Rechtliche und strukturelle Weiterentwicklung der Rehabilitation -
Positionen der gesetzlichen Rentenversicherung
Der Fachausschuß für Rehabilitation beim Verband Deutscher
Rentenversicherungsträger (VDR) hat im Oktober 1999 Positionen der Gesetzlichen
Rentenversicherung und Empfehlungen an die Politik zur rechtlichen und strukturellen
Weiterentwicklung der Rehabilitation beschlossen (Quelle: Info der
Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation - BAR -, 5/1999).
Hoher Standard der Rehabilitation
Die Rentenversicherungsträger betonen in dem Positionspapier, daß das
Rehabilitationssystem in Deutschland mit seinem differenzierten, auf vielfältige
Problemlagen ausgerichteten Leistungsangebot auch im internationalen Vergleich einen hohen
Standard erreicht habe. Wesentliche Merkmale lägen in dem Gestaltungs- und
Sicherstellungsauftrag der Selbstverwaltung der Rehabilitationsträger sowie in der
systematischen Einordnung der Rehabilitation in die Gesamtstruktur des gegliederten
Systems der sozialen Sicherung. Die daraus resultierende Arbeitsteilung und
Spezialisierung der Rehabilitationsträger und -einrichtungen stelle eine besondere
Stärke des gegliederten Systems dar. Die Gliederung nach Risokobereichen, nach dem jeder
Leistungsträger das Risiko des Scheiterns von Rehabilitationsmaßnahmen trägt, habe eine
hohe Rationalität und sys-temsteuernde Funktion. Sie sei mittlerweile auch von der
Gesundheitsökonomie anerkannt und zur konsequenten Umsetzung gerade auch in Zeiten
knapper öffentlicher Ressourcen empfohlen worden.
Konzepte der Rehabilitation sind effektiv
Chronische Krankheiten verursachten den weitaus größten Teil der stetig wachsenden
Krankheitskosten und in noch höherem Maße der volkswirtschaftlichen Folgekosten. Die
Konzepte der medizinischen und beruflichen Rehabilitation stellten die richtige Antwort
dar, um dieser Entwicklung zu begegnen. Rehabilitation sei effektiv und kostensparend und
häufig die kostengünstigere Alternative. Sowohl die Wirksamkeit als auch die Effizienz
wurden in zahlreichen rehabilitationswissenschaftlichen Studien nachgewiesen.
Kontinuierliche Weiterentwicklung
Trotz der Leistungsfähigkeit und Professionalisierung bedürfe das Rehabilitationssystem
der kontinuierlichen Weiterentwicklung und Optimierung auf unterschiedlichen Ebenen. Im
Mittelpunkt stehe dabei mittlerweile die Verzahnung sowohl innerhalb der Rehabilitation
als auch mit anderen Versorgungsbereichen sowie die Schaffung eines prozeßorientierten
Rehabilitations- und Eingliederungsmanagements. Für die Rentenversicherung stünde ferner
die rechtzeitige Einleitung von Rehabilitationsmaßnahmen über den niedergelassenen Arzt
und den Betriebsarzt, die weitere Vernetzung der medizinischen und beruflichen
Rehabilitation sowie der Ausbau der Nachsorge zur Sicherung des Rehabilitationserfolges im
Vordergrund.
Rehabilitations- und Behindertenrecht
Die gesetzliche Rentenversicherung unterstützt die Absicht, das gesamte
Rehabilitationsrecht in einem Sozialgesetzbuch zusammenzufassen. Allerdings sollte dabei
aus grundsätzlichen Erwägungen das Leistungsrecht für den einzelnen
Rehabilitationsträger in den Spezialgesetzen bestehen bleiben, um damit den engen
Zusammenhang zu den jeweiligen Hauptaufgaben eines Trägers weiterhin deutlich zu machen.
Bei der Einordnung des Schwerbehindertenrechtes sei allerdings zu berücksichtigen, daß
das Schwerbehindertenrecht einen Bereich mit gesonderten Zielen darstelle und eigentlich
kein typisches Leistungsrecht sei (z. B. Beschäftigungsquote, Ausgleichsabgabe,
betriebliche Interessenvertretung). Das Schwerbehindertenrecht solle deshalb als
geschlossenes Ganzes übernommen werden. Gleichzeitig müsse klargestellt werden, daß
nicht der eine Rechtsbereich ein Teil des jeweils anderen sei.
