HeimbewohnerInnen haben grundsätzlich ein Recht auf freie Wahl des
Therapeuten
Diese Auffassung vertrat das Oberlandesgericht (OLG) München in einem
vielbeachteten Urteil vom 8.4.1994 - 29 U 4431/93 - und unterstrich damit das Selbstbestimmungsrecht
der HeimbewohnerInnen.
Heimträger brauchen zwar grundsätzlich keine ständige Konkurrenz in ihren Einrichtungen
zu dulden, müssen aber andererseits gewährleisten, daß den Heimbewohner(n)Innen die
freie Wahl unter den Therapeuten verbleibt. Den ausgewählten Therapeuten muß der
ungehinderte Zugang ermöglicht werden.
Zu dem Urteil des OLG München kam es, weil die Inhaberin einer krankengymnastischen
Praxis (Klägerin) gegen den Träger eines Wohnstiftes (Beklagter) u.a. mit dem
(Hilfs)Antrag klagte, in der Heimanlage physiotherapeutische Leistungen auf Wunsch von
Heimbewohnern ausführen lassen zu dürfen. Zu dem Streit kam es insbesondere deshalb,
weil der Heimträger bereits in eigener Regie physiotherapeutische Leistungen anbot und
offensichtlich "von außen" kommende Therapeuten als unwillkommene Konkurrenz
ausschließen wollte. Der Heimträger hatte einer Angestellten der Klägerin (C)
Hausverbot erteilt.
In den Entscheidungsgründen heißt es u.a. (Quelle: Z. "Altenpflege", 8/94):
...Das C. erteilte Hausverbot verstößt gegen § 1 UWG.
§ 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG):
Wer im geschäftlichen Verkehre zu Zwecken des Wettbewerbes Handlungen vornimmt, die gegen
die guten Sitten verstoßen, kann auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen
werden |
Auszugehen ist von
der Überlegung, daß es der Beklagte grundsätzlich nicht dulden muß, daß in dem von
ihm betriebenen Wohnstift, in dem nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 9 des Wohnstiftsvertrages
therapeutische Leistungen angeboten werden müssen, Konkurrenten tätig werden. Die
Klägerin oder eine ihrer Angestellten - hier C. - haben grundsätzlich keinen Anspruch
darauf, im Wohnstift des Beklagten ihrem Beruf nachgehen zu können, obwohl der Beklagte
eigene physiotherapeutische Leistungen und Einrichtungen bereithalten und die hiermit
verbundenen Kosten tragen muß. Der Beklagte ist grundsätzlich berechtigt, als
Eigentümer des Stifts ein Hausverbot auszusprechen. Dies folgt aus seiner Rechtsstellung
gemäß § 903 BGB. Aus diesem Grund kann der klägerische Hauptantrag keinen Erfolg
haben.
§ 903 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):
Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter
entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung
ausschließen. Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die
besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten. |
Anders ist die
Rechtslage jedoch zu beurteilen, wenn BewohnerInnen des Altenheims die Behandlung durch
eine bestimmte, nicht im Stift angestellte Krankengymnastin wünschen, gleichgültig, ob
es sich hierbei um die Klägerin persönlich oder deren Angestellte C. handelt. In diesem
Fall ist die Gymnastin berechtigt, die Räume des Wohnstifts zu betreten und die
Behandlung durchzuführen. Es würde eine nach § 1 UWG sittenwidrige Behinderung eines
Wettbewerbers darstellen, wenn der Beklagte unter Berufung auf seine Rechtsstellung als
Eigentümer die Klägerin oder C. an der Ausübung ihres Berufes hindern könnte, obwohl
die/der PatientIn von diesen behandelt werden will.
Nach § 903 BGB kann der Eigentümer mit seinem Eigentum nämlich nur insoweit nach
Belieben verfahren, als Rechte Dritter nicht entgegenstehen. Im vorliegenden Fall steht
einem Hausverbot das Recht der C. auf freie Berufsausübung und das Recht der Klägerin,
ihre physiotherapeutische Praxis unter Einschaltung ihrer Angestellten zu betreiben,
entgegen. Dadurch wird der Beklagte in der Ausübung seiner Rechte aus § 903 BGB
beschränkt...
Hinzu kommt, daß das Recht der HeimbewohnerInnen, selbst zu bestimmen, von wem sie
krankheitsbedingte Leistungen an sich vornehmen lassen, nicht beeinträchtigt werden darf.
Der Beklagte kann sich insoweit nicht auf § 4 Abs. 3 Satz l des Wohnstiftsvertrages
berufen, wonach die/der BewohnerIn (nur) freie Arztwahl hat. Die medizinische
Versorgung einer/eines Patientin/Patienten beruht auf einer besonderen Vertrauensbasis.
Dies bedingt, daß nicht nur die Arztwahl, sondern auch die Wahl des Physiotherapeuten
frei ist, und zwar unabhängig vom Wortlaut des Wohnstiftsvertrages. Auf die Frage, ob
der Beklagte mit Abschluß des Wohnstiftsvertrages zumindest teilweise auf die Ausübung
seines Hausrechts verzichtet hat, kommt es nicht mehr an...
Werner Schell (06/99)
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