Teams, um die sichere Patientenversorgung aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig
treiben sie dabei die Weiterentwicklungen der medizinischen und pflegerischen
Fachgebiete zukunftsfähig voran. Dies knüpft auch an die historische
Entwicklung der nicht ärztlichen Berufsbilder im OP an. Das sichere Beherrschen
und die umfangreichen Kenntnisse der Operations- und Anästhesietechniken
erfordern zwei verschiedene Berufsbilder im Bereich der pflegerischen
perioperativen Patientenversorgung.
Eine umfassende qualitäts- und
sicherheitsorientierte Patientenversorgung in den Fachbereichen der Anästhesie
und des Funktionsdienstes OP funktioniert nur unter Berücksichtigung der
hierfür notwendigen pflegerischen Voraussetzungen. Hochwertige Pflege bereits
im OP bildet die prinzipielle Grundlage jeder stationären Behandlung.
Die DGF fordert entsprechend den
kompromisslosen Fortbestand und die Weiterentwicklung der vorhandenen
pflegerischen Fachweiterbildungen für den Funktions- und Anästhesiedienst und
den flächendeckenden verpflichtenden Einsatz dieser Berufsgruppen im Sinne
eines Fachpflegestandards für alle Kliniken.
Die DGF fordert deutlich definierte
Aufgabengebiete für die pflegerischen Berufsgruppen im OP, die anhand der
Weiterbildungsinhalte für einerseits gemeinsame und andererseits originär
vorbehaltene Tätigkeiten im Prozess der perioperativen1
Patientenversorgung stehen.
Erstrebenswerte Konzepte der
multiprofessionellen Teambildung funktionieren nur über klare
Aufgabenabgrenzungen und -verteilungen. Den aktuellen Entwicklungen der
Schaffung von multidisziplinär fortgebildeten Pflegekräften zur reinen
Arztassistenz in OPs, stehen zwei starke, umfänglich aus- und weitergebildete,
pflegerische Berufsgruppen gegenüber, ohne die ein regelhafter OP -
und Narkosebetrieb aktuell nicht mit gleicher Qualität denkbar ist.
Bereits heute arbeiten beide Berufsgruppen in
vielen Bereichen der direkten Patientenversorgung in den OPs eng zusammen. Dazu
gehören Tätigkeiten wie:
- Überwachung und Anwendung der
hygienischen Anforderungen
- Ablauf- und Kontinuitätsmanagement
- Schnittstellenmanagement zu inner- und
außerklinischen Bereichen
- Betreuung, Überwachung und Lagerung der
Patienten im OP
- Management der Patientendaten und
Datendokumentation
- Risiko- und Qualitätsmanagement im OP
- Fort- und Weiterbildung von Auszubildenden
und nach geordneten Berufsgruppen
Hinzu kommen spezifische Aufgabenbereiche
beider Berufsgruppen, die aufgrund ihrer ureigensten Komplexität nicht
fachübergreifend ausgeführt werden können. Hierzu zählen insbesondere:
- Vorhalten und Anwenden von
medizintechnischen Geräten zur Diagnostik und Therapie
- Vor- und Nachbereitung von
fachspezifischen Materialien und Ressourcen
- Eigenverantwortliche patientenzentrierte
Pflegeinterventionen und Überwachungsaufgaben
- Patientenadaptierte Assistenztätigkeiten
zur Unterstützung chirurgischer und anästhesiologischer Tätigkeiten
- Notfall- und Akutinterventionsmanagement
- Fort- und Weiterbildung von Auszubildenden
- Weiterentwicklung der Berufs- und
Tätigkeitsprofile
- Delegation und Kontrolle von
supplementären und nachgeordneten Aufgabenbereichen
Die DGF fordert folgende Mindeststrukturen für
den quantitativen und qualitativen Personaleinsatz in OP- und
Anästhesieabteilungen:
- Die Besetzung mit jeweils einer
fachweitergebildeten2 Krankenschwester bzw. –pfleger pro OP-Tisch,
- im Bereich der Fachkrankenpflege
Funktionsdienste eine weitere tischgebundene Fachkraft4 (mit
mind. dreijähriger Ausbildung),
- im Bereich der Fachkrankenpflege
Anästhesie eine weitere nicht-tischgebundene Fachkraft4 / 2
Tische (s. g. Springer).
