![]() Pflege - Patientenrecht & Gesundheitswesen www.wernerschell.de
Forum (Beiträge ab 2021)
Patientenrecht Pro Pflege-Selbsthilfenetzwerk >> Aktivitäten im Überblick! << ![]() |
Palliativmedizin: Wenn das Leben eines Patienten nicht mehr zu retten ist ... In den Niederlanden und in Belgien dürfen Ärzte Todkranke mit der Spritze von ihren Leiden erlösen. Ein Modell auch für Deutschland? Das Für und Wider der Sterbehilfe wird kontrovers diskutiert. Im Deutschen Bundestag fand nun eine Diskussion zum Thema Patientenverfügung statt. Der Marburger Bund hat sich dazu bereits bei seiner Hauptversammlung im November klar geäußert. Das heutige Strafrecht schützt jeden Menschen vor Fremdtötungshandlungen. Nur an der Grenze zum Tod ist das Tötungsverbot durch von der Rechtsprechung entwickelte Regeln der Sterbehilfe gelockert. Die Selbsttötung ist – auch im Versuch – nicht unter Strafe gestellt. Was ist Sterbehilfe? Der Begriff Sterbehilfe ist ein Oberbegriff. Er umfasst zum einen die „Hilfe im Sterben", d. h. „Sterbebeistand" oder „Sterbebegleitung". Sterbehilfe in diesem Sinne besteht in der Unterstützung Sterbender durch Pflege, schmerzlindernde Behandlung sowie menschliche Zuwendung und ist als dringendes Erfordernis im Umgang mit Sterbenden unumstritten. Zum anderen bezeichnet Sterbehilfe die „Hilfe zum Sterben". Dies ist das Töten oder Sterbenlassen eines Sterbenden, schwer kranken oder leidenden Menschen aufgrund seines eigenen, ausdrücklichen oder mutmaßlichen Verlangens. Ärzte und Juristen unterscheiden daher
Erlösung durch Spritze? „Aktive Sterbehilfe ist unzulässig und mit Strafe bedroht, auch dann, wenn sie auf Verlangen des Patienten geschieht. Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung widerspricht dem ärztlichen Ethos und kann strafbar sein." (Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung; 2004) Diese strafbare Tötung auf Verlangen ist von der straflosen Beihilfe zur Selbsttötung abzugrenzen. Dem Juristen kommt es bei der Unterscheidung darauf an, wer das zum Tode führende Geschehen tatsächlich beherrscht hat: Hat der Getötete bis zuletzt die freie Entscheidung über sein Schicksal in der Hand behalten, dann tötete er sich selbst (auf die Verpflichtung des Arztes nach Eintritt der Bewusstlosigkeit des Patienten wird später eingegangen). Unabhängig von der Frage der Beherrschbarkeit gibt es Extremfälle, in denen zum Beispiel der Schmerz des Sterbenden für diesen nicht zu ertragen ist und die Abkürzung eines qualvollen Sterbens entschuldigt oder sogar rechtfertigt. In der strafrechtlichen Literatur ist eine erhebliche Verunsicherung zu erkennen und so wird in gewissen Grenzen ein „ärztlicher Freiraum" anerkannt, der nicht justiziabel ist. Die aktive Sterbehilfe, z.B. in Form einer „Todesspritze", ist in Deutschland jedoch in aller Regel ein strafbares Tötungsdelikt. Straflosigkeit überdosierter Analgetika
