Behandlungsvertrag bei fehlendem Versicherungsschutz
Die klagende Stadt ist Trägerin eines Krankenhauses, in dem
die Tochter der Beklagten und ihres früheren Ehemannes stationär behandelt
wurde.
Im März 1999 brachte die Beklagte ihre Tochter zur
stationären Behandlung in das Krankenhaus. Bei der Aufnahme gab sie an, für
ihre Tochter bestehe Versicherungsschutz durch die AOK Lahnstein; Versicherter
sei ihr Ehemann. Ferner unterschrieb die Beklagte einen formularmäßigen
"Aufnahme-Antrag", der auf die Allgemeinen Vertragsbedingungen des
Krankenhauses der Klägerin verwies. In den Allgemeinen Vertragsbedingungen
hieß es u.a., dass ein Kassenpatient, der Leistungen des Krankenhauses in
Anspruch nehme, die nicht durch die Kostenübernahme einer Krankenkasse gedeckt
seien, als Selbstzahler zur Entrichtung des Entgelts für diese Leistungen
verpflichtet sei.
Nach der vorgenannten stationären Behandlung war die Tochter
der Beklagten nochmals, nämlich im Februar/März 2000, im Krankenhaus der
Klägerin. Bei diesem Krankenhausaufenthalt hatte der damalige Ehemann der
Beklagten das Kind eingeliefert.
Die zuständige AOK übernahm nicht die Kosten dieser
stationären Behandlungen, weil der Ehemann der Beklagten zur fraglichen Zeit
nicht versichert war und damit auch keine Familienversicherung für die
gemeinsame Tochter bestand. Das Krankenhaus stellte der Beklagten daraufhin für
die stationäre Behandlung der Tochter im März 1999 9.124,02 DM
(= 4.665,04 €) und für die stationäre Behandlung im Februar/März
2000 weitere 20.202,39 DM (= 10.329,32 ;€), insgesamt also
14.994,36 €, in Rechnung. Dieser Betrag nebst Zinsen wird mit der Klage
geltend gemacht.
Die Klägerin trägt vor, die Tochter der Beklagten sei
aufgrund eines im März 1999 mit der Beklagten geschlossenen
Behandlungsvertrages im Krankenhaus der Klägerin aufgenommen worden. Für die
stationäre Behandlung könne sie nach dem Behandlungsvertrag und nach ihren
Allgemeinen Vertragsbedingungen von der Beklagten das Entgelt beanspruchen,
nachdem sich herausgestellt habe, dass für deren Tochter keine gesetzliche
Krankenversicherung bestanden habe. Für die Kosten der von dem damaligen
Ehemann der Beklagten veranlassten stationären Behandlung der Tochter im Jahr
2000 hafte die Klägerin nach § 1357 Abs. 1 BGB (die Vorschrift
lautet: Jeder Ehegatte ist berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des
Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu
besorgen. Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und
verpflichtet, es sei denn, daß sich aus den Umständen etwas anderes ergibt.).
Die Beklagte, die zur fraglichen Zeit nicht über ein eigenes
Einkommen verfügte, bestreitet, mit der Klägerin einen entgeltlichen
Behandlungsvertrag geschlossen zu haben. Sie habe nicht gewusst, dass ihr
Ehemann und damit ihr Kind nicht mehr in der gesetzlichen
Krankenversicherung versichert gewesen sei. Bei Einlieferung des Kindes in das
Krankenhaus sei ihr Ehemann ganztägig als Arbeitnehmer tätig gewesen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das
Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der von dem Berufungsgericht
zugelassenen Revision hat die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiterverfolgt.
Die Revision hatte Erfolg.
1. Stationäre Behandlung im März 1999 auf Veranlassung der
Beklagten
Die Klägerin konnte nach Auffassung des III. Zivilsenats
Bundesgerichtshofs den Zahlungsanspruch zwar nicht auf die oben genannte Klausel
stützen. Insoweit blieb offen, ob die Klausel die vorliegende
Sachverhaltsgestaltung betraf; das geht nach der Unklarheitenregel zu Lasten der
Klägerin (§ 5 AGBG).
