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Das Bundessozialgericht (BSG)
entschied mit Urteil vom 11.10.2001 - B 12 P 1/00 R – über die
Versicherungspflicht von Beamten in der privaten Pflegeversicherung
Tatbestand:
Der 1938 geborene Kläger ist als
Regierungsamtmann bei der Bundeswehr beschäftigt und bei der Beklagten, der
Bayerischen Beamten-Krankenkasse, privat krankenversichert. Mit einem Nachtrag
zum Versicherungsschein vom 17. Februar 1995 stellte die Beklagte dem Kläger
neben den Beiträgen zu einer Krankheitskostenvollversicherung nach
Beihilfe-Prozenttarifen für die Zeit ab 1. Januar 1995 den Beitrag zur
Pflege-Pflichtversicherung nach ihrem Tarif PVB für Beihilfeberechtigte in
Höhe von 24,28 DM monatlich in Rechnung. Der Kläger widersprach seiner
Einbeziehung in die Pflegeversicherung. Daraufhin zahlte die Beklagte die
bereits eingezogenen Beiträge zurück und meldete dem Bundesaufsichtsamt für
das Versicherungswesen den Sachverhalt.
Im September 1995 hat der Kläger gegen die Beklagte Klage erhoben und geltend
gemacht, die Verpflichtung zum Abschluss eines privaten
Pflegeversicherungsvertrags nach § 23 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch -
Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) verstoße für Beamte gegen die
hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums iS des Art 33 Abs 5 Grundgesetz
(GG). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil das
Feststellungsinteresse fehle (Urteil vom 12. Dezember 1996). Im
Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht (LSG) den Klagantrag des Klägers
dahin gefasst festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, den ihm von der
Beklagten angebotenen Pflegeversicherungsvertrag abzuschließen. Sodann hat das
LSG die Berufung zurückgewiesen und den Kläger unter Aufhebung der
Kostenentscheidung des SG verurteilt, der Beklagten die außergerichtlichen
Kosten beider Rechtszüge zu erstatten (Urteil vom 9. September 1999). Die Klage
sei zulässig. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der begehrten
Feststellung. Wie den zur sozialen Pflegeversicherung Herangezogenen müsse ihm
die Feststellungsklage nach § 55 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eröffnet
werden. Die Klage sei jedoch unbegründet. Die in § 23 Abs 3 SGB XI angeordnete
Verpflichtung zum Abschluss eines privaten Pflegeversicherungsvertrags verstoße
nicht gegen Verfassungsrecht.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des Art 33 Abs 4 und 5 GG.
Nach den Kommentierungen zum GG gehöre zu den hergebrachten Grundsätzen des
Berufsbeamtentums die Sozialversicherungsfreiheit als Ganzes.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG vom 9. September 1999 und das Urteil des SG vom 12. Dezember
1996 aufzuheben und festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, den ihm von
der Beklagten angebotenen Pflegeversicherungsvertrag abzuschließen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Schutzbereich des Art 33 Abs 5 GG werde durch das Gebot, sich auch
abzusichern, soweit Pflegekosten nicht durch Leistungen der Beihilfe abgedeckt
seien, nicht verletzt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat seine Berufung
gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zu Recht in der Hauptsache
zurückgewiesen (1. und 2.) und die Kostenentscheidung des SG korrigiert (3.).
1. Das SG hatte die Klage zwar wegen Unzulässigkeit abgewiesen. Dieses
Prozessurteil hinderte das LSG jedoch nicht, in der Sache zu entscheiden (vgl §
159 Abs 1 Nr 1 SGG). Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er nicht
verpflichtet ist, den ihm von der Beklagten angebotenen
Pflegeversicherungsvertrag abzuschließen. Diese Klage ist zulässig. Zu den im
sozialgerichtlichen Verfahren nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG zulässigen
Feststellungsklagen gehört die Klage auf Feststellung des Bestehens oder
Nichtbestehens von Versicherungspflicht. Dies ist auch Gegenstand des
anhängigen Rechtsstreits. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der
begehrten Feststellung. Ihm ist nicht zuzumuten, seine Einwände gegen die
Verpflichtung, einen privaten Pflegeversicherungsvertrag abzuschließen, erst in
einem Bußgeldverfahren nach § 112 SGB XI geltend zu machen.
2. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass die Klage unbegründet ist. Der
Kläger ist verpflichtet, mit der Beklagten den angebotenen
Pflegeversicherungsvertrag abzuschließen.
a) Diese Verpflichtung ergibt sich bereits aus § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XI in
Anknüpfung an den privatrechtlichen Krankenversicherungsvertrag des Klägers
bei der Beklagten. Ob § 23 Abs 3 SGB XI für einen nicht privat
krankenversicherten Beamten die Pflicht begründet, einen
Pflegeversicherungsvertrag abzuschließen, kann daher weiterhin offen bleiben (vgl
BSGE 81, 168, 174 = SozR 3-3300 § 20 Nr 2 S 7/8 und zum Meinungsstand König in
Hauck/Wilde, SGB XI, Stand Juli 1998, RdNr 8 und Anm 10 zu § 23).
Nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XI sind Personen, die gegen das Risiko Krankheit bei
einem privaten Krankenversicherungsunternehmen mit Anspruch auf allgemeine
Krankenhausleistungen versichert sind, verpflichtet, bei diesem Unternehmen zur
Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen Versicherungsvertrag
abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Der Kläger hat mit der Beklagten einen
Krankenversicherungsvertrag geschlossen, der auch allgemeine
Krankenhausleistungen einschließt. Die Beklagte betreibt die private
Krankenversicherung in der privatrechtlichen Rechtsform einer Aktiengesellschaft
(AG). Der Kläger konnte zum Zeitpunkt der Entscheidung des LSG (9. September
1999) jedenfalls für den erstmaligen Abschluss eines
Pflegeversicherungsvertrags kein anderes privates Versicherungsunternehmen mehr
wählen. Zwar kann nach § 23 Abs 2 Satz 1 SGB XI der Vertrag zur Absicherung
des Pflegerisikos auch mit einem anderen privaten Versicherungsunternehmen
abgeschlossen werden. Dieses Wahlrecht ist jedoch innerhalb einer
Ausschlussfrist von sechs Monaten auszuüben, die mit Eintritt der
Versicherungspflicht beginnt (§ 23 Abs 2 Satz 2 und 3 SGB XI). Diese Frist war
für den Kläger inzwischen verstrichen. Denn seine Verpflichtung zum Abschluss
eines privaten Pflegeversicherungsvertrags entstand bereits mit Inkrafttreten
des SGB XI am 1. Januar 1995 (vgl Art 1 § 23 iVm Art 68 Abs 1
Pflege-Versicherungsgesetz <PflegeVG>). Die Sechs-Monats-Frist endete
danach mit dem 30. Juni 1995. Das Wahlrecht erlosch mit Ablauf dieses Tages.
Die Versicherungspflicht des Klägers in der privaten Pflegeversicherung ist
nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten. Wie sich aus den vom LSG in
Bezug genommenen Akten ergibt, war der Kläger bereits seit Februar 1990 bei der
Beklagten krankenversichert. Zwar war die Beklagte im Jahre 1995 noch als
Anstalt öffentlichen Rechts organisiert und wurde erst zum 1. Januar 1996 in
eine AG umgewandelt (bis zum 30. Juni 1995 Art 1 Abs 1 des Gesetzes über das
öffentliche Versicherungswesen vom 7. Dezember 1933 <BayRS 763 - 2 -I>
idF des Art 46 Nr 2 des Gesetzes über das öffentliche Versorgungswesen vom 25.