Straflosigkeit unterlassener Behandlung und von Behandlungsabbruch Der Behandlungsverzicht muss auf dem geäußerten oder mutmaßlichen Willen des Betroffenen beruhen, damit das Selbstbestimmungsrecht des Sterbenden zum tragenden Gesichtspunkt für den Ausschluss von Tötungsunrecht wird. Da ein urteilsfähiger Patient selbst bestimmen kann, ob er ärztliche Behandlung wünscht oder nicht, hat der Arzt das Behandlungsverbot erst recht zu respektieren, wenn die ärztliche Behandlung überhaupt nicht mehr auf Heilung oder Schmerzlinderung gerichtet ist, sondern lediglich dazu dient, den Todeskampf zu verlängern. Zur Behandlungseinstellung ist jeder legitimiert, der Adressat der Patientenerklärung war. Ärzte und Schwestern verzichten bei der passiven Sterbehilfe auf lebensverlängernde Maßnahmen und brechen bereits eingeleitete Maßnahmen lebensverlängernder Art (wie zum Beispiel künstliche Nahrungszufuhr, Sauerstoffzufuhr, künstliche Beatmung, Medikation, Bluttransfusion, Dialyse oder Unterstützung der Vitalfunktionen durch technische Geräte) ab. Dann muss bei einem terminal Krebskranken eine Lungenentzündung nicht mehr mit Antibiotika behandelt werden. Auch weiterführende Diagnostik wäre kontraindiziert und gegebenenfalls sogar strafbar. Sterben durch Verhungern Palliativmedizin
Abschalten von Geräten, die Patienten künstlich leben lassen Auch der Behandlungsabbruch bei einem bewusstseinsklaren Patienten durch Abschalten des Beatmungsgeräts ist mit dessen Einwilligung in extremen Grenzlagen (unerträgliche Schmerzen, unabwendbarer, baldiger Todeseintritt, ausdrücklicher ernsthafter Todeswunsch des Patienten) straffrei. Patientenrecht auf Schmerzmedikation Den Arzt trifft die Pflicht, den Patientenwillen festzustellen und zu beachten. Liegt eine Patientenverfügung vor, so hat der Arzt den Patientenwillen dem Patiententestament zu entnehmen. Liegt kein Patiententestament vor und ist der Patient bewusstlos, so hat der Arzt den mutmaßlichen Willen zu ermitteln. Grundlegend sind hier zunächst die „medizinischen Kriterien", d. h. Diagnose und Prognose. Zusätzlich sind Angehörige und sonst nahe stehende Personen zu hören, die aber ohne ausdrückliche, schriftliche Vollmacht kein Recht haben, für den Bewusstlosen zu entscheiden. Hat der Patient in einer Vorsorgevollmacht einen oder mehrere Dritte zur Ausübung des Selbstbestimmungsrechts im Fall der Bewusstlosigkeit bevollmächtigt, so ist die Entscheidung des Vertreters für den Arzt verbindlich. Allein bei Verdacht auf Missbrauch oder offensichtlicher Fehlentscheidung sollte sich der Arzt an das Vormundschaftsgericht wenden. Sonst haben Staat und Gerichte im Rahmen der Entscheidung über einen Behandlungs- oder Ernährungsabbruch keine Entscheidungsbefugnis. Wichtig ist, dass der dokumentierte Wille des Patienten absoluten Vorrang vor einer gerichtlichen Bevormundung hat. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass zu den Kriterien der objektiven Behandlungsqualität eines Krankenhauses auch ein Konzept für den Behandlungsverzicht gehört. Bei der Erstellung eines solchen Konzeptes sollte ein kundiger Jurist mitwirken. * RA Dr. jur. Alexander Peters ist Fachanwalt für Strafrecht, Koblenz, Dr. Peters & Neumann, Rechtsanwaltssozietät im Arzt- und Medizinrecht, Strafrecht, Friedrich-Ebert-Ring 39, 56068 Koblenz http://www.RechtOk.de ** RA Roland Wehn arbeitet in der Fortbildungsabteilung der DBV-Winterthur-Direktion, Leopoldstraße 204, 80804 München. http://www.aerzte.dbv-winterthur.de Quelle: Marburger Bund Zeitung, Ausgabe vom 24. März 2005 http://www.marburger-bund.de Der Beitrag wird mit Genehmigung der Autoren vom 30.3.2005 vorgestellt. |