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„Wehe all den alten Menschen,
die niemanden haben, der für sie kämpft" Meine Mutter ist 85 Jahre alt, hat 7 Kinder großgezogen und ihren Mann ein Leben lang verwöhnt. Sie war immer Hausfrau und ein Leben lang stolz darauf, dass unser altes Haus immer wie sie sagte "pikobello sauber" war. Der Garten hinter dem Haus hat uns alles an Gemüse und Obst geliefert, was wir das ganze Jahr über gebraucht haben. Nachdem mein Vater mit 86 Jahren verstorben war, mussten wir feststellen, dass unsere Mutter immer vergesslicher wurde, unsere Namen verwechselte, mehrmals täglich auf den Friedhof ging, aber nicht gegossen hat. Als uns Nachbarn informierten, dass sie im Ort den Heimweg vom Friedhof nicht mehr wusste, wurde ein Arzt konsultiert; Diagnose: Alzheimer. Dies bedeutete, dass unsere Mutter ihr Leben nicht mehr allein organisieren und nicht mehr allein in ihrem Haus bleiben konnte. Sowohl durch räumliche als auch berufliche Umstände war es keinem ihrer 7 Kinder möglich, sie zu Hause in ihrem Haus zu pflegen. Also haben wir, die Kinder, uns entschlossen, unsere Muter in die Obhut eines privat geführten Seniorenheimes im Nachbarort zu geben, das gerade neu eröffnet hatte. Bei Besuchen konnten wir feststellen, dass sich unsere Mutter hier sehr wohl fühlte, da hier auch einige Nachbarinnen aus dem Ort untergebracht waren, sie hatte einen guten Appetit, nahm kräftig zu und war immer im Gemeinschaftsraum anzutreffen. Alle waren glücklich, dass wir es so gut getroffen hatten. In Abstimmung mit meinen Geschwistern hatte ich die Betreuung übernommen, da ich als Kauffrau in der Lage war, sowohl die finanziellen als auch behördlichen Belange meiner Mutter zu regeln. Nach 2 Jahren, die Demenz meiner Mutter hatte sich weiter verschlechtert, es war jetzt auch noch Parkinson hinzugekommen, wurde meine Mutter ins Krankenhaus eingeliefert wegen einer starken Bronchitis, da sie lt. Pflegeheim nichts essen wollte und auch die Medikamente nicht genommen hat. Nach Rückkehr ins Pflegeheim wurde ich darüber informiert, dass meine Mutter nicht in der Lage wäre Nahrung und Flüssigkeit zu schlucken, es wurde vom Pflegeheim vorgeschlagen eine PEG-Sonde zu legen, ich solle mein Einverständnis zufaxen. Im ersten Moment gab es von meiner Seite keine Bedenken, zumal dies nicht nur von der Pflegeheimleitung sondern auch von dem behandelnden Arzt vorgeschlagen wurde. Vor Erteilung meiner Unterschrift habe ich "Gott sei Dank" im Internet recherchiert. Hier tat sich für mich plötzlich ein Fenster des Horrors auf, was mit alten Menschen in Altenheimen gemacht wird, insbesondere mit Kathedern und der PEG-Magensonde. Aufgrund der Aussagen von vielen Angehörigen alter Menschen, denen schlimme Schicksale durch die PEG-Sonde in Altenheimen widerfahren sind, und nach Abwägung aller Vor- und Nachteile, die mit der Einbringung einer Magensonde verbunden sind, bin ich gemeinsam mit meinen Schwestern zu dem Entschluss gekommen, dass unserer Mutter keine PEG-Sonde gelegt werden soll, da uns die negativen Auswirkungen beim Krankheitsbild unserer Mutter als zu schwerwiegend erschienen und wir die Komplikationen, die auftreten können (Entzündungen, Magenbluten, Durchfälle, Fixierung, medikamentöse Ruhigstellung) für unsere Mutter nicht in Kauf nehmen wollten; ganz abgesehen von den seelisch-sozialen Auswirkungen. Auch konnten wir nicht die Notwendigkeit und Dringlichkeit sehen, zumal sich unsere Mutter nach dem Krankenhausaufenthalt ohne PEG-Sonde gut erholt hatte. Dies habe ich dem Pflegeheim schriftlich am 29.6.2005 mitgeteilt und keine Zustimmung erteilt. Trotzdem wurde meine Mutter am 30.6.2005 ins Krankenhaus transportiert, wo sie einen halben Tag in der Notaufnahme lag bevor man sie wieder ins Pflegeheim zurückschickte. Dies war für meine Mutter eine unzumutbare Stresssituation. Die Ärztin in der Notaufnahme rief mich an, da ihr mein Einverständnis zur Verlegung der PEG-Sonde nicht vorlag. Ich