Juni 1994 <Bayer GVBl S 466> und ab 1. Juli 1995 Art 18 des Gesetzes zur
Neuordnung der Rechtsverhältnisse der öffentlich-rechtlichen
Versicherungsanstalten des Freistaates Bayern vom 23. Juli 1994 <Bayer GVBl S
603>). Nach dem Wortlaut des § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XI löst nur die
Krankenversicherung bei einem "privaten
Krankenversicherungsunternehmen" Versicherungspflicht in der privaten
Pflegeversicherung aus. Allein nach dem Wortlaut bestand deshalb die
Versicherungspflicht erst ab Umwandlung der Beklagten in eine AG zum 1. Januar
1996. Die Vorschrift ist aber dahin auszulegen, dass es nicht auf die
(privatrechtliche) Rechtsform des Versicherungsunternehmens ankommt. Die
Regelungen des PflegeVG über die Versicherungspflicht in der sozialen und
privaten Pflegeversicherung (vgl § 1 Abs 2, § 20, § 21 und § 23 Abs 1 SGB
XI) haben das Ziel, grundsätzlich die gesamte Bevölkerung gegen das Risiko der
Pflegebedürftigkeit abzusichern. Um dieses Ziel mit einem vertretbaren
Verwaltungsaufwand zuverlässig zu erreichen, knüpft das Gesetz die
Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung an das Bestehen eines
gesetzlichen oder privaten Krankenversicherungsschutzes an (vgl jetzt
Bundesverfassungsgericht <BVerfG> Urteil vom 3. April 2001 - 1 BvR 81/98 -
S 18/19 des Umdrucks mwN). Mit § 23 Abs 4 SGB XI ist die Versicherungspflicht
nach Abs 1 der Vorschrift ausdrücklich auf Krankenversicherte bestimmter
bundesweit geltender Sondersysteme erstreckt worden (Heilfürsorgeberechtigte,
Mitglieder der Postbeamtenkrankenkasse und der Krankenversorgung der
Bundesbahnbeamten). Für die bei öffentlich-rechtlichen, nach Landesrecht
errichteten Einrichtungen privat Versicherten besteht eine Regelungslücke, die
durch Auslegung im Sinne des Gesetzes zu schließen ist. Danach genügt für die
Versicherungspflicht das Bestehen eines auf einem privatrechtlichen Vertrag
beruhenden Krankenversicherungsschutzes mit einem Versicherungsunternehmen, das
den Regelungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) unterfällt. Hierzu
gehören neben den privaten Unternehmensformen der AG und des
Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit auch Körperschaften und Anstalten des
öffentlichen Rechts (§ 7 Abs 1 VAG), zu denen die Beklagte bis Ende 1995
zählte. Die von diesen sogenannten Wettbewerbsversicherern geschlossenen
Versicherungsverträge unterliegen dem Privatrecht (vgl Michaels, Rieger,
Vogelsang in Handwörterbuch der Versicherung, 1988 S 1135, 1140).
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der dem Kläger angebotene
Pflegeversicherungsvertrag nach dem für Beihilfeberechtigte maßgebenden Tarif
PVB den Anforderungen des § 23 Abs 1 Satz 2 und Abs 3 SGB XI nicht entsprochen
oder die Beklagte ihre Verpflichtungen zur inhaltlichen Ausgestaltung des
Pflegeversicherungsvertrags aus § 110 Abs 1 Nr 2 SGB XI verletzt hat.
Insbesondere überstieg der geforderte Beitrag von 24,28 DM monatlich nicht den
zulässigen Höchstbeitrag von 50 vH des Höchstbeitrages der sozialen
Pflegeversicherung (§ 110 Abs 1 Nr 2 Buchst e SGB XI). Im Jahre 1995 waren 50
vH des Höchstbeitrages zur sozialen Pflegeversicherung 29,25 DM monatlich
(monatliche Beitragsbemessungsgrenze 5.850 DM x 0,5 vH; § 55 Abs 1 Satz 1 und
2, Abs 2 iVm § 28 Abs 2 SGB XI).
b) Die Verpflichtung privat krankenversicherter Beamter, sich privat
beihilfekonform gegen das Pflegerisiko zu versichern, verstößt nicht gegen
Verfassungsrecht.
Das BVerfG hat auf die Verfassungsbeschwerde einer privat krankenversicherten
Rechtsanwältin bereits entschieden, dass die Vorschriften des SGB XI über die
Verpflichtung privat Krankenversicherter zum Abschluss und zur Aufrechterhaltung
privater Pflegeversicherungsverträge (§ 23 Abs 1 und 2 SGB XI) und deren
nähere inhaltliche Ausgestaltung (§ 110 SGB XI) Grundrechte, insbesondere das
Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art 2 Abs 1 GG), nicht verletzen.
Die Bestimmungen beruhen auf der Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art 74
Abs 1 Nr 11 GG ("privatrechtliches Versicherungswesen"; Urteil vom 3.
April 2001 - 1 BvR 2014/95, SozR 3-1100 Art 74 Nr 4 S 21 ff). Der mit der
gesetzlichen Verpflichtung zum Abschluss und zur Aufrechterhaltung eines
privaten Pflegeversicherungsvertrags verbundene Eingriff in dieses Grundrecht
ist darüber hinaus materiell mit Art 2 Abs 1 GG vereinbar (aaO S 25 ff).
