www.wernerschell.de
Pflege - Patientenrecht
& Gesundheitswesen

www.wernerschell.de

Aktuelles

Forum (Beiträge ab 2021)
Archiviertes Forum

Rechtsalmanach

Pflege

Patientenrecht
Sozialmedizin - Telemedizin
Publikationen
Links
Datenschutz
Impressum

Pro Pflege-Selbsthilfenetzwerk

>> Aktivitäten im Überblick! <<

Besuchen Sie uns auf Facebook

Statement von Anne-Lore Köhne, Geschäftsführerin der AgV (Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände), anläßlich der AgV-Jahrespressekonferenz am 29. Juni 1999

Aufbau eines bundesweiten Netzwerks zur unabhängigen Patientenunterstützung

Versicherte und Patienten sind Zentrum und Ziel des Gesundheitswesens - für sie wird es organisiert, von ihnen wird es finanziert. Der einzelne Patient und Verbraucher fühlt sich jedoch häufig überfordert, das komplexe System zu durchschauen und seine Interessen angemessen zum Ausdruck zu bringen. Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer hat deshalb zu Recht als Ziel der kommenden Gesundheitsreform die Stärkung der Stellung von Patienten und Versicherten avisiert und den Ausbau der Patientenberatung angekündigt. Als Dachverband deutscher Verbraucherorganisationen hat die AgV eine Untersuchung zur Verbraucherberatung im Bereich Gesundheitsdienstleistungen vornehmen lassen und ein Konzept für die bundesweite Vernetzung der Patientenberatung erarbeitet - letzteres gemeinsam mit anderen Organisationen wie der Notgemeinschaft der Medizingeschädigten sowie Zusammenschlüssen von Geburtshilfegeschädigten und sogenannten Gesundheitsläden, die wie einige Verbraucher-Zentralen bereits seit längerem unabhängige Patientenberatung anbieten.

Zunächst zu der Untersuchung: Sie basiert auf zwei repräsentativen Umfragen, die das emnid-Institut, Bielefeld, zuerst 1994 und dann noch einmal im Mai 1999, also im Abstand von fünf Jahren, durchgeführt hat. Das Institut für angewandte Verbraucherforschung, Köln, hat die Umfrageresultate miteinander verglichen. Die Ergebnisse sind aus unserer Sicht erfreulich. Es wurde bereits erwähnt, daß die Verbraucherverbände in Sachen Glaubwürdigkeit an erster Stelle lagen. Ich möchte hinzufügen, daß wir nach der Glaubwürdigkeit verschiedener Informationsquellen zu "Gesundheitsfragen und Kosten medizinischer Leistungen" gefragt haben. Wir haben also keineswegs die Absicht, den Ärzten auf dem Feld ärztlicher Beratung Konkurrenz zu machen - auch wenn Teile der Ärzteschaft sich anscheinend davor bereits fürchten. Aber wir müssen feststellen, daß die Glaubwürdigkeit der Ärzteschaft bei den von uns abgefragten nicht-medizinischen Fragestellungen in den letzten fünf Jahren stark gesunken ist. 1994 lag die Ärzteschaft nämlich auch in diesem Bereich noch knapp vor den Verbraucherverbänden. Dies hat sich inzwischen geändert. Die Verbraucherverbände liegen jetzt knapp vorne (Durchschnittsnote: 2,3 auf einer Skala von 1 = völlig glaubwürdig bis 6 = völlig unglaubwürdig), vor Ärzten (2,4), Apothekern (2,5), Selbsthilfegruppen (2,5) und Krankenkassen (2,6). Weit abgeschlagen folgen Zeitschriften und Fernsehsendungen (3,3), und an letzter Stelle liegt die Werbung (4,1).

Noch zwei weitere wichtige Ergebnisse unserer Untersuchung möchte ich hier erwähnen: Deutlich wichtiger als vor fünf Jahren ist den Verbrauchern heute die Unabhängigkeit von Information und Beratung im Gesundheitswesen. Und: Verbraucher denken bei konkreten Problemen auf dem Gesundheitsmarkt, zum Beispiel bei Ärger mit der Krankenkasse oder beim Verdacht auf Behandlungsfehler, deutlich häufiger als früher an die Verbraucherverbände als Ansprechpartner als noch vor fünf Jahren.

Die Ergebnisse der Untersuchung bestätigen damit unsere Auffassung, daß ein bundesweites Netz zur Patientenunterstützung, wie es von der Politik derzeit geplant ist, bei den Verbraucherverbänden in Zusammenarbeit mit den genannten Betroffenenorganisationen gut aufgehoben ist. Dabei haben wir keineswegs die Absicht, alles allein machen zu wollen. Wir suchen die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen wie Selbsthilfegruppen, dem öffentlichen Gesundheitsdienst oder Krankenkassen.

Ein wichtiges Tätigkeitsfeld des Netzwerks wird die Schaffung von Markttransparenz sein. Der Gesundheitsmarkt muß übersichtlicher werden. Die unterschiedlichen Angebote zur Prävention, die Krankenkassenleistungen sowie ambulante und stationäre Angebote zur Rehabilitation und Pflege müssen überschaubar bewertet werden. Besonders wichtig sind Informationen über Qualität, über Wirtschaftlichkeit sowie über Schwerpunkte von Ärzten und Zahnärzten bzw. von Krankenhäusern. Unterstützung bei Behandlungsfehlern und die Rechtsberatung, die von den Verbraucherverbänden bereits heute in allen ihren Beratungsbereichen durchgeführt wird, sind ein weiteres wichtiges Arbeitsfeld. Darüber hinaus soll das Netzwerk dazu dienen, die Stellung von Patienten und Versicherten im Gesundheitssystem strukturell zu verbessern. Dazu gehört die Beteiligung an Qualitätssicherungsvorhaben und die Mitarbeit an einer patientenorientierten Fortentwicklung des Sozialversicherungsrechts. Aufgabe der AgV als Dachverband könnte es sein, die Arbeit des Netzwerks zu koordinieren und insbesondere die Qualitätssicherung in der Beratungsarbeit gemeinsam mit allen Beteiligten kontinuierlich fortzuentwickeln.

Zur Ausstattung eines flächendeckendes Netzwerks halten wir mittelfristig den Ausbau von rund 80 Beratungsstellen bundesweit sowie einen Beraterschlüssel von zwei Fachkräften (plus eine Sachbearbeitung) pro eine Million Einwohner für notwendig, die den Verbrauchern vor Ort für Informationen und zur grundlegenden Beratung zur Verfügung stehen. Diese Fachkräfte, die vor allem über Beratungskompetenz und über Kenntnisse des Sozialversicherungsrechts verfügen, können auf weiteren medizinischen, pflegerischen und rechtlichen Sachverstand in den auf Landesebene einzurichtenden Kompetenzzentren zurückgreifen. Für die Verwirklichung dieser Pläne sind im ersten Jahr rund 25 Millionen DM notwendig, das sind knapp 30 Pfennig pro Mitglied der gesetzlichen Krankenkassen. Die langfristige Aufrechterhaltung eines flächendeckenden Beratungsnetzes würde sich nach unserem Konzept mit weniger als einer D-Mark pro Versichertem und Jahr verwirklichen lassen. Die Bundesregierung muß dafür den geeigneten Rahmen schaffen. Dazu gehört vor allem die Sicherstellung der Finanzierung über einen entsprechenden Pflichtauftrag an die gesetzlichen Krankenkassen im Sozialgesetzbuch.