Pflege - Patientenrecht & Gesundheitswesen
www.wernerschell.de
Aktuelles
Forum (Beiträge ab 2021)
Archiviertes Forum
Rechtsalmanach
Pflege
Patientenrecht
Sozialmedizin - Telemedizin
Publikationen
Links
Datenschutz
Impressum
Pro Pflege-Selbsthilfenetzwerk
>> Aktivitäten im Überblick! <<
|
Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen – auch ohne Einschaltung des Vormundschaftsgerichts?
Eine praktikable, an Ethik und Verfassungskonformität orientierte Umsetzung des BGH-Beschlusses zur Patientenverfügung verlangt laut
Erklärung von RA Putz folgende Feststellungen (über die jüngsten Erläuterungen der Richterin des 12. Zivilsenats Meo-Micaela Hahne in vom
18.7.2003 berichtete die letzte Ausgabe dieses Newsletters, Zusammenfassung des FAZ-Interviews mit ihr siehe unter www.patientenverfuegung.de/pv/aktuell.htm).
Erklärung und Erwiderung von RA Putz:
München, im Juli 2003
" ...Es muss keineswegs immer die Genehmigung des zuständigen Vormundschaftsgerichts eingeholt werden, wenn ein Patient gemäß seiner
Patientenverfügung sterben soll, indem man auf lebensverlängernde Maßnahmen verzichtet. In der Praxis kann dies auch in Zukunft die Ausnahme bleiben.
Ausdrücklich gilt dies nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs nur im "Konfliktfall", wenn also der Arzt der Meinung ist, es sei nicht
vertretbar, den Patienten sterben zu lassen, und der Betreuer des Patienten der Meinung ist, man müsse den Patienten sterben lassen, um dessen
Patientenverfügung umzusetzen. Oder in Fällen der unklaren Anwendbarkeit der Patientenverfügung wegen deren mangelnder Formulierungen oder sonstiger
Bedenken zur Authentizität. ...
Wenn sich der Arzt weigert, die valide Patientenverfügung zu beachten und auf einer lebensverlängernden Behandlung "besteht", macht der Weg zum
Vormundschaftsgericht jedoch aus ganz anderen, praktischen Erwägungen keinen
Sinn: es ist dann angezeigt, den Arzt zu wechseln und die verantwortliche
ärztliche Betreuung einem Arzt zu übertragen, der den Patientenwillen nach der
vorliegenden Patientenverfügung respektiert. Wenn dann der "neue"
Arzt entsprechend dem Patientenwillen nicht mehr auf lebensverlängernden
Maßnahmen besteht, kann der Patient sterben, ohne dass es der Einschaltung des
Vormundschaftsgerichts bedarf. Der Arztwechsel wird also den Patientenrechten
sehr viel schneller zum Durchbruch verhelfen als der Weg über das
Vormundschaftsgericht. Dieses Vorgehen ist völlig legal. Denn "eine
Kontrolle des ärztlichen Verhaltens obliegt dem Vormundschaftsgericht
nicht" (so BGH a.a.O = FamRZ, 2003, S. 755, li.Sp.). Es besteht also keine
Möglichkeit, zu überprüfen, ob der "neue" Arzt medizinisch
begründet oder unbegründet eine weitere Lebenserhaltung nicht anbietet. Nur in
Ausnahmefällen, z. B. bei einem Verdacht auf ein kriminelles Zusammenwirken von
Arzt und Betreuer, wären derartige Verfahren auch vor einem
Vormundschaftsgericht denkbar.
Am Rande sei bemerkt, dass auch in Konfliktfällen ein
vormundschaftsgerichtliches Verfahren wenig Sinn macht: der Arzt, der in einem
solchen Verfahren sozusagen vom Vormundschaftsgericht gegen seine Weigerung
bestätigt kommt, dass die Beendigung der lebensverlängernden Maßnahmen
geboten und rechtens ist, sodass die weitere Lebensverringerung eine strafbare
Körperverletzung wäre, wird durch diese Entscheidung ja nicht gebunden. Er
kann sich durch Kündigung des Behandlungsvertrages diesem Ansinnen und seiner
Mitwirkung jederzeit entziehen. So müsste in diesem Falle trotz des positiven
Ausgangs des vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsverfahrens der Arzt
gewechselt werden.
Wenn - wie im Falle des Traunsteiner Komapatienten - kein Dissens oder Konflikt
zwischen dem Arzt und dem Betreuer besteht, dann ist das Vormundschaftsgericht
auch nicht zuständig für die Durchsetzung des gebotenen Sterbenlassens gegen
das opponierende Pflegeheim (so zuletzt auch der richtige Hinweis durch das
Vormundschaftsgericht Rosenheim unter Bezug auf die neueste BGH-Entscheidung).
Der Konflikt mit dem Pflegepersonal begründet keinen Raum für eine
vormundschaftsgerichtliche Überprüfung. Die Mitwirkung des Pflegepersonals
musste also vor den Zivilgerichten eingeklagt werden. In diesem Verfahren des
Traunsteiner Komapatienten ist demnächst mit einer Entscheidung des
Bundesgerichtshofs zu rechnen.
Mehr denn je ist folglich eine juristisch perfekte Patientenverfügung in
Kombination mit den entsprechenden Gesprächen im Kreis der Familie in
Kombination mit einer Vorsorgevollmacht der sicherste Weg, die Umsetzung des
Patientenwillen am Ende des Lebens ohne behördliche oder gerichtliche Verfahren
zu garantieren. Wie man sonst noch vorsorgen kann und wie der Patientenwille
notfalls gegen Krankenhäuser, Ärzte und Pflegeheime durch den Dschungel
verschiedenster Behörden und Gerichte mit rechtlichen Instrumenten, feinem
Gespür und taktischem Geschick durchgesetzt werden kann, zeigen die Münchner
Rechtsanwälte Wolfgang Putz und Beate Steldinger in ihrem neuen Buch
"Patientenrechte am Ende des Lebens".
Gustava Everding schreibt dazu in ihrem Vorwort: "Ein Buch, das das Leben
geschrieben hat, denn es bringt zu jedem angesprochenen Problem faszinierende
und erschütternde Fälle (Menschengeschichten) aus der beruflichen Praxis der
beiden Autoren. Ein Buch, das viele betroffen machen wird." (ISBN 3
423 05696 7 (dtv-Verlag) oder ISBN 3 406 49623 7 (C. H. Beck - Verlag)"
(Erschienen im Juni 2003)
Putz und Teipel
Rechtsanwälte - Notar
Berlin - München
E-Mail kanzlei@putz-medizinrecht.de
Quelle: PATIENTENVERFUEGUNG NEWSLETTER vom 22.7.2003
|