teilte ihr mit, dass ich mein Einverständnis dazu nicht gebe und dies auch dem Pflegeheim mitgeteilt hatte. Die Ärztin sagte mir, dass auch sie die Notwendigkeit zur Verlegung einer PEG-Sonde bei meiner Mutter nicht sieht und auch beim Aufenthalt meiner Mutter im Krankenhaus zur Behandlung der Bronchitis keine Schluckbeschwerden aufgetreten wären. Seit dem ersten Aufenthalt meiner Mutter im Krankenhaus hatte sie einen Blasenkatheder, der auch später im Pflegeheim nicht entfernt wurde. Am gleichen Tag, 30.6.2005, erhielt ich ein Schreiben des Pflegeheimes, in dem mir nochmals dringend geraten wurde meiner Mutter die PEG-Sonde legen zu lassen, da die ausgeprägten Schluckstörungen in Kürze dazu führen würden, dass meine Mutter verdurstet. Vor Ort könne nur über eine PEG die Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr dauerhaft sichergestellt werden, andernfalls wäre immer sofort eine Krankenhauseinweisung erforderlich. Die nächsten Tage wurde ich täglich durch den Neurologen und das Pflegeheim bedrängt meiner Mutter eine PEG-Sonde legen zu lassen, sie würde sonst verhungern und verdursten, Durch die Pflegeleitung und das Personal wurde behauptet, wörtlich; "Ihre Mutter schaut uns verzweifelt an, sie will essen, kann aber nicht schlucken". All dies, konnte ich und auch meine Schwestern nicht nachvollziehen, da unsere Mutter bei unseren Besuchen nach dem Krankenhausaufenthalt immer gegessen hat und bei gemeinsamen Besuchen in einem Kaffee immer Kaffee getrunken und Kuchen gegessen hat. Auch einen verzweifelten Blick konnten wir nie erkennen, sondern nur, dass ihr Wortschatz zurückgegangen war auf einige wenige Worte. Weiter wurde behauptet, dass unsere Mutter drastisch abgenommen hätte, von 61 auf 53 kg. Dazu ist zu sagen, dass ein Gewicht von 53 kg bei einer Größe von 1,44 m durchaus normal ist. Unsere Mutter hat immer zwischen 51 - 53 kg gewogen. Im Pflegeheim hatte sie zugenommen - wie ich inzwischen weiß, sind Heißhunger-Attacken bei Alzheimer-Patienten durchaus üblich und gehören zum Krankheitsverlauf. Als sie 61 kg erreicht hatte, hat man sie auf Diät gesetzt. Der Gewichtsverlust ist also keineswegs darauf zurückzuführen, dass sie Essen und Trinken verweigerte. Ich frage mich, wie verantwortungslos bzw. gleichgültig müssen die hier handelnden Personen sein, die ohne Not meiner Mutter eine PEG verpassen wollten und ihr lebenswerte Wochen, Monate und vielleicht Jahre gestohlen hätten. Am Donnerstag, 7. Juli 2005, fuhr ich zum Amtsgericht, um mir bei der zuständigen Rechtspflegerin Rat zu holen, da der tägliche Druck durch das Pflegeheim und den Neurologen immer größer wurde. Da die Rechtspflegerin nicht im Haus war, habe ich der Sachbarbeiterin kurz den Sachverhalt geschildert, die mich dann an den zuständigen Richter verwies. Der Richter informierte mich, dass der Neurologe an diesem Tag schon morgens angerufen habe ihm aber noch nichts schriftlich vorliegt. Ich hatte den Eindruck, dass der Richter meiner Darstellung der Sachlage bezüglich des Gesundheitszustandes keinen Glauben schenkte, sondern den Ausführungen des Arztes, die sehr dramatisch gewesen sein müssen, glaubte. Jetzt war mir klar, hier besteht dringend Handlungsbedarf bevor Richter und Neurologe handeln! Am gleichen Nachmittag habe ich zusammen mit meiner Schwester nach einem neuen Pflegeheim gesucht, da mir klar war, dass hier Arzt und Richter über unsere Köpfe hinweg über meine Mutter zu ihrem Nachteil bestimmen. Wehe wenn sich die Organe der Bürokratie bewegen. Am Freitag, 8Juli 2005, habe ich meine Mutter aus dem Pflegeheim abgeholt - nachdem sie in meinem Beisein dort zu Mittag gegessen hat und ich mich davon überzeugen konnte, dass sie in einem guten Gesundheits- und Ernährungszustand ist und sie in das …. gebracht. Hier hatte man uns die Aufnahme zugesagt, da man unsere Situation als Notlage ansah. Eine Kopie meines Kündigungsschreibens an das Pflegeheim mit der Darlegung unserer Gründe habe ich unterwegs