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Dienstleistungen im Rahmen der medizinischen Fußpflege erfordern nicht
zwingend ein Aufklärungsgespräch
Das Entfernen von Hühneraugen gehört zum Kernbereich der Tätigkeit
einer medizinischen Fußpflege
Eine Frau ließ sich (1984) bei einer ausgebildeten medizinischen Fußpflegerin
(Podologin) ein Hühnerauge entfernen. Nach der Behandlung blutete die Wunde und es traten
starke Schmerzen auf. Im übrigen kam es zu einer Infektion. Die Frau verklagte daraufhin
die Fußpflegerin auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 3.500 DM. Dabei stellte sie
darauf ab, daß die Behandlung nicht fachgerecht ausgeführt worden sei. Im übrigen habe
die Entfernung des Hühnerauges die Kompetenz einer Fußpflegerin überschritten und einem
Arzt überlassen bleiben müssen. Eine Aufklärung über die Risiken des Eingriffes sei
nicht erfolgt. Das zuständige Amtsgericht Leonberg wies die Klage mit Urteil vom
22.1.1986 - 5 C 171/85 - ab.
Das Amtsgericht Leonberg konnte eine fehlende Befugnis der beklagten Fußpflegerin, das
Hühnerauge zu entfernen, weder allgemein noch im konkreten Fall feststellen. Allgemein
ergäben sich die Grenzen zur Vornahme eines körperlichen Eingriffs wohl nur aus den
einschlägigen Vorschriften des Strafgesetzbuch, die aber hier nicht berührt seien.
Außerhalb dieser Grenzen erfordere die Zulässigkeit eines Heileingriffes lediglich eine
Einwilligung des Patienten. Diese Einwilligung könne im vorliegenden Fall ohne weiteres
darin gesehen werden, daß sich die Klägerin in die Praxis der Fußpflegerin begeben
habe, um u.a. ein Hühnerauge entfernen zu lassen. Freilich setze eine Einwilligung
ihrerseits voraus, daß der Einwilligende die Tragweite des Eingriffs übersehe. Dieses
Wissen habe grundsätzlich der Behandelnde durch Aufklärungsgespräche herbeizuführen.
Es gehe jedoch nicht an, die strengen Voraussetzungen, die die Rechtsprechung an die
Aufklärungspflichten eines Arztes vor der Vornahme einer Operation stelle, auf den
vorliegenden Fall zu übertragen. Die Entfernung eines Hühnerauges sei ein Eingriff, von
dem der Patient auch ohne Aufklärung eine konkrete Vorstellung habe. Gefahren einer
solchen Behandlung seien selten und so wenig wahrscheinlich, daß sie bei einem
gewöhnlichen Patienten für die Entscheidung, in die Behandlung einzuwilligen, nicht ins
Gewicht fallen würden. Das Entfernen eines Hühnerauges gehöre weiter zum Kernbereich
der Tätigkeit eines Fußpflegers. Der verständige Patient wisse, daß er auch die
Möglichkeit habe, einen solchen Eingriff durch einen Arzt vornehmen zu lassen. Wenn der
Patient sich im Wissen um dessen höhere Qualifikation sowie um dessen weitere technischen
Möglichkeiten entschließe, das Hühnerauge durch den medizinischen Fußpfleger entfernen
zu lassen, so habe er hiermit die erforderliche Einwilligung auch ohne weitere
Aufklärungsgespräche erteilt. Im übrigen, so das Amtsgericht sachverständig beraten
weiter, sei die Art der Entfernung des Hühnerauges und der Versorgung der Wunde
fachgerecht gewesen. Aus der Tatsache, daß Blutungen aufgetreten und eine
Sekundärinfektion festgestellt worden seien, ließen sich keine Rückschlüsse auf Art
und Qualität der Behandlung ziehen. Zur Zeit der Untersuchung durch den gerichtlichen
Sachverständigen sei eine Wunde nicht mehr sichtbar und die frühere Excisionsstelle
reizlos abgeheilt gewesen.
Werner Schell (05/99)
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