Soweit von den Vorschriften des SGB XI über die Verpflichtung zum Abschluss und
zur Aufrechterhaltung des privaten Pflegeversicherungsvertrags und dessen
inhaltliche Ausgestaltung Bundesbeamte wie der Kläger betroffen werden, beruht
die Gesetzgebungskompetenz für die in § 23 Abs 1, 2 und 3, § 110 SGB XI
getroffenen Regelungen ebenfalls auf Art 74 Abs 1 Nr 11 GG. Die Vorschriften
beinhalten für Beamte wie den Kläger lediglich eine Begrenzung des Umfangs der
Versicherungspflicht. Ob die Bestimmungen zur Ausgestaltung des
Versicherungsvertrags in § 23 Abs 3 Satz 2 SGB XI (angefügt durch Art 1 Nr 9
des 1. SGB XI-Änderungsgesetzes vom 14. Juni 1996 <BGBl I S 830>) für
Landesbeamte gleichzeitig eine beamtenrechtliche Regelung über den Umfang der
Beihilfe zum Inhalt haben und insoweit möglicherweise nur auf Art 75 Abs 1 Satz
1 Nr 1 GG gestützt werden könnten, ist hier nicht zu entscheiden.
Die Verpflichtung zum Abschluss eines beihilfekonformen
Pflegeversicherungsvertrags verletzt nicht die dem Staat durch Art 33 Abs 5 GG
auferlegten Bindungen und damit das dem einzelnen Beamten zur Durchsetzung
dieser Bindungen gewährte grundrechtsgleiche Individualrecht (vgl zu dieser
Bedeutung des Art 33 Abs 5 GG BVerfGE 8, 1,14). Der Gesetzgeber ist durch die
nach Maßgabe des Art 33 Abs 5 GG verfassungsrechtlich geschützten
hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nicht gehindert, die Beamten zur
Absicherung des Pflegerisikos in dem durch das SGB XI vorgeschriebenen Umfang in
das System der privaten Pflege-Pflichtversicherung einzubeziehen.
Es besteht keine verfassungsrechtliche Verpflichtung der jeweiligen
Dienstherren, den Beamten für das Pflegerisiko Unterstützung ausschließlich
in Form von Beihilfen und in einem solchen Umfang zu gewähren, dass eine eigene
Pflegeversicherung überflüssig wäre. Art 33 Abs 5 GG schützt nach der
Rechtsprechung des BVerfG nur jenen Kernbestand von Strukturprinzipien der
Institution des Berufsbeamtentums, die allgemein oder doch überwiegend und
während eines längeren, traditionsbildenden Zeitraums, mindestens unter der
Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind (vgl
BVerfGE 46, 97, 117; 58, 68, 76 f; 83, 89, 98). Hierzu gehören das
Alimentationsprinzip, das den Dienstherrn verpflichtet, dem Beamten und seiner
Familie amtsangemessenen Unterhalt zu leisten (vgl BVerfGE 83, 89, 98, stRspr),
und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl BVerfGE 43, 154, 165; 46, 97, 117;
83, 89, 98). Nicht dazu zählt dagegen das gegenwärtige System der
Beihilfegewährung, da es sich erst in jüngerer Zeit herausgebildet hat (BVerfGE
83, 89, 98 mwN). - Dass vor Inkrafttreten des PflegeVG am 1. Januar 1995 Beamten
bei Pflegebedürftigkeit Leistungen nach den Beihilfevorschriften des Bundes (BhV)
gewährt wurden (vgl § 6 Abs 1 Nr 7 und § 9 BhV idF vom 5. März 1992 <GMBl
S 210>, ab 1. Januar 1992) und die ergänzende Eigenvorsorge für den Fall
der Pflegebedürftigkeit wie für den Krankheitsfall freigestellt war, zwingt
den Gesetzgeber ebenfalls von Verfassungs wegen nicht, Beamten die Beihilfe
insoweit in Zukunft unverändert weiterzugewähren, so dass sich eine
Pflege-Pflichtversicherung möglicherweise erübrigen könnte. Denn das System
der Beihilfe kann geändert werden, ohne dass Art 33 Abs 5 GG berührt wird (vgl
BVerfGE 44, 249, 263; 83, 89, 98). Zu keinem Zeitpunkt bestand im übrigen
allein aus Art 33 Abs 5 GG ein Anspruch auf volle Übernahme der Kosten bei
Pflegebedürftigkeit durch die Beihilfe, wovon offenbar der Kläger im
bisherigen Verfahren ausgegangen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat ohne eine
ausdrückliche Regelung in den BhV wegen des beamtenrechtlichen
Fürsorgeprinzips lediglich eine Pflicht des Dienstherrn zu einer
Ermessensentscheidung über solche Kosten für notwendig gehalten (vgl BVerwGE
22, 160; 52, 358).