noch beim Amtsgericht abgegeben. Zufällig war an diesem Freitagmittag der Richter noch im Haus. Er informierte mich, dass bereits für Montag ein Ortstermin im bisherigen Pflegeheim anberaumt war. Ich habe ihm mitgeteilt, dass der Termin nicht stattfinden kann, da meine Mutter schon unterwegs war in das Altenpflegeheim in …. Als wir am Freitagabend in … im neuen Pflegeheim ankamen, war man dort schon in heller Aufregung, weil der Richter dort bereits angerufen hatte, während wir noch auf der Fahrt waren. Nach seiner Darstellung muß es sich so angehört haben, als ob wir unsere Mutter "halbtot" von einem Pflegeheim ins andere fahren. Nachdem man aber jetzt sah, dass unsere Mutter mit unserer Unterstützung laufenkonnte und auch an diesem Abend selbständig dort noch gegessen hat, war man wieder beruhigt. Nach Darstellung des Neurologen war meine Mutter nicht transportfähig. Am gleichen Tag hat der Richter noch einen Beschluß ausgefertigt und eine Rechtsanwältin zur Verfahrenpflegerin bestellt mit dem Aufgabenkreis: "Genehmigung einer ärztlichen Maßnahme". Hier wollte die Bürokratie (das System) auf dem Amtswege meiner Mutter noch schnell die PEG-Sonde verpassen. Nur aufgrund meiner schnellen Reaktion konnte das verhindert werden. Am Montagvormittag erschien dann gleich ein Richter vom Amtsgericht in … im Pflegeheim um unsere Mutter zu begutachten. Als er die Wohnküche betrat, hat er sich die augenscheinlich gesundheitlich am schlechteste Bewohnerin ausgesucht, ging auf diese zu mit der Frage: wer ist denn hier Frau F. Dies war aber nicht meine Mutter, sie saß am Tisch und hat gerade selbständig gegessen. Wir haben uns für das … Haus …in … entschieden, da man hier auf ein neues Konzept der Pflege setzt. Gemeinsam mit dem Betreuer bereitet jede Wohngruppe für sich (10-12 Bewohner) in einer Wohnküche das Essen zu (Lieblingsgerichte), das gemeinsam mit dem Betreuer und auch Angehörigen eingenommen wird. Es ist auch möglich, dass Angehörige in der Wohnküche mit dem Bewohner z. B. zum Geburtstag einen Kuchen backen; man setzt auf eine familiäre Betreuungsstruktur. Vom Esstisch geht der Blick auf eine Terrasse vor der Wohnküche mit Blumen und einem Gehege mit einem Hasen und einem Meerschweinchen zum Streicheln. Die Bewohner lässt man auch ausschlafen und sogenannte "Nachtgeister", die abends noch nicht schlafen können, versammeln sich im "Nachtcafe", wo der Abend mit Betreuern beim Fernsehen, Singen oder bei Spielen verbracht wird. Weiterhin war ausschlaggebend, dass eine Schwester von mir in Augsburg in der Nähe des Pflegeheimes wohnt, sie ist beruflich als Krankenschwester tätig und kann sich um unsere Mutter kümmern. Wir können bis heute nicht nachvollziehen, warum der Neurologe und die Pflegeleitung des "alten Pflegeheims" uns so bedrängt haben unserer Mutter eine PEG-Sonde legen zu lassen. Im Nachhinein sind wir froh, nachdem wir viele Hürden überwunden haben, dass unsere Mutter in diesem "besonderen" Pflegeheim in … untergebracht ist. Inzwischen wurde meine Mutter erneut von einem Arzt begutachtet und untersucht; von einer PEG-Sonde wird nicht mehr geredet. Es ist für uns ein kleines Wunder, wie sich auch ihre geistigen Fähigkeiten jeden Tag bessern, sie am Leben wieder mehr teilnimmt und wir über so manchen Satz von ihr erstaunt sind. Der Blasenkatheder wurde inzwischen auch entfernt, da meine Mutter sich äußert, wenn sie zur Toilette muss. Dies alles zeigt uns, dass unsere Entscheidung die richtige war, da sich das Wohlbefinden und die Lebensqualität unserer Mutter deutlich gebessert haben. Abschließend komme ich zu der Überzeugung "wehe all den alten Menschen, die niemanden haben, der für sie kämpft, in die Fänge der Bürokratie (des Systems) geraten in einem normalen Pflegeheim untergebracht sind und "versorgt" werden." Ein System, das solche Fälle gebärt ist falsch und muss dringend geändert werden. Morgen oder übermorgen bist Du, Du oder ich
dran, wenn das System nicht geändert wird. |