Krankenversicherte
haben seit dem 1.1.1999 freien Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung
Nach langwierigen und kontroversen Diskussionen ist das Psychotherapeutengesetz
(PsychThG) -1- verabschiedet worden und am 1.1.1999 in Kraft
getreten. Nunmehr haben alle gesetzlich Krankenversicherten unmittelbaren Zugang zur
psychotherapeutischen Versorgung. Dies bedeutet, daß die zugelassenen nichtärztlichen
Psychotherapeuten ohne vorhergehende Konsultation eines Arztes oder Genehmigung durch die
Krankenkasse direkt in Anspruch genommen werden können. Neben der medizinischen und
pflegerischen Versorgung steht den Versicherten damit im medizinisch erforderlichen Umfang
somit auch die psychotherapeutische Versorgung unmittelbar zur Verfügung. Mit dem
PsychThG hat die Politik eine Antwort auf tiefgreifende medizinische und gesellschaftliche
Veränderungen gegeben.
Eine Approbation ist für die Psychotherapeuten Voraussetzung zur
Berufsausübung
Wer die heilkundliche Psychotherapie unter der Berufsbezeichnung "Psychologischer
Psychotherapeut" -2- oder die heilkundliche Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapie -3- unter der Berufsbezeichnung "Kinder-
und Jugendlichenpsychotherapeut"; ausüben will, bedarf nach § 1 Abs. 1 PsychThG der
Approbation als Psychologischer Psychotherapeut oder Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeut -4-. Die Führung einer entsprechenden
Berufsbezeichnung ist nur nach Approbation bzw. Erteilung einer befristeten Erlaubnis
zulässig. Die Bezeichnung "Psychotherapeut" darf von anderen Personen als
Ärzten, Psychologischen Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten
nicht geführt werden.
§ 1 Abs. 3 PsychThG definiert die Ausübung der Psychotherapie wie
folgt:
Es ist jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren
vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit
Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist. Im Rahmen einer
psychotherapeutischen Behandlung ist eine somatische Abklärung herbeizuführen. Zur
Ausübung von Psychotherapie gehören nicht psychologische Tätigkeiten, die die
Aufarbeitung und Überwindung sozialer Konflikte oder sonstige Zwecke außerhalb der
Heilkunde zum Gegenstand haben.
Eine Approbation zur Ausübung der Psychotherapie wird auf Antrag von der zuständigen
Landesbehörde erteilt, wenn der Antragsteller Deutscher ist, die vorgeschriebene
Ausbildung abgeleistet und die staatliche Prüfung bestanden hat, nicht unwürdig bzw.
unzuverlässig ist und die körperliche Eignung besitzt (§§ 2 und 3 PsychThG).
Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften regeln den Zugang zu dem neuen
selbständigen Heilberuf des Psychotherapeuten
Die Ausbildungen zum Psychologischen Psychotherapeuten sowie zum Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten dauern nach dem erfolgreich abgeschlossenen Studium der
Psychologie -5- in Vollzeitform jeweils mindestens drei Jahre, in
Teilzeitform jeweils mindestens fünf Jahre. Sie bestehen aus einer praktischen
Tätigkeit, die von theoretischer und praktischer Ausbildung begleitet wird, und
schließen mit Bestehen der staatlichen Prüfung ab (§ 5 PsychThG).
Die Ausbildungen werden an Hochschulen oder an anderen Einrichtungen vermittelt, die als
Ausbildungsstätten für Psychotherapie oder als Ausbildungsstätten für Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapie staatlich anerkannt sind. Die Anerkennung von
Ausbildungsstätten außerhalb des Hochschulbereichs ist an eine Reihe von Voraussetzungen
geknüpft (§ 6 PsychThG).
Einzelheiten des Ausbildungs- und Prüfungsverfahrens sind aufgrund
folgender nach § 8 PsychThG erlassener Rechtsverordnungen näher geregelt:
- Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Psychologische Psychotherapeuten
(PsychTh-AprV) -6- und
- Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten (KJPsychTh-AprV) -7-.
Umfangreiche Übergangsvorschriften stellen sicher, daß bereits tätige,
qualifizierte Psychotherapeuten nicht ausgegrenzt werden
Für Personen, die bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes psychotherapeutisch tätig
waren, sind Übergangsbestimmungen zur Erlangung der Approbation vorgesehen. Dazu sind
neben einem abgeschlossenen Studium der Psychologie, bei Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten auch der Pädagogik oder Sozialpädagogik, ausreichende
Zeiten beruflicher Tätigkeit sowie eine theoretische Ausbildung nachzuweisen. So wird
gewährleistet, daß sowohl die Qualitätsansprüche an die Behandlung als auch die
Interessen der bereits tätigen Psychotherapeuten berücksichtigt sind. Das Nähere regelt
§ 12 PsychThG.
Die Psychotherapeuten sind mit den Ärzten krankenversicherungsrechtlich
gleichgestellt
Die Psychotherapeuten sind nach dem PsychThG in die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV)
integriert durch Mitgliedschaft der Psychotherapeuten
in den Kassenärztlichen Vereinigungen, ▶ gemeinsame
Bedarfsplanung für Psychotherapeuten und psychotherapeutisch tätige Ärzte, ▶ paritätische Besetzung der Leistungserbringerbank des
Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen mit Psychotherapeuten und mit
psychotherapeutisch tätigen Ärzten bei der Beschlußfassung über die
Psychotherapie-Richtlinien, ▶ dieselbe Vergütung für
psychotherapeutische Leistungen der Ärzte und Psychotherapeuten -8-.
Die neugeregelte psychotherapeutische Versorgung bringt für die
Versicherten überwiegend Verbesserungen
Die Versicherten können nunmehr ohne vorhergehende Konsultation eines Arztes oder
Genehmigung durch die Krankenkasse zugelassene nichtärztliche Psychotherapeuten direkt in
Anspruch nehmen. Für die Versorgung der Versicherten steht somit neben den
psychotherapeutisch tätigen Ärzten eine große Anzahl von approbierten Psychologischen
Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, die Jugendliche bis zum
21. Lebensjahr behandeln dürfen, zur Verfügung.
Die Versicherten müssen sich nicht, wie ursprünglich vorgesehen war, bei Inanspruchnahme
eines Psychotherapeuten mit 10 DM pro Sitzung an den Kosten beteiligen -9-.
Damit ist sichergestellt, daß kein Versicherter aus finanziellen Gründen von einer
notwendigen psychotherapeutischen Behandlung ausgeschlossen wird.
Die Chancen des neuen Gesetzes für die Versicherten liegen darin, die
psychotherapeutische Behandlung im Bewußtsein aller Beteiligten der somatischen
gleichzustellen und damit aufzuwerten. -10-
Werner Schell
-1- Gesetz über die Berufe des Psychologischen
Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten
(Psychotherapeutengesetz - PsychThG) vom 16.6.1998 (BGBl. I S. 1311)
-2- Aus Vereinfachungsgründen wird nur jeweils die männliche
Bezeichnung erwähnt. Selbstverständlich stehen den Frauen im gleichen Maße
psychotherapeutische Tätigkeiten offen.
-3- Die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie erstreckt sich, von
einigen Ausnahmen abgesehen, nur auf Patienten, die das 21. Lebensjahr noch nicht
vollendet haben (§ 1 Abs. 2 PsychThG).
-4- Die vorübergehende Ausübung des Berufs ist auch aufgrund
einer befristeten Erlaubnis zulässig (§§ 1 und 4 PsychThG).
-5- Bei Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten ist alternativ
auch ein Studium der Pädagogik oder Sozialpädagogik ausreichend.
-6- vom 18.12.1998 (BGBl. I S. 3749)
-7- vom 18.12.1998 (BGBl. I S. 3761)
-8- Näheres ergibt sich u.a. aus den
"Psychotherapie-Richtlinien" in der Fassung vom 23.10.1998 , der
Psychotherapie-Vereinbarung in der Fassung vom 7.12.1998 und den dazu gegebenen
Erläuterungen (Deutsches Ärzteblatt vom 21.12.1998, C-2341 ff.).
-9- Durch das GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz - GKV-SolG vom 19.12.1998
(BGBl. I S. 3853) ist der insoweit maßgeblich gewesene § 28a Sozialgesetzbuch (SGB) V
gestrichen worden.
-10- So u.a. das Fazit von Dr. Erich Koch in einem Beitrag zum
neuen Psychotherapiegesetz in der Zeitschrift "Wege zur Sozialversicherung", Heft 11/1998, S. 321 ff.
|