Die Bundesärztekammer hat ihre "Grundsätze zur ärztlichen
Sterbebegleitung" verabschiedet
Nach einer breiten öffentlichen Diskussion hat der Vorstand der
Bundesärztekammer (BÄK) am 11.9.1998 die "Grundsätze zur ärztlichen
Sterbebegleitung" verabschiedet-1-. Strikte Ablehnung der
Sterbehilfe sowie Stärkung des Patientenwillens sind die Essentials dieser
überarbeiteten Fassung. Darüber hinaus geben die Grundsätze Hinweise für den Umgang
mit Sterbenden und mit anderen von schwerster Krankheit betroffenen Patienten. Die
Grundsätze haben Bedeutung für das Handeln des Arztes und werden die Bewertung dieses
Handelns durch Juristen beeinflussen. Dem Patienten können die Grundsätze zur
Orientierung bei der Frage dienen, ob und wie sie ihren Willen für die von den
Grundsätzen aufgestellten Lebenssituationen einbringen möchten.
Ausgelöst durch Entwicklungen im europäischen Ausland und durch das sog.
Kemptener Urteil - Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 13.9.1994 - 1 StR 357/94
- hatte sich die BÄK veranlaßt gesehen, die Diskussion zu der zuletzt im Jahr 1993
verabschiedeten Richtlinie zur ärztlichen Sterbebegleitung erneut aufzunehmen. Ein
Entwurf der überarbeiteten Richtlinie wurde bereits am 16.5.1997 im Deutschen Ärzteblatt
als Diskussionsgrundlage veröffentlicht. In zahlreichen Pressekonferenzen,
Presseseminaren, Interviews und Diskussionen wurden Ergänzungsvorschläge und Kritiken
von engagierten Verbänden, Organisationen und Einzelpersonen detailliert erörtert und,
soweit möglich, in den Entwurf eingearbeitet. Im Januar 1998 schließlich fand zu dem
Thema "Ärztliche Sterbebegleitung" ein öffentliches Symposium statt, in dem
alle Interessierten erneut Gelegenheit hatten, zu der Problematik eingehend Stellung zu
nehmen. Die breite öffentliche Diskussion hat gezeigt, daß vor allem Kapitel II -
"Verzicht auf unzumutbare Behandlung" - zu Mißverständnissen geführt hatte,
so daß speziell auch dieses Kapitel nochmals überarbeitet wurde. Ebenfalls intensiv
diskutiert wurde die Stellung der Patientenverfügung, um dem Selbstbestimmungsrecht des
Patienten auch in der Endphase des Lebens gerecht zu werden. Die Diskussion insbesondere
zu dem letzten Punkt ist aus Sicht der Ärzteschaft allerdings noch nicht abgeschlossen,
sondern wird nicht zuletzt im Lichte der Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG)
Frankfurt am Main vom 15.7.1998 - Az: 20 W 224/98 - fortzusetzen sein.
Die Grundsätze der BÄK zur ärztlichen Sterbebegleitung umfassen
folgende Kapitel: Präambel; I. Ärztliche Pflichten bei Sterbenden; II. Verhalten bei
Patienten mit infauster Prognose; III. Behandlung bei sonstiger lebensbedrohender
Schädigung; IV. Ermittlung des Patientenwillens; V. Patientenverfügungen,
Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen.
Sterbebegleitung, jedoch keine Sterbehilfe
In den Grundsätzen wird an der klaren Position der deutschen Ärzteschaft festgehalten
und Sterbehilfe strikt abgelehnt, auch und gerade im Bewußtsein der sich schnell
entwickelnden Medizintechnik. Die Ärzte fühlen sich an die Verpflichtung, Leben zu
erhalten, weiterhin gebunden, weil der Tod ein irreversibler Zustand ist. In den
Grundsätzen wird klargestellt, daß es trotz der Pflicht des Arztes zur Lebenserhaltung
Situationen geben kann, in denen Maßnahmen zur Lebensverlängerung nicht mehr angebracht
sind. Auch in solchen Fällen darf es keinen Behandlungsabbruch geben, sondern dann ist
eine Änderung des Behandlungszieles in Richtung palliativ-medizinischer Maßnahmen
vorzunehmen.