Die Einbeziehung der Beamten in das System der Pflegeversicherung steht nicht in
Widerspruch zum Alimentationsprinzip. Dieser Grundsatz verpflichtet von
Verfassungs wegen lediglich dazu, dem Beamten eine amtsangemessene Alimentation
zu gewähren. Die Dienstbezüge einschließlich der Alters- und
Hinterbliebenenversorgung sind so zu bemessen, dass die nach allgemeiner
Anschauung anerkannten Bedürfnisse der arbeitenden Menschen befriedigt werden
können (vgl BVerfGE 58, 68, 77). Dazu gehören nach der Rechtsprechung des
BVerfG die Kosten einer Krankenversicherung als regelmäßige Form der
gegenwärtigen Krankheitsvorsorge (vgl BVerfGE 58, 68, 77 f; 83, 89, 98). Im
Hinblick auf das den größten Teil der Bevölkerung erfassende PflegeVG sind
hierzu nunmehr auch die Kosten einer Pflegeversicherung zu rechnen. Die
beamtenrechtliche Alimentation wäre daher nicht mehr ausreichend, wenn die zur
Abwendung von Belastungen bei Pflegebedürftigkeit erforderlichen
Pflegeversicherungsprämien einen solchen Umfang erreichten, dass der
amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten nicht mehr gewährleistet wäre (vgl
BVerfGE 58, 68, 78 zu den erforderlichen Krankenversicherungsprämien). Bei
einer solchen Sachlage wäre verfassungsrechtlich eine entsprechende Korrektur
der Besoldungs- und Versorgungsgesetze geboten, die das Alimentationsprinzip
konkretisieren. Dieses Prinzip verpflichtet somit den Gesetzgeber von
Verfassungs wegen, die Alimentation so auszugestalten, dass dem Beamten die
Mittel für eine Pflegeversicherung zur Verfügung stehen. Es hindert ihn jedoch
nicht, eine solche Versicherung nicht nur bei der Bemessung der Bezüge zu
berücksichtigen und ihren Abschluss und ihre Aufrechterhaltung dem Beamten
freizustellen, sondern dies zur Pflicht zu machen.
Die Einbeziehung der Beamten in das System der privaten
Pflege-Pflichtversicherung greift auch nicht verfassungswidrig in die
Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten ein. Es ist nach der
Rechtsprechung des BVerfG in erster Linie Sache des Dienstherrn, für einzelne
Regelungsbereiche die ihm aus der Fürsorgepflicht dem Beamten gegenüber
obliegenden Verpflichtungen durch Gesetze, Verordnungen oder
Verwaltungsvorschriften zu konkretisieren. Bei der Ausfüllung des ihm hierbei
zustehenden weiten Gestaltungsspielraums ist er lediglich insoweit gebunden, als
die beabsichtigte Regelung dem wohlverstandenen Interesse des Beamten gebührend
Rechnung zu tragen hat. Was der Dienstherr dem Beamten danach im einzelnen
schuldet, lässt sich nur im Hinblick auf den jeweils zu regelnden Sachbereich
bestimmen. Insoweit gilt für den dem Normgeber aus Art 33 Abs 5 GG vorgegebenen
Maßstab grundsätzlich nichts anderes als für die die Fürsorgepflicht
berücksichtigende Einzelfallentscheidung des Dienstherrn (vgl dazu BVerfGE 43,
154, 165 f). Demgemäß hat der Dienstherr Vorkehrungen zu treffen, dass der
amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten bei Eintritt besonderer finanzieller
Belastungen durch Krankheits-, Geburts- und Todesfälle nicht gefährdet wird.
Ob er dieser Pflicht über eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über
Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise nachkommt, bleibt von
Verfassungs wegen seiner Entscheidung überlassen (BVerfGE 83, 89, 100).
Nach der seit Inkrafttreten des SGB XI geltenden Rechtslage erfüllt der Bund
als Dienstherr seine Fürsorgepflicht gegenüber den Beamten zur Unterstützung
für den Fall der Pflegebedürftigkeit durch die Gewährung von Beihilfen (vgl
§ 9 BhV idF vom 29. Dezember 1994 <GMBl 1995 S 51> mit nachfolgenden
Änderungen). Ob die Regelungen der BhV den Anforderungen genügen, die dem
Dienstherrn aus der Fürsorgepflicht erwachsen (vgl dazu BVerfGE 83, 89, 101;
BVerwGE 22, 160 und 52, 358), ist hier nicht zu entscheiden. Die hier auf ihre
Verfassungsmäßigkeit zu überprüfende, zur Ergänzung der Beihilfe
vorgeschriebene beihilfekonforme Pflichtversicherung in der privaten
Pflegeversicherung trägt jedenfalls den wohlverstandenen Interessen der Beamten
Rechnung und steht daher mit dem Grundsatz der Fürsorgepflicht in Einklang.
