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Putz und Teipel Quagliostraße 7, 81543 München Presseerklärung: Beschluss des BGH zur Sterbehilfe vom 17.03.03 bringt für die Patientenrechte mehr Schaden als Nutzen - Keine Auswirkung für den Traunsteiner Komapatienten Das Urteil hat zwei positive Folgen: 1. Erfreulicherweise beendet es einen für Ärzte, Pflegekräfte, Angehörige, Betreuer und Bevollmächtigte unzumutbaren Zustand der Rechtsunsicherheit. Es geht um die Frage, ob das Zulassen des Sterbens nach dem Willen des Patienten einer gerichtlichen Genehmigung bedarf. Die Oberlandesgerichte Frankfurt und Karlsruhe bejahten dies gegen die überwiegende Meinung deutscher Vormundschaftsgerichte (neben den Landgerichten Augsburg und München nahezu alle Amtsrichter sowie zuletzt das Oberlandesgericht Schleswig, welches „seinen Fall" dem Bundesgerichtshof zur Vorlage brachte) 2. Erneut wird höchstrichterlich die inzwischen ohnehin „herrschende Meinung" bestätigt, wonach die Patientenverfügung, sei sie schriftlich oder mündlich, als Selbstbestimmung des Patienten aus gesunden Tagen für Ärzte und Pflegende verbindlich ist. Trotzdem wird die Durchsetzung von Patientenrechten am Ende des Lebens künftig schwerer sein als bisher, denn das Urteil hat auch negative Folgen: 1. Ist zwischen Ärzten und Patientenvertretern streitig, ob mit der künstlichen Lebensverlängerung begonnen werden soll, muss künftig das Vormundschaftsgericht eingeschaltet werden, sodass allein deswegen mit entsprechenden Beschlüssen zu rechnen ist, wonach die Magensonde erst einmal gelegt werden muss, damit der Patient während des Verfahrens nicht stirbt. Erfahrungsgemäß wird dies eine präjudizielle Wirkung auf jenen Zeitpunkt haben, an dem dann - nach richterlicher Überprüfung - die Einstellung der Zwangsernährung rechtlich geboten ist. Ist nämlich erst einmal mit der künstlichen Ernährung begonnen worden, so lehrt unsere Erfahrung, dass es meist nur mit erheblichem juristischen Aufwand möglich ist, den Wunsch des Patienten, sterben zu dürfen, umzusetzen. 2. In einer weit größeren Zahl von Fällen (mindestens 50.000 Fälle im Jahr in Deutschland) ist die Zwangsernährung gegen den Patientenwillen über Wochen oder Monate bereits durchgeführt worden, sei es aus anfänglicher medizinischer Indikation oder aus Rechtsunkenntnis, sei es, weil die Angehörigen den Patientenwillen nicht gleich zum Ausdruck gebracht haben. In all diesen Fällen muss nach dem Urteil zwingend die Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht eingeholt werden. Die umfassende Erfahrung unsere Kanzlei mit Sterbehilfe-Mandaten lässt folgende praktische Auswirkungen des Urteils erwarten: Die gewaltige Steigerung von richterlichen Entscheidungen über ärztliche Eingriffe (§ 1904 BGB) kann von deutschen Vormundschaftsrichtern nicht bewältigt werden. Es wird zum Stillstand der Rechtspflege in diesem Bereich kommen. Die Patienten müssen allein aus diesem Grund künstlich am Leben erhalten werden, nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine strafbare Körperverletzung. Unzählige Angehörige, Betreuer oder Bevollmächtigte diesen erschwerten Weg möglicherweise scheuen. Nach unserer Erfahrung werden viele Richter aus emotionalen Erwägungen für das Leben und gegen das Sterbenlassen entscheiden. Die Verfahren werden sich durch die Instanzen ziehen. Was in allen Zeiten einvernehmlich und in Wahrnehmung der beruflichen Pflichten von Ärzten und Pflegepersonal nach dem Willen des Patienten verantwortlich entschieden wurde, muss nun plötzlich auf den Richtertisch - eine weitere Verrechtlichung der Medizin! Zum Fall Peter K. / Traunstein: Auf diesen Fall wird das Urteil des Bundesgerichtshofs keinen Einfluss haben, da wir in dieser Sache zusätzlich die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung längst beantragt haben. Das Landgericht Traunstein / Kammer für Vormundschaftssachen hat lediglich die Entscheidung des Bundesgerichtshofs abgewartet. Es wird in Kürze in der Sache entscheiden. Dies wird jedoch nichts daran ändern, dass sich das Pflegeheim weiterhin weigern wird, den Patientenwillen umzusetzen, so dass deswegen der Prozess beim Bundesgerichtshof anhängig bleibt. Rechtsanwälte Wolfgang Putz und Beate Steldinger Textübermittlung per E-Mail am 16.4.2003 |