Einbeziehung der Sozialhilfe
Die Rentenversicherung befürwortet auch grundsätzlich die Einbeziehung der Sozialhilfe
in das gegliederte Leistungssystem, da dies eine Strukturverbesserung des
Rehabilitationssystems bedeute. Allerdings müßten die im Recht der Sozialhilfe geltenden
Prinzipien der Subsidiarität und Bedürftigkeit in Bezug auf die geltenden Regelungen zur
Vorleistung und Erstattung bei Unzuständigkeit angepasst werden.
Anforderungen an ambulante/ teilstationäre Rehabilitation
Die gesetzliche Rentenversicherung habe ihre Bemühungen, das stationäre
Rehabilitationssystem gezielt durch ambulante/ teilstationäre Leistungen zur
medizinischen Rehabilitation zu erweitern bzw. zu ergänzen, im Rahmen von Modellvorhaben
intensiviert. Dabei gehe sie von bestimmten Anforderungen aus:
- Ambulante/teilstationäre Angebotsstruk-turen müssen ganzheitlich und
interdisziplinäre Leistungsformen (keine rehabilitativen Einzelleistungen) sein,
- die Angebote müssen den spezifischen Auftrag der Rentenversicherung
(berufliche Rehabilitation) berücksichtigen,
- bestehende stationäre Einrichtungen sollten sich an der ambulanten/
teilstationären Rehabilitation beteiligen und ihr Know-how zur Verfügung stellen,
- eine Beteiligung der niedergelassenen Ärzte sei nur möglich, soweit
die bisher entwickelten Grundsätze der Rehabilitation in einem angemessenen
organisatorischen und personellen Rahmen umsetzbar seien,
- aus wirtschaftlichen Gründen werde der Ausbau der
ambulanten/teilstationären Rehabilitation ihren Schwerpunkt vor allem in Ballungsgebieten
haben müssen,
- berücksichtigt werden müßten die Ergebnisse der wissenschaftlichen
Begleituntersuchungen von Modellvorhaben. Dabei spiele neben den Kosten auch die Akzeptanz
der Versicherten eine Rolle.
Grundsatz "ambulant vor stationär"
Nach den bisher vorliegenden Erkenntnisse sei der Grundsatz "ambulant vor
stationär" nicht ohne weiteres umsetzbar (unterschiedliche regionale Angebote,
notwendige Differenzierung der Schweregrade, Akzeptanz der Versicherten) und sei zudem
nicht immer die kostengünstigere Alternative. Über die Form der Rehabilitation müsse
daher in Abhängigkeit von dem individuellen Rehabilitationsbedarf und dem angestrebten
Rehabilitationsziel im Einzelfall entschieden werden.
Zusätzliche gesetzliche Regelungen hinsichtlich der ambulanten/teilstationären
Rehabilitation seien aus Sicht der Rentenversicherung nicht erforderlich, da z. B. auf der
Ebene der BAR trägerübergreifende Rahmenkonzepte für diesen Bereich erarbeitet wurden.
Weitere Themenbereiche
Das Positionspapier der gesetzlichen Rentenversicherung beinhaltet Aussagen zu den
folgenden weiteren Themenbereichen:
- Krankenbehandlung, Vorsorge und Rehabilitation,
- Bedarfsgerechte Sicherstellung von Rehabilitationsleistungen,
- Rechtzeitige Einleitung der Rehabilitation,
- Frührehabilitation im Krankenhaus,
- Vorleistungen in der medizinischen Rehabilitation,
- Zeitliche Flexibilisierung von Rehabilitationsleistungen,
- Berufliche Rehabilitation,
- Rehabilitationsmanagement und Verzahnung,
- Trägerübergreifende Reha-Beratung,
- Trägerübergreifende Kooperation auf Bundesebene,
- Qualitätssicherung in der Rehabilitation und Forschungsförderung.
Weitere Informationen: Dr. Ferdinand Schliehe, Verband Deutscher
Rentenversicherungsträger, Rehabilitationswissenschaftliche Abteilung, Eysseneckstraße
55, 60322 Frankfurt/Main, Tel: 069/1522-344, Fax: 069/1522-259.
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