Wie das BVerfG bereits entschieden hat, durfte der Gesetzgeber die Einführung
einer Pflege-Pflichtversicherung für erforderlich halten, weil eine
hinreichende anderweitige Absicherung des Pflegerisikos in der Bevölkerung
nicht bestand und die Bevölkerung nicht bereit war, sich alsbald freiwillig
gegen das Pflegerisiko abzusichern. Aus der mangelnden Bereitschaft zur
entsprechenden freiwilligen Eigenvorsorge durfte er den Schluss ziehen, dass es
der Bevölkerung am gebotenen Risikobewusstsein fehlte und sie - anders als bei
der Versicherung des Krankheitsrisikos - keinen "Versicherungsdruck"
verspürte (BVerfG Urteil vom 3. April 2001 - 1 BvR 2014/95 - SozR 3-1100 Art 74
Nr 4 S 27).
Der Einwand der Revision, die "Sozialversicherungsfreiheit als Ganzes"
gehöre zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, ist - bezogen
auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt - unverständlich. Der Kläger wird
nicht in die Sozialversicherung einbezogen, sondern ist verpflichtet, einen
privaten Pflegeversicherungsvertrag abzuschließen. Der Einwand trifft auch im
übrigen nicht zu. Verfassungsrechtlich zwingend gefordert ist nach der
Rechtsprechung des BVerfG allerdings, dass der Beamte weiterhin innerhalb des
öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses rechtlich und
wirtschaftlich abgesichert ist, dass die personale Bindung des Beamten zum
Dienstherrn für die Unterhaltsgewährung ungeschmälert bestehen bleibt und die
Angemessenheit des Unterhalts nach Maßgabe des Alimentationsprinzips im
Beamtengehalt selbst gewahrt ist. Die Alimentationsverpflichtung des Dienstherrn
ist unabdingbar und kraft ihrer besonderen rechtlichen Struktur nicht teilbar.
Auf dem Boden der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums können weder
das Gehalt des aktiven Beamten noch das Ruhegehalt oder die
Hinterbliebenenversorgung (ganz oder teilweise) in Leistungen anderer Qualität,
zB Sozialversicherungsleistungen übergeleitet werden (BVerfGE 44, 249, 269 f;
76, 256, 319 f). Diese Alimentationsverpflichtung des Dienstherrn wird jedoch
durch die im SGB XI dem Beamten zur Pflicht gemachte teilweise Eigenvorsorge
für das Pflegerisiko nicht berührt. Sie wird nicht etwa auf die
Sozialversicherung übertragen, sondern verbleibt beim Dienstherrn. Andernfalls
wäre es unverständlich, dass er, wie ausgeführt, bei der Bemessung des
amtsangemessenen Lebensunterhalts die Kosten der Pflegeversicherung zu
berücksichtigen hat.
Eine Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 Satz 1 GG kam nach allem nicht
in Betracht. Der Senat konnte sich nicht von der Verfassungswidrigkeit der im
SGB XI für privat krankenversicherte Beamte begründeten Verpflichtung
überzeugen, sich privat gegen das Pflegerisiko beihilfekonform zu versichern.
Die Revision war daher in der Hauptsache zurückzuweisen.
3. Das gilt auch für die Revision gegen die Kostenentscheidung des LSG. Das LSG
hat die Entscheidung des SG, außergerichtliche Kosten seien nicht zu erstatten,
aufgehoben und den Kläger verurteilt, der Beklagten die außergerichtlichen
Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Dieses Kostenurteil beruht auf § 193
Abs 1 SGG und ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das LSG war auch nicht durch
das Verbot der Schlechterstellung des Rechtsmittelklägers an der Korrektur der
Kostenentscheidung des SG gehindert (vgl BSGE 62, 131, 136 = SozR 4100 § 141b
Nr 40 S 154).
4. Auch die Kostenentscheidung des Senats beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Urteil des BSG vom 11.10.2001 - B 12 P 1/00 R -
http://www.bundessozialgericht.de
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