Bekenntnis zur Behandlungsverpflichtung/unverzichtbare Basisbetreuung
Ausdrücklich schreiben die Grundsätze für alle Patienten einschließlich derer mit
lebensbedrohender Schädigung ein Recht auf Behandlung, Pflege und Zuwendung fest,
inbegriffen eine ggf. künstliche Ernährung. Dies gilt selbstverständlich auch für sog.
Wach-Koma-Patienten, die damit unter besonderen Schutz gestellt werden. Die Basisbetreuung
billigt jedem Patienten unabhängig von der Phase des Sterbeprozesses menschenwürdige
Unterbringung, Zuwendung, Körperpflege, Lindern von Schmerzen, Atemnot und Übelkeit
sowie das Stillen von Hunger und Durst zu. Wohlwissend, daß es sich bei Hunger und Durst
um subjektive Empfindungen handelt, deren allmähliches Nachlassen bekannt ist,
verzichtete man an dieser Stelle bewußt auf den Begriff Ernährung. Die Verpflichtung zur
"Ernährung" in jedem Falle würde bedeuten, daß niemand mehr Zuhause, sondern
nur noch auf der Intensivstation sterben könnte.
Betonung des Selbstbestimmungsrechts
Ebenfalls neu ist in den Grundsätzen die Betonung des Selbstbestimmungsrechtes des
Patienten, so bei der "wahrheitsgemäßen" Unterrichtung des Patienten über
seinen Zustand und vor allem durch die Berücksichtigung des Patientenwillens als
entscheidend für den Übergang von lebensverlängernden zu palliativ-medizinischen
Maßnahmen. Eine wichtige Rolle bei der Willensbestimmung eines aktuell nicht mehr
zustimmungsfähigen Patienten spielen Patientenverfügungen, Betreuungsverfügungen und
Vorsorgevollmachten, die stärker als zuvor berücksichtigt werden. In der
Patientenverfügung erklärt der Patient zumeist, daß er in bestimmten, näher umrissenen
Krankheitssituationen nicht das Maximum an medizinisch-technischen Maßnahmen wünscht,
wenn damit letztlich nur sein ohnehin zu Ende gehendes Leben künstlich verlängert wird.
Natürlich sind auch Erklärungen mit dem Wunsch nach Maximalbehandlung möglich. Bei
aktuell nicht mehr einwilligungsfähigen Patienten, die auch früher keine schriftliche
Willenserklärung abgegeben haben, liegt die Entscheidung darüber, ob lebensverlängernde
Maßnahmen begrenzt werden dürfen, beim Vormundschaftsgericht. Dies wird durch die
derzeitige Rechtsprechung bestätigt, wie der Beschluß des OLG Frankfurt am Main vom Juli
1998 zeigt (Quelle: BÄK Köln vom 11.9.1998).
Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung
Inhalt:
Präambel
I. Ärztliche Pflichten bei Sterbenden
II. Verhalten bei Patienten mit infauster Prognose
III. Behandlung bei sonstiger lebensbedrohender Schädigung
IV. Ermittlung des Patientenwillens
V. Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten und Betreuungs- verfügungen
Präambel
Aufgabe des Arztes ist es, unter Beachtung des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten
Leben zu erhalten, Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern
und Sterbenden bis zum Tod beizustehen.
Die ärztliche Verpflichtung zur Lebenserhaltung besteht jedoch nicht unter allen
Umständen. Es gibt Situationen, in denen sonst angemessene Diagnostik und
Therapieverfahren nicht mehr indiziert sind, sondern Begrenzung geboten sein kann. Dann
tritt palliativ-medizinische Versorgung in den Vordergrund. Die Entscheidung hierzu darf
nicht von wirtschaftlichen Erwägungen abhängig gemacht werden.
Unabhängig von dem Ziel der medizinischen Behandlung hat der Arzt in jedem Fall für eine
Basisbetreuung zu sorgen. Dazu gehören u.a.: Menschenwürdige Unterbringung, Zuwendung,
Körperpflege, Lindern von Schmerzen, Atemnot und Übelkeit sowie Stillen von Hunger und
Durst.
Art und Ausmaß einer Behandlung sind vom Arzt zu verantworten. Er muß dabei den Willen
des Patienten beachten. Bei seiner Entscheidungsfindung soll der Arzt mit ärztlichen und
pflegenden Mitarbeitern einen Konsens suchen.
