Bundesgerichtshof entscheidet über die Höhe von Krankenhaus -
Wahlleistungsentgelten
Der für das Dienstvertragsrecht zuständige III. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 4. August 2000 - III ZR 158/99 -zum
ersten Mal zur Frage der zulässigen Höhe der von einem Krankenhaus verlangten Zuschläge
für die Unterbringung in einem Einbett- oder Zweibettzimmer Stellung genommen:
Begibt sich ein Patient zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus, so hat er bzw.
seine Krankenkasse die nach Maßgabe der Bestimmungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes
und der Bundespflegesatzverordnung zwischen den Krankenkassen und dem Krankenhausträger
ausgehandelten Entgelte zu bezahlen. Üblicherweise fallen je Unterbringungstag
"tagesgleiche Pflegesätze" an, und zwar jeweils ein Pflegesatz für die
ärztliche und pflegerische Versorgung (Abteilungspflegesatz) und ein solcher für die
sonstigen Krankenhausleistungen, zu denen insbesondere Unterkunft und Verpflegung gehören
(Basispflegesatz). Neben den mit diesen Pflegesätzen abgegoltenen allgemeinen
Krankenhausleistungen können die Krankenhäuser aufgrund besonderer Vereinbarung mit
einem Patienten gesondert zu berechnende Wahlleistungen erbringen. Zu diesen
Wahlleistungen gehört vor allem die Unterbringung in einem Einbett- oder Zweibettzimmer
anstatt - wie weitgehend üblich - in einem Mehrbettzimmer. Nimmt ein Patient
diese Wahlleistung in Anspruch, so "erkauft" er sich für einen bestimmten, zu
den Pflegesätzen hinzukommenden Betrag - Einbett- oder Zweibettzimmerzuschlag -
das Recht des Alleinseins
bzw. den Vorzug, das Krankenzimmer nur noch mit einer weiteren Person teilen zu müssen.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 1. Halbs. der Bundespflegesatzverordnung (BPflV),
dürfen die Entgelte für Wahlleistungen in keinem unangemessenen Verhältnis zu den
Leistungen stehen. Dieser das Wahlleistungsentgelt nach oben hin begrenzenden Bestimmung
steht § 22 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. BPflV gegenüber. Danach müssen
diese Entgelte mindestens die hierfür bei der Ermittlung der pflegesatzfähigen Kosten
abzuziehenden Beträge abdecken. Bezogen auf die Wahlleistung Unterkunft bedeutet dies,
daß ein Krankenhaus bei der Unterbringung in einem Einbettzimmer vom Patienten einen
Zuschlag in Höhe von mindestens 65 v.H. und bei der Unterbringung in einem
Zweitbettzimmer einen solchen in Höhe von mindestens 25 v.H. des Basispflegesatzes
verlangen muß. Gehört die Unterbringung im Zweibettzimmer zu den allgemeinen
Krankenhausleistungen - hat also das Krankenhaus überhaupt keine Zimmer zur
Verfügung, in denen mehr als zwei Personen untergebracht sind -, kommt ein
Zweibettzimmerzuschlag nicht in Betracht; das Mindestentgelt für ein Einbettzimmer
beträgt in diesem Falle 35 v.H. des Basispflegesatzes.
Der im vorliegenden Rechtsstreit beklagte Landkreis ist Träger von sechs Krankenhäusern,
bei denen die Patienten für Unterkunft und Verpflegung einen Basispflegesatz von
durchschnittlich ca. 135 DM täglich zu zahlen haben. Der Beklagte verlangt bei
Unterbringung in einem Zweibettzimmer einen Zuschlag von durchschnittlich
ca. 175 DM täglich, also einen Betrag, der den Mindestpreis von
ca. 34 DM um mehr als das Fünffache übersteigt. Bei Unterbringung in einem
Einbettzimmer ist ein Zuschlag in Höhe von ca. 270 DM zu bezahlen, also eine
Summe, die den Mindestpreis von ca. 88 DM um mehr als das Dreifache übersteigt.
Der klagende Verband der privaten Krankenversicherung ist der Auffassung, daß die vom
Beklagten verlangten Entgelte für die Wahlleistung Unterkunft unangemessen hoch sind und
daher gegen § 22 Abs. 1 Satz 3 1. Halbs. BPflV verstoßen. Er
verlangt, wozu er nach § 22 Abs. 1 Satz 5 BPflV ausdrücklich befugt ist,
vom Beklagten Herabsetzung dieser Entgelte, und zwar auf einen Betrag von 113 DM
täglich bei Unterbringung in einem Zweibettzimmer und auf 177 DM täglich bei
Unterbringung in einem Einbettzimmer. Hierbei handelt es sich nach der Behauptung des
Klägers um die Preise, die im Bundesgebiet durchschnittlich verlangt werden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, daß § 22
Abs. 1 Satz 3 1. Halbs. BPflV lediglich eine Ausprägung des allgemeinen
Wucherverbots sei. Deshalb sei die Preisgestaltung des Beklagten nur dann zu beanstanden,
wenn zwischen dem verlangten Preis und dem Wert der Wahlleistung ein auffälliges
Mißverhältnis bestehe. Davon könne nicht ausgegangen werden.
Der im Wege der Sprungrevision angerufene Bundesgerichtshof ist dieser Meinung nicht
gefolgt. Er ist der Auffassung, daß bereits ein "einfaches" Mißverhältnis
zwischen dem objektiven Wert der Wahlleistung und dem dafür zu entrichtenden Entgelt
genügt, um den verlangten Preis als unangemessen hoch zu verwerfen. Er hat deshalb das
Urteil des Landgerichts aufgehoben.
Hinsichtlich der - noch weiter zu klärenden - Frage, nach welchen Maßstäben
die Angemessenheit der für die Wahlleistung Unterkunft verlangten Preise eines
Krankenhauses zu überprüfen sind, hat der Bundesgerichtshof die folgenden Grundsätze
aufgestellt:
1. Für die Beurteilung der Angemessenheit eines Wahlleistungsentgelts kann wegen der
Eigengesetzlichkeiten des "Krankenhausmarktes" nicht auf Vergleichspreise
außerhalb dieses Bereiches zurückgegriffen werden; insbesondere sind die in der Umgebung
des Krankenhauses verlangten Preise im Hotelgewerbe kein Gradmesser.
2. Die von vergleichbaren Krankenhäusern verlangten Entgelte sind ebenfalls nur bedingt
aussagekräftig, weil zu vermuten ist - was auch der Einschätzung des Gesetz- und
Verordnungsgebers bei Schaffung der geltenden Preisvorschriften entspricht -, daß
sich die für die Wahlleistung Unterkunft verlangten Entgelte insgesamt auf einem (zu)
hohen Niveau befinden.
3. Ausgangspunkt für die Angemessenheitsprüfung ist daher vor allem die in § 22
Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. BPflV enthaltene Mindestpreisregelung.
a) Unter Zugrundelegung eines nicht unerheblichen Gestaltungsspielraums, der nach
Auffassung des Senats mit ca. 20 v.H. zu veