Ärzteschaft entwirft fragwürdige Patientencharta
Die Bundesärztekammer hat Ende Oktober den Entwurf zu einer "Charta
der Patientenrechte" vorgelegt. Der Inhalt des Papiers hält aber nicht im
entferntesten, was der Titel verspricht. Definiert werden die Rechte auf medizinische
Versorgung, auf Qualität, auf Selbstbestimmung, auf Vorausverfügung, auf Aufklärung und
Beratung, auf Vertraulichkeit, auf freie Arztwahl, auf Dokumentation, Einsichtnahme und
auf Schadensersatz. Die einzelnen Definitionen spiegeln dabei aber nur entfernt die
aktuelle rechtliche Lage wieder.
Geradezu witzig sind aber die vorgebrachten Begründungen für die "Charta".
Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärtzekammer, erläuterte die Charta mit den
Worten: "Die Ärzte setzten sich für diese Rechte ein und sehen sich somit auch als
Interessenvertreter dieser Patienten". Hoppe übersieht dabei, daß alle genannten
Rechte in zahlreichen Gerichtsverfahren von Juristen definiert und häufig gegen die
Ärzteschaft durchgesetzt wurden. Wenn jemand die Interessen von Patienten vertritt, dann
sind es wohl eher die Juristen als die Ärzte selbst.
Die Gründe, das Papier zum jetzigen Zeitpunkt vorzulegen, sind dabei durchsichtig.
"Die geplante Gesundheitsreform 2000 gefährdet einige der Grundrechte der
Patienten", erläuterte Hoppe. Die Charta solle zeigen, daß die
GKV-Gesundheitsreform 2000, "sich gegen die Interessen der Patienten richtet".
Und auch Frank Ulrich Montgomery sieht die Patientenrechte in dieser neuartigen Dimension:
""Vor allem aber sind sie ein Schutzschild gegenüber rationierenden Eingriffen
des Staates oder der Krankenkassen".
Montgomery glaubt dabei sogar merkwürdigerweise "Wir sind die ersten, die den
Versuch unternehmen, diese Grundrechte für die Bundesrepublik zu definieren". Da es
sich ja sicher nicht um ein beabsichtigtes Verschweigen handeln kann, muß er wohl
übersehen haben, daß die Bundesländer Bremen und Hamburg auf der 70.
Gesundheitsministerkonferenz im November 1997 eine länderübergreifende Arbeitsgruppe
eingerichtet haben, mit dem Ziel eine Patientencharta vorzulegen (vgl. PFLEGE AKTUELL
7.8/99, S. 406). Ein umfangreiches Rechtsgutachten mit einem Entwurf zu einer Charta wurde
1999 im Nomos Verlag veröffentlicht (Robert Francke/Dieter Hart: Charta der
Patientenrechte. Nomos Verlag, 1999). Im Laufe der Diskussionen haben die Teilnehmer
schließlich auch den Begriff "Charta" aufgegeben, da er im legislativen
Zusammenhang als normsetzend verstanden wird, während es lediglich darum geht die
aktuelle rechtliche Situation zusammenfassend darzustellen.
Ärzte, die ihre Patienten gegen den Staat und die Krankenkassen schützen, sind wohl eher
damit beschäftigt, ihre eigenen Interessen zu schützen als sich um ihre Patienten zu
sorgen. Wer, wie Hoppe und Montgomery es getan haben, einen derart sensiblen Bereich wie
den der Patientenrechte für seine kurzfristigen politischen Zwecke instrumentalisiert,
schadet nicht allein den Patienten, die auf ihre Rechte angewiesen sind, sondern auch sich
selbst: er wird unglaubwürdig.
Quelle: Uwe Fahr in Zeitschrift "Krankenpflege aktuell", 12/99
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