Aktive Sterbehilfe ist unzulässig und mit Strafe bedroht, auch dann, wenn sie auf
Verlangen des Patienten geschieht. Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung
widerspricht dem ärztlichen Ethos und kann strafbar sein.
Diese Grundsätze können dem Arzt die eigene Verantwortung in der konkreten Situation
nicht abnehmen.
I. Ärztliche Pflichten bei Sterbenden
Der Arzt ist verpflichtet, Sterbenden, d.h. Kranken oder Verletzten mit irreversiblem
Versagen einer oder mehrerer vitaler Funktionen, bei denen der Eintritt des Todes in
kurzer Zeit zu erwarten ist, so zu helfen, daß sie in Würde zu sterben vermögen.
Die Hilfe besteht neben palliativer Behandlung in Beistand und Sorge für Basisbetreuung.
Maßnahmen zur Verlängerung des Lebens dürfen in Übereinstimmung mit dem Willen des
Patienten unterlassen oder nicht weitergeführt werden, wenn diese nur den Todeseintritt
verzögern und die Krankheit in ihrem Verlauf nicht mehr aufgehalten werden kann. Bei
Sterbenden kann die Linderung des Leidens so im Vordergrund stehen, daß eine
möglicherweise unvermeidbare Lebensverkürzung hingenommen werden darf. Eine gezielte
Lebensverkürzung durch Maßnahmen, die den Tod herbeiführen oder das Sterben
beschleunigen sollen, ist unzulässig und mit Strafe bedroht.
Die Unterrichtung des Sterbenden über seinen Zustand und mögliche Maßnahmen muß
wahrheitsgemäß sein, sie soll sich aber an der Situation des Sterbenden orientieren und
vorhandenen Ängsten Rechnung tragen. Der Arzt kann auch Angehörige oder nahestehende
Personen informieren, es sei denn, der Wille des Patienten steht dagegen. Das Gespräch
mit ihnen gehört zu seinen Aufgaben.
II. Verhalten bei Patienten mit infauster Prognose
Bei Patienten mit infauster Prognose, die sich noch nicht im Sterben befinden, kommt eine
Änderung des Behandlungszieles nur dann in Betracht, wenn die Krankheit weit
fortgeschritten ist und eine lebenserhaltende Behandlung nur Leiden verlängert. An die
Stelle von Lebensverlängerung und Lebenserhaltung treten dann palliativ-medizinische und
pflegerische Maßnahmen. Die Entscheidung über Änderung des Therapieziels muß dem
Willen des Patienten entsprechen.
Bei Neugeborenen mit schwersten Fehlbildungen oder schweren Stoffwechselstörungen, bei
denen keine Aussicht auf Heilung oder Besserung besteht, kann nach hinreichender
Diagnostik und im Einvernehmen mit den Eltern eine lebenserhaltende Behandlung, die
ausgefallene oder ungenügende Vitalfunktion ersetzt, unterlassen oder nicht
weitergeführt werden. Gleiches gilt für extrem unreife Kinder, deren unausweichliches
Sterben abzusehen ist und für Neugeborene, die schwerste Zerstörungen des Gehirns
erlitten haben. Eine weniger schwere Schädigung ist kein Grund zur Vorenthaltung oder zum
Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen, auch dann nicht, wenn Eltern dies fordern. Ein
offensichtlicher Sterbevorgang soll nicht durch lebenserhaltende Therapie künstlich in
die Länge gezogen werden.
Alle diesbezüglichen Entscheidungen müssen individuell erarbeitet werden. Wie bei
Erwachsenen gibt es keine Ausnahmen von der Pflicht zu leidensmindernder Behandlung, auch
nicht bei unreifen Frühgeborenen.
III. Behandlung bei sonstiger lebensbedrohender Schädigung
Patienten mit einer lebensbedrohenden Krankheit, an der sie trotz generell schlechter
Prognose nicht zwangsläufig in absehbarer Zeit sterben, haben, wie alle Patienten, ein
Recht auf Behandlung, Pflege und Zuwendung. Lebenserhaltende Therapie einschließlich -
ggf. künstlicher - Ernährung ist daher geboten. Dieses gilt auch für Patienten mit
schwersten cerebralen Schädigungen und anhaltender Bewußtlosigkeit (apallisches Syndrom,
"sog. Wachkoma").
