Krankenhäuser sollen Geld und Wertsachen der Patienten in Verwahrung nehmen
Bei der Aufnahme eines Patienten in einem Krankenhaus stellt sich nicht
selten die Frage, was mit den eingebrachten Sachen, insbesondere Geld und Wertsachen,
geschehen soll. Wer haftet z.B. bei einem Verlust von Geld oder Wertsachen ? Mit dieser
Frage hat sich bereits mehrfach die Rechtsprechung auseinandersetzen müssen.
Aufbewahrungspflicht ergibt sich aus Vertragsrecht
Für die Beurteilung des richtigen Verhaltens ist zunächst einmal die Feststellung von
Bedeutung, daß der Krankenhausträger verpflichtet ist, eingebrachtes Geld und Wertsachen
des Patienten auf dessen Wunsch hin in Verwahrung zu nehmen. Man sagt, daß sich diese
Aufbewahrungspflicht als Nebenfolge aus dem Krankenhausaufnahmevertrag ergibt.
Diese Auffassung ist in mehreren Gerichtsentscheidungen bestätigt worden (z.B. Urteil des
Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe vom 6.11.1974 - 1 U 97/74 -, Urteil des Landgerichts
Berlin vom 23.1.1978 - 52 S 296/77 - und Urteil des OLG Hamburg vom 29.9.1989 - 1 U 29/89
-).
In Erfüllung dieser vertraglichen Nebenpflicht sehen die meisten Krankenhausträger in
ihren Aufnahmebedingungen (Allgemeine Geschäftsbedingungen) eine Bestimmung darüber vor,
wie mit den eingebrachten Sachen des Patienten im Krankenhaus zu verfahren ist. Nach
diesen Regelungen sollen Geld und Wertsachen der Patienten bei der Krankenhausverwaltung
in Verwahrung gegeben werden. Solche Bestimmungen haben den Charakter von Empfehlungen und
lösen auf Seiten des Patienten keine Ablieferungspflicht aus. Es handelt sich also um ein
Aufbewahrungsangebot an den Patienten, eine Ablieferungspflicht wird damit nicht
begründet. Patienten, die das Verwahrungsangebot des Krankenhausträgers nicht annehmen,
müssen sich natürlich darüber im Klaren sein, daß sie dann das Risiko der
Nichtablieferung selbst zu tragen haben.
Es erscheint angeraten, die Patienten in aller Deutlichkeit auf diese Rechtslage
aufmerksam zu machen. Zum Teil wird den Patienten vor einer notwendigen
Krankenhausaufnahme sogar empfohlen, Geld und Wertsachen sowie Sachen, die nicht zum
täglichen Gebrauch gehören, nicht mit ins Krankenhaus zu bringen.
Wird ein handlungsunfähiger (bewußtloser) Patient stationär aufgenommen, werden Geld
und Wertsachen in Annahme eines mutmaßlichen Hinterlegungswunsches (= Geschäftsführung
ohne Auftrag) in Verwahrung genommen.
Die Umstände des Einzelfalles sind immer entscheidend
Das OLG Karlsruhe hat in seinem Urteil vom 6.11.1974 herausgestellt, daß der
Krankenhausträger die Pflicht habe, für die in das Krankenhaus mitgebrachten
Wertgegenstände der Patienten geeignete Verwahrungsmöglichkeiten zu schaffen. Welche Art
der Verwahrung im Einzelfall in Betracht komme, unterliege aber der pflichtgemäßen
Abwägung des Sicherheitsbedürfnisses gegenüber den vorrangigen Belangen der ärztlichen
Versorgung der Patienten. Mache der Patient von den ihm angebotenen
Verwahrungsmöglichkeiten keinen Gebrauch, so könne er im Falle des Abhandenkommens
seiner Wertgegenstände den Krankenhausträger nicht haftbar machen.
Handelt es sich allerdings um Noteinlieferungen, obliegt es dem Aufnahmearzt, für die
sichere Aufbewahrung von Wertsachen des Patienten zu sorgen. Dies ergibt sich aus dem
Urteil des Landgerichts (LG) Berlin vom 23.1.1978. In diesem Rechtsstreit ging es um
folgenden Sachverhalt:
Eine Patientin wurde 1977 wegen eines Fußbruches in ein Krankenhaus eingeliefert.
Anläßlich einer ersten Untersuchung in der Rettungsstelle übergab die Begleiterin der
Patientin der mit der Untersuchung befaßten Ärztin das von der Patientin mitgeführte
Bargeld in Höhe von 1.000 DM. Die Ärzte und der ebenfalls in der Rettungsstelle
anwesende Schüler quittierten den Erhalt des Geldes. Der Schüler legte das Geld in einen
in der Rettungsstelle stehenden Kasten. Aus diesem Kasten kam das Geld abhanden. Die Klage
der Patientin gegen den Krankenhausträger auf Ersatz des abhanden gekommenen Geldes war
erfolgreich.