- Im Bereich der Aufwacheinheiten5
ist zwingend die Besetzung mit Fachkrankenpflegekräften zu gewährleisten
und zwar in der Relation 1:4 Patienten.
(Die Zahlen gelten für den Regelbetrieb von OP
Einheiten, exklusive den für OP-Koordination und Leitungsaufgaben abgestellten
Mitarbeitern. Für Häuser mit Maximalversorgungscharakter und/oder
Universitätskliniken gelten ggf. nach oben zu korrigierende Zahlen.)
Weiterhin unterstützt die DGF fortwährend die
- staatliche Anerkennung der bestehenden
Berufsbilder der Fachkrankenpflege bundesweit,
- kontinuierliche Weiterentwicklung der
bestehenden Berufsbilder analog der Weiterentwicklung des medizinischen
Fortschritts,
- juristische Absicherung der
Fachkrankenpflegenden im Sinne von schärfer definierten
Tätigkeitsmerkmalen und Vorbehaltsaufgaben,
- Bestrebungen, klare gesetzgeberische
Aussagen zur Distribution und Allokation medizinischer Aufgaben
voranzutreiben,
- Weiterentwicklung der Fachweiterbildungen
im Sinne verbesserter internationaler Vergleichbarkeit und ggf.
verbesserter Anbindung an die Hochschulen,
- die wissenschaftliche Auseinandersetzung
und Erarbeitung mit/von pflegerischen Fragestellungen und
- verpflichtende tarifliche Würdigung der
Fachweiterbildungen.
Die DGF steht für die Weiterführung der
pflegerischen Fachweiterbildungen Funktionsdienste und
Anästhesie/Intensivpflege als Grundlage von Pflegequalität in den OP- und
Anästhesieabteilungen. Ablehnend steht die DGF neueren Ansätzen der
unternehmensinternen Fortbildungsvarianten gegenüber, die weder den allgemeinen
Anforderungen genügen, noch zu anerkannten Abschlüssen führen. Die Patienten,
welche sich mit ihren Leiden den OP- und Narkoseabteilungen anvertrauen,
benötigen keine Pseudo-Universalkräfte, die von allem etwas, aber von vielem
zu wenig verstehen. Sicherheit für die Patienten lässt sich nur durch
qualitativ sehr gut ausgebildetes Fachpflegepersonal sicher stellen.
Für zukunftsweisende Diskussionen zur
positiven Entwicklung des deutschen Gesundheitswesens steht die DGF mit seinen
Organen allen Ansprechpartnern zur Verfügung.
DGF-Arbeitsgruppe Anästhesie und Vorstand
1
Perioperative pflegerische Versorgung umfasst die Patientenversorgung ab Übernahme
– bis zur Übergabe von/an Normalpflegestation oder ggf. auch Entlassung im
amb. Bereich.
2 Staatlich examinierte Gesundheits- und
Krankenpflegekraft mit abgeschlossener zweijähriger Fachweiterbildung Anästhesie/Intensivpflege,
bzw. Funktionsdienste
3 beispielhafte Vorbehaltsaufgaben: FKP-OP
– Anwendung von intraoperativem Röntgen, FKP-A – Anwendung von
perioperativen Maßnahmen/Geräten zur Wiederbelebung
4 staatlich examinierte Gesundheits- und
Krankenpflegekraft, bzw. OTA/ATA
5 In Aufwacheinheiten (dienen vorwiegend
zur direkten postoperativen Patientenversorgung) ist regelhaft, aufgrund der
fehlenden dauerhaften Arztpräsenz, von fachpflegepflichtigem
Entscheidungsspektrum auszugehen.
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