Bei fortgeschrittener Krankheit kann aber auch bei diesen Patienten eine Änderung des
Therapiezieles und die Unterlassung lebenserhaltender Maßnahmen in Betracht kommen. So
kann der unwiderrufliche Ausfall weiterer vitaler Organfunktionen die Entscheidung
rechtfertigen, auf den Einsatz substituierender technischer Hilfsmittel zu verzichten. Die
Dauer der Bewußtlosigkeit darf dabei nicht alleiniges Kriterium sein.
Alle Entscheidungen müssen dem Willen des Patienten entsprechen. Bei bewußtlosen
Patienten wird i.d.R. zur Ermittlung des mutmaßlichen Willens die Bestellung eines
Betreuers erforderlich sein.
IV. Ermittlung des Patientenwillens
Bei einwilligungsfähigen Patienten hat der Arzt den aktuell geäußerten Willen des
angemessen aufgeklärten Patienten zu beachten, selbst wenn sich dieser Wille nicht mit
den aus ärztlicher Sicht gebotenen Diagnose- und Therapiemaßnahmen deckt. Das gilt auch
für die Beendigung schon eingeleiteter lebenserhaltender Maßnahmen. Der Arzt soll
Kranken, die eine notwendige Behandlung ablehnen, helfen, die Entscheidung zu überdenken.
Bei einwilligungsunfähigen Patienten ist die Erklärung des gesetzlichen Vertreters, z.B.
der Eltern oder des Betreuers, oder des Bevollmächtigten maßgeblich. Diese sind
gehalten, zum Wohl des Patienten zu entscheiden. Bei Verdacht auf Mißbrauch oder
offensichtlicher Fehlentscheidung soll sich der Arzt an das Vormundschaftsgericht wenden.
Liegen weder vom Patienten noch von einem gesetzlichen Vertreter oder einem
Bevollmächtigten Erklärungen vor oder können diese nicht rechtzeitig eingeholt werden,
so hat der Arzt so zu handeln, wie es dem mutmaßlichen Willen des Patienten in der
konkreten Situation entspricht. Der Arzt hat den mutmaßlichen Willen aus den
Gesamtumständen zu ermitteln. Eine besondere Bedeutung kommt hierbei einer früheren
Erklärung des Patienten zu. Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen des Patienten
können seine Lebenseinstellung, seine religiöse Überzeugung, seine Haltung zu Schmerzen
und zu schweren Schäden in der ihm verbleibenden Lebenszeit sein. In die Ermittlung des
mutmaßlichen Willens sollen auch Angehörige oder nahestehende Personen einbezogen
werden.
Läßt sich der mutmaßliche Wille des Patienten nicht anhand der genannten Kriterien
ermitteln, so handelt der Arzt im Interesse des Patienten, wenn er die ärztlich
indizierten Maßnahmen trifft.
V. Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen
Patientenverfügungen, auch Patiententestamente genannt, Vorsorgevollmachten und
Betreuungsverfügungen sind eine wesentliche Hilfe für das Handeln des Arztes.
Patientenverfügungen sind verbindlich, sofern sie sich auf die konkrete
Behandlungssituation beziehen und keine Umstände erkennbar sind, daß der Patient sie
nicht mehr gelten lassen würde. Es muß stets geprüft werden, ob die Verfügung, die
eine Behandlungsbegrenzung erwägen läßt, auch für die aktuelle Situation gelten soll.
Bei der Entscheidungsfindung sollte der Arzt daran denken, daß solche Willensäußerungen
meist in gesunden Tagen verfaßt wurden und daß Hoffnung oftmals in ausweglos
erscheinenden Lagen wächst. Bei der Abwägung der Verbindlichkeit kommt der
Ernsthaftigkeit eine wesentliche Rolle zu. Der Zeitpunkt der Aufstellung hat
untergeordnete Bedeutung.
Anders als ein Testament bedürfen Patientenverfügungen keiner Form, sollten aber i.d.R.
schriftlich abgefaßt sein.