Der Klägerin steht aber ein Vergütungsanspruch aus dem mit
der Beklagten zugunsten des Kindes geschlossenen Behandlungsvertrag zu. Zwar
ging der Wille der Parteien dahin, einen für die Beklagte nicht mit
Zahlungspflichten verbundenen Behandlungsvertrag zu schließen. Denn die Tochter
der Beklagten sollte als Kassenpatientin in das Krankenhaus der Klägerin
aufgenommen werden. In einem solchen Fall besteht ein Vergütungsanspruch des
Krankenhausträgers unmittelbar und ausschließlich gegen die gesetzliche
Krankenkasse. Dem Behandlungsvertrag fehlte aber die Geschäftsgrundlage. Die
von den Parteien gemeinsam gehegte Vorstellung, die Tochter der Beklagten sei
über deren Ehemann familienversichert, stellte sich als Irrtum heraus. Die
deshalb gebotene Vertragsanpassung führt dazu, dass die Beklagte den Pflegesatz
zu zahlen hat. Denn sie trägt das Risiko, dass das von ihr zur stationären
Behandlung gebrachte Kind krankenversichert war. Der Patient (bzw. bei
Minderjährigen deren Eltern) hat hierzu im eigenen Interesse das Nötige zu
veranlassen und den Krankenhausträger zutreffend zu unterrichten. Er weiß in
der Regel, ob und bei wem er krankenversichert ist. Besteht kein
Versicherungsschutz, kann der Patient gegebenenfalls durch die Inanspruchnahme
von Sozialhilfe für Kostendeckung sorgen. Umgekehrt hat der Krankenhausträger
in der Regel keinen Einblick in die persönlichen und
sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse des Patienten; er muss sich
schon aus praktischen Gründen - auf die Angaben des Patienten
verlassen dürfen.
Die Vertragsanpassung musste sich an der gesetzlichen Vorgabe
ausrichten, dass der Krankenhausträger den einheitlichen Pflegesatz fordern
muss und nicht nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des jeweiligen
Patienten differenzieren darf.
2. Stationäre Behandlung im Februar/März 2000 auf
Veranlassung des (damaligen) Ehemanns der Beklagten
Insoweit hat der III. Zivilsenat die Sache aufgehoben und an
das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Dieses wird zu klären haben, ob der Ehemann der Beklagten
einen Behandlungsvertrag zugunsten der gemeinsamen Tochter auch im Namen der
Beklagten geschlossen hat. Die Beklagte könnte aus einem solchen
gegebenenfalls nach den vorgenannten Grundsätzen angepassten
Vertrag unmittelbar haften, und zwar als Gesamtschuldnerin mit ihrem damaligen
Ehemann.
Ferner kommt eine gesetzliche Mitverpflichtung der Beklagten
nach § 1357 Abs. 1 BGB aus einem nur zwischen ihrem Ehemann und der
Klägerin geschlossenen Behandlungsvertrag zugunsten des gemeinsamen Kindes in
Betracht. Insoweit wird von dem Berufungsgericht noch zu prüfen sein, ob die
Kosten der Krankenhausbehandlung außer Verhältnis zu dem objektiviert zu
beurteilenden - damaligen Lebenszuschnitt der Familie standen. Sollten die
Behandlungskosten diesen Rahmen sprengen, wäre eine Mithaftung der Beklagten
nach § 1357 Abs. 1 BGB zu verneinen.
Urteil des BGH vom 28. April 2005 – III ZR 351/04
(Vorinstanzen: LG Koblenz – 15 O 77/02 ./. OLG Koblenz – 3 U 1434/02)
Quelle: Pressemitteilung vom 28. April 2005 , Urteil
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