Halskrause ist bei Schleudertrauma eher schädlich
Hohe Auszeichnung für neue Diagnosemöglichkeit
Unter Federführung von Privatdozent Dr. Matthias Keidel ist in der
Neurologischen Klinik des Essener Universitätsklinikums eine computergestützte Methode
entwickelt worden, die es zum ersten Mal ermöglicht, auch außerhalb spezialisierter
Zentren das Ausmaß der Beschwerden und die Wirksamkeit einer Therapie nach einem
Schleudertrauma objektiv zu ermitteln. Für diese Arbeit wurde Keidel mit dem alle zwei
Jahre zu vergebenden europaweit ausgeschriebenen MSEEG-Preis (MSEEG = Muscle-Spasm
European Expert Group) ausgezeichnet. Zum ersten Mal ging dieser mit 70 000 FF (23 000 DM)
dotierte Preis nach Deutschland. Eine vierzehnköpfige, international besetzte Jury hatte
einstimmig für Keidel votiert (Quelle: Presseinfo der Universität Essen Nr. 194/99).
Für Patienten, die bei einem Auffahrunfall ein Schleudertrauma erleiden - schätzungsweise sind es jährlich rund 200 000 in Deutschland -, haben die
Untersuchungen in der Neurologischen Universitätsklinik unmittelbare Bedeutung. Denn um
die durch das Trauma verursachten Kopf- und Nackenschmerzen zu lindern, verordnen die
Ärzte meistens das Tragen einer Halskrause. So wird die Nackenwirbelsäule ruhiggestellt.
Wie sich mit der von den Essener Wissenschaftlern entwickelten
computergestützten Untersuchungsmethode nachweisen ließ, ist die Halskrause aber eher
schädlich als nützlich¸ sie kann, wenn sie länger getragen wird, die Dauer der
Schmerzen sogar verlängern. Nur wenn die Wirbelkörper verletzt seien und der Arzt bei
der Untersuchung massive Funktionsstörungen der Halswirbelsäule feststelle, sei die
Ruhigstellung zwingend erforderlich, berichtete Keidel über die Forschungsergebnisse
seines Teams auf einem Symposium der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft in
München. In solchen seltenen Fällen müßten die Patienten allerdings mit einem
Kopfhalteapparat versorgt werden. Dabei sitze der Kopf in einer von einem Schulterjoch
getragenen Fassung.
Bisher mußten sich Ärzte, um die Stärke und die Dauer der Kopf- und
Nackenschmerzen eines Patienten festzustellen, auf dessen subjektive Angaben verlassen und
sich darüber hinaus an ihre Diagnose im Wortsinn herantasten. Üblich ist nämlich die
von Untersucher zu Untersucher anders ausfallende Fingerpalpation (von palpare: tasten
streicheln). Jetzt gibt der im Essener Klinikum entwickelte rechnergesteuerte
"Druckalgometer" objektive Auskunft über die Intensität der Schmerzen und die
Wirksamkeit der Therapie.
Werner Schell
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