Im Wege der Vorsorgevollmacht kann ein Bevollmächtigter auch für die Einwilligung in
ärztliche Maßnahmen, deren Unterlassung oder Beendigung bestellt werden. Bei Behandlung
mit hohem Risiko für Leben und Gesundheit bedarf diese Einwilligung der Schriftform (§
1904 BGB) und muß sich ausdrücklich auf eine solche Behandlung beziehen. Die
Einwilligung des Betreuers oder Bevollmächtigten in eine "das Leben gefährdende
Behandlung" bedarf der Zustimmung des Vormundschaftsgerichts (§ 1904 BGB). Nach der
Rechtsprechung (OLG Frankfurt am Main vom 15.7.1998 - Az: 20 W 224/98 -) ist davon
auszugehen, daß dieses auch für die Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen im Vorfeld
der Sterbephase gilt.
Betreuungsverfügungen können Empfehlungen und Wünsche zur Wahl des Betreuers und zur
Ausführung der Betreuung enthalten.
Die Verabschiedung der "Grundsätze zur ärztlichen
Sterbebegleitung" fand in der Öffentlichkeit starke Beachtung
Die Verabschiedung der von der BÄK vorgelegten "Grundsätze zur
ärztlichen Sterbebegleitung" wurde von der (Fach)Öffentlichkeit mit großem
Interesse aufgenommen: Die Grundsätze fanden nicht nur (uneingeschränkte) Zustimmung;
sie wurden auch (zum Teil) heftig kritisiert. Es kann davon ausgegangen werden, daß die
jetzt in Gang gekommene Diskussion über Fragen der Sterbebegleitung und Sterbehilfe in
der nächsten Zeit ihren Fortgang finden wird. Wahrscheinlich wird sich der Deutsche
Bundestag mit dem Thema befassen. Forderungen, die eine Einbeziehung des Parlaments in die
weiteren Erörterungen geboten halten, liegen bereits zahlreich vor.
Stellvertretend für zahlreiche kritische Stimmen zu den "Grundsätzen zur
ärztlichen Sterbebegleitung" soll hier die Stellungnahme der Deutschen Hospiz
Stiftung in Dortmund vorgestellt werden (Pressemitteilungen Nr. 20/98 vom 11.9.1998 und
Nr. 21/98 vom 14.9.1998):
Mit großem Bedauern und in tiefer Sorge um das Wohl der Patienten hat die Deutsche Hospiz
Stiftung von dem Beschluß der BÄK Kenntnis genommen, die neuen Grundsätze zur
ärztlichen Sterbebegleitung in Kraft zu setzen. Die bereits früher geäußerten
Kritikpunkte der Deutschen Hospiz Stiftung bleiben weiterhin bestehen: Die Grundsätze
greifen einem Gesetzgebungsverfahren vor. Das Parlament hatte keine Möglichkeit der
Meinungsbildung. Die BÄK greift in das Grundgesetz (GG) und die Zuständigkeit des
Parlaments ein. Nichtsterbende werden zu Sterbenden gemacht. Dies gilt besonders durch die
Aufnahme hilfloser Neugeborener und Wachkomapatienten. Diese müssen, so fordert die
Deutsche Hospiz Stiftung, unter besonderen Lebensschutz gestellt werden. Sterbende
brauchen unsere Solidarität und Gemeinschaft. Deswegen ist bedauerlich, daß sowohl die
besondere Rolle des Hausarztes als auch die der Pflegeberufe und Seelsorger nicht
angesprochen worden sind. Auch findet der in dieser existentiellen Notsituation stehende
Angehörige keine Erwähnung. Die Deutsche Hospiz Stiftung wird sich in dem anstehenden
Gesetzgebungsverfahren in der im Herbst 1998 beginnenden Legislaturperiode des Deutschen
Bundestages mit aller Kraft dafür einsetzen, daß eine tragfähige Lösung zustande
kommt, die sowohl den Lebensschutz als auch das Selbstbestimmungsrecht der Patienten
wahrt. Nach Auffassung der Deutschen Hospiz Stiftung lassen die am 11.9.1998
verabschiedeten Grundsätze bei der praktischen Umsetzung gefährliche Auslegungen zu
Lasten der Patientinnen und Patienten zu. Der Patientenschutz ist damit in gravierender
Weise verwässert und das Vertrauensverhältnis Patient/Arzt gefährdet. Die Deutsche
Hospiz Stiftung will sich daher als Anwalt für die Sterbenden für das
Selbstbestimmungsrecht, das Recht auf ein würdiges Sterben und den Schutz vor Willkür
und Kostendruck einsetzen.
Werner Schell
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