»Wie die unterschiedlichen Religionen zu Organspenden stehen«
Rund 20.000 Fragen zur Organspende beantwortet der ARBEITSKREIS
ORGANSPENDE (AKO) jährlich. Eine Frage, die immer wieder gestellt wird, betrifft die
Einstellung der Kirche zur Organspende - eine Frage, die nicht für alle
Glaubensgemeinschaften einheitlich beantwortet werden kann. In Deutschland gibt es 27,7
Millionen evangelische, 27,5 Millionen katholische und rund 1,2 Millionen orthodoxe
Christen. Außerdem leben hier mehr als drei Millionen Muslime, 80.000 Menschen jüdischen
Glaubens und rund 200.000 Buddhisten. Wie stehen diese Religionen dem Thema Organspende
und -transplantation gegenüber?
"Die Bereitschaft zur Organspende nach dem Tod ist ein Zeichen der Nächstenliebe und
Solidarisierung mit Kranken und Behinderten", so die Haltung der evangelischen und
der katholischen Kirche in ihrer "Gemeinsamen Erklärung" von 1990.
Organtransplantationen sind ethisch gerechtfertigt, weil sie das Leben eines anderen
Menschen retten, Leid lindern und Lebensqualität verbessern. Angehörige, die die
Einwilligung zu einer Organspende geben, handeln "ethisch verantwortlich".
Beide großen Kirchen erkennen den Hirntod als Todeszeitpunkt des Menschen an, der
Voraussetzung für eine Organentnahme ist. Die Feststellung des Todes und die
Verfahrensregeln zur Feststellung sind durch die Bundesärztekammer in Richtlinien
festgelegt. Funktionsfähige Organe können nach dieser "unaufhebbaren Trennung vom
irdischen Leben" dem Leib entnommen und anderen schwerkranken Menschen eingepflanzt
werden. Der Glaube an die Auferstehung der Toten steht einer Organspende nicht im Wege,
denn die Auferweckung ist "Tat und Wunder Gottes" und setzt nicht das
Vorhandensein eines unversehrten Leichnams voraus. Grundsätzlich stimmt dieser Haltung
auch die Kommission der Orthodoxen Kirche in Deutschland (KOKID) zu. Allerdings, so der
KOKID-Vorsitzende Prof. Dr. Dr. Anastasios Kallis, setze dies die Achtung vor der Würde
des Menschen voraus: "Der Leichnam darf nicht zu einem Ersatzteillager in der Art
eines ausgemusterten Fahrzeugs degradiert werden, das kommerziellen Zwecken dient."
Auch wenn nach buddhistischem Glauben der Sterbeprozess eines Menschen sehr viel länger
dauert, als von außen zu sehen ist, erkennen die meisten Buddhisten als Voraussetzung
für eine Organspende den Hirntod als Tod des Menschen an. "Wir richten uns nach den
Gesetzen des Landes, in dem wir leben", so Christa Bentenrieder, Geschäftsführerin
der Deutschen Buddhistischen Union (DBU). Jeder Buddhist müsse aber grundsätzlich seine
eigene Haltung dazu finden, denn im Buddhismus gebe es keine Autorität, die vorschreibt,
was zu tun ist.
Die meisten tibetisch-buddhistischen Anhänger in Deutschland sehen Organspende allerdings
durchaus kritisch. Denn hier gilt die Regel, einen Toten möglichst lange liegen zu
lassen, um seinen Sterbeprozess nicht zu stören. Andererseits, so Christa Bentenrieder,
"ist es eben gerade auch buddhistisch, diese Störung nicht so wichtig zu nehmen,
wenn durch eine Organspende anderes Leben gerettet werden kann. Denn das gilt als
höchster Akt tätigen Mitgefühls." Zu den Grundsätzen im Buddhismus gehört neben
dem Geben, Teilen und der Solidarität auch, dass der Mensch nicht mit seinem Körper
identifiziert ist und sich nicht an ihn klammert. Das gilt für den Spender, ebenso aber
auch für den Empfänger.
Der Islam erlaubt die Organspende ebenfalls, wenn sie die einzig mögliche lebensrettende
Behandlung für den Empfänger ist. Voraussetzung ist auch hier wie im deutschen
Transplantationsgesetz: Der Tod des Menschen und die ausdrückliche Zustimmung des
Spenders oder seiner Angehörigen. Sunniten und Schi´iten unterscheiden sich in der
praktischen Konsequenz jedoch erheblich: Während die Sunniten (in Deutschland rund drei
Millionen) auch bei Nicht-Muslimen als Spender wie als Empfänger in Frage kommen können,
dürfen die Schi´iten (in Deutschland rund 100.000) ihre Organe nur einem anderen Muslim
spenden. Organe empfangen dürfen sie dagegen auch von Andersgläubigen. "Kinder und
entmündigte Personen", so Dr. Nadeem Elyas, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime
in Deutschland, "sind als Organspender dagegen immer ausgenommen. Hier reicht die
Zustimmung von Erziehungsberechtigten oder dem Vormund nicht aus."
Im jüdischen Glauben gilt ein Mensch erst dann als tot, wenn er nicht mehr atmet und
keinen Pulsschlag mehr hat. "Dem Hirntod", so Landesrabbiner Dr. Joel Berger von
der Rabbinerkonferenz, "wird in der Halacha, der verbindlichen jüdischen
Gesetzesauslegung, keinerlei Bedeutung beigemessen." Organspenden wie im
Transplantationsgesetz beschrieben sind damit nach jüdischem Glauben nicht erlaubt. Die
Transplantation einer Hornhaut von einem Toten ist dagegen gestattet. Erlaubt sind auch
Transplantationen von sich regenerierenden Substanzen vom lebenden Menschen, wie z.B.
Blutspenden, Haut- und Knochenmarktransplantate. Auch die Lebendspende einer Niere ist mit
dem jüdischen Glauben zu vereinbaren, allerdings nur, wenn die Gefahr für den Spender
sehr gering und die Transplantation für den Empfänger lebensrettend ist, sie also nicht
"nur" der besseren Lebensqualität dient.
"Es gibt viele Fragen, die ein Mensch erst einmal für sich klären muss, bevor er
sich für oder gegen eine Organspende entscheiden kann", so Anna Viek vom AKO. Die
Frage, ob eine Organspende mit der eigenen Religion zu vereinbaren ist, ist nur eine
davon. "Wir versuchen jedem die Informationen zur Verfügung zu stellen, die er für
seine persönliche Entscheidung braucht."
Informationen zur Organspende erhalten Sie beim Arbeitskreis Organspende http://www.akos.de.
Quelle: Pressemitteilung AKOS März 2000
Werner Schell (9.4.2000)
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