Das Berliner LG stellte in seiner Entscheidung heraus, daß der Krankenhausträger die
Pflicht gehabt habe, die eingebrachten Sachen der Patientin in Obhut zu nehmen. Diese
Pflicht sei von der behandelnden Ärztin unter Außerachtlassung der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt und damit schuldhaft verletzt worden. Für die Pflichtverletzung
müsse der Krankenhausträger einstehen. Nach Meinung der Berliner Richter müssen
Rettungsstellen bzw. Aufnahmestationen von Krankenhäusern so organisiert sein, daß neben
der ärztlichen Versorgung auch jene Erstbetreuung des Patienten gewährleistet ist, die
solche Schäden von diesem abwendet, die ihm durch unvermittelte und (meist)
unvorbereitete Einlieferung droht. Stehe zur Wahrnehmung dieser Aufgaben anderes
Hilfspersonal nicht zur Verfügung, so obliege sie dem Aufnahmearzt. In diesen
Aufgabenbereich falle auch die Sorge um eine Inverwahrnahme von Geld und
Wertgegenständen, die der Patient bei sich führt und für deren Sicherheit im
allgemeinen Krankenhausbereich der Träger des Krankenhauses naturgemäß keine Gewähr
übernehmen kann. Der auf der Rettungsstelle eines Krankenhauses beschäftigte
Aufnahmearzt sei zwar, so führte das Gericht weiter aus, vorrangig zur ärztlichen
Erstuntersuchung und Versorgung der eintreffenden Patienten bestellt, in dieser Tätigkeit
erschöpfe sich aber nicht seine Funktion. Die Einlieferung eines Patienten in ein
Krankenhaus bringe für diesen häufig eine Reihe von Schwierigkeiten mit sich, die eine
sofortige Regelung notwendig machten. Eine solche Situation sei sehr häufig bei Unfällen
gegeben, weil durch diese dem Patienten meist die Möglichkeit abgeschnitten werde, eine
Regelung dieser Schwierigkeiten vor der Einlieferung ins Krankenhaus selbst noch in die
Hand zu nehmen. Das Gericht hielt den Umstand, daß im vorliegenden Falle keine
Ablieferung des Geldes bei der Krankenhausverwaltung erfolgt sei, für unbeachtlich. Denn
die Patientin habe von der Krankenhausaufnahmebedingung, daß mitgebrachtes Geld und
Wertgegenstände nur dann verantwortlich aufbewahrt werden, wenn sie der
Krankenhausverwaltung übergeben worden sind, wegen ihrer Verletzung und der damit
verbundenen Notfallversorgung keine Kenntnis nehmen können. Die diesbezügliche
Aufnahmebedingung sei deshalb im Zeitpunkt der Übergabe des Geldes an die Aufnahmeärztin
noch nicht Bestandteil des zwischen der Patientin und dem Krankenhausträger zustande
gekommenen Aufnahmevertrages gewesen. Für die Patientin habe nämlich keine Möglichkeit
bestanden, sich von der die Haftung einschränkenden Aufnahmebedingung in zumutbarer Weise
Kenntnis zu verschaffen (§ 2 Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen - AGB-Gesetz -).
Den Krankenhausaufnahmebedingungen sind meist die Aufbewahrungsgrundsätze zu entnehmen
Von den Fällen der Notfallversorgung abgesehen, bestimmt sich die Rechtslage, wie mit
eingebrachten Sachen zu verfahren ist, nach den zwischen den Vertragspartnern (Patient und
Krankenhausträger) getroffenen Vereinbarungen. Im allgemeinen werden die jeweiligen
Aufnahmebedingungen des Krankenhauses Vertragsbestandteil, so daß die darin getroffenen
Regelungen - auch hinsichtlich der eingebrachten Sachen - rechtswirksam sind. Die
Regelungen in den Aufnahmebedingungen (und damit auch der Hausordnungen) dürfen
allerdings nur insoweit persönliche Einschränkungen für Patienten und deren Besucher
enthalten, als dies die medizinischen Belange und das gemeinsame Zusammenleben der
Patienten erfordern. Mit den Regelungen soll ja insbesondere nur erreicht werden, daß der
Heilungsverlauf der Patienten gewährleistet und der Arbeitsablauf des Krankenhauses nicht
mehr als notwendig behindert wird. An diesen Grundsätzen muß wohl jede Aufnahmebedingung
hinsichtlich ihrer Rechtsverbindlichkeit gemessen werden. Das AGB-Gesetz bezeichnet
Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für unwirksam, wenn sie den
Vertragspartner (Patient) des Verwenders (Krankenhausträger) entgegen den Geboten von
Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Werner Schell
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