Zur Sterbehilfe sind jetzt zwei gerichtliche Entscheidungen bekanntgeworden, die erneut besondere Aufmerksamkeit verdienen
Das Amtsgericht Ingolstadt hat in einem Beschluß vom 24.9.1998 - XVII
538/98 - die Entscheidung einer Betreuerin nach § 1904 BGB genehmigt, das Legen einer PEG
bei einem Pflegebedürftigen nicht zuzustimmen. Der Beschluß ist aber nicht
rechtskräftig, weil die Verfahrenspflegerin Rechtsmittel eingelegt hat.
In einem Beschwerdeverfahren hat das LG München I mit Beschluß vom
18.2.1999 - 13 T 478/99 - die Auffassung vertreten, der beabsichtigte Abbruch der
Ernährung bei einem Pflegebedürftigen mit dem Ziele des Todes sei von dem Aufgabenkreis
eines Betreuers "Gesundheitsfürsorge" nicht erfaßt. Die Entscheidung sterben
zu wollen, könne einem Betreuer überhaupt nicht übertragen werden.
Ich hatte bereits in meiner Buchveröffentlichung "Sterbebegleitung
und Sterbehilfe ..." (siehe Publikationen) die Auffassung vertreten, daß eine
analoge Anwendung des § 1904 BGB auf Maßnahmen, die auf den Tod eines
Betreuungsbedürftigen abzielen, rechtlich höchst problematisch ist. Meine
diesbezüglichen Hinweise (von September 1998) sind unverändert gültig; sie lauten:
Die richterliche Genehmigung eines Behandlungsabbruches wird durch das Oberlandesgerichts
Frankfurt am Main durch Analogie, d.h. Auslegung des § 1904 BGB, gerechtfertigt; es
mangelt an einer exakt solche Maßnahmen regelnden Vorschrift. Es darf gefragt werden, ob
die richterliche Auslegung zum § 1904 BGB, die nicht das Leben bewahrt, sondern
ausdrücklich und gewollt zum Tode des Betroffenen führt, überhaupt verfassungsrechtlich
vertretbar ist. Es kann durchaus als problematisch angesehen werden, wenn sich die
Gerichte im Wege der "Rechtsfortbildung" ihre eigenen Kompetenzen im
Grenzbereich von Leben und Sterben erweitern. Rechtstheoretisch vorstellbar - und
vielleicht sogar begrüßenswert - ist eine gesetzliche Regelung, mit der ausdrücklich
unter Beschreibung der dafür unabdingbaren engen Voraussetzungen die Genehmigung von
Behandlungsabbrüchen zugelassen wird. Auch der "Vormundschaftsgerichtstag e.V."
hat in diesem Sinne votiert und in einer Presseerklärung vom 27.7.1998 ausgeführt, daß
ein Eingriff in die Grundrechte nur auf der Grundlage eines Gesetzes möglich sei. Ohne
gesetzliche Regelungen seien Vormundschaftsrichter nicht berechtigt, über Leben oder Tod
zu entscheiden. Im "Rechtsdienst der Lebenshilfe" Nr. 3 von September 1998
heißt es in einer kritischen Anmerkung zu dem Beschluß des Oberlandesgerichts Frankfurt
am Main u.a.: "Wenn der Gesetzgeber den Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen bei
Komapatienten zulassen will, dann muß er hierfür eine klare gesetzliche Regelung
treffen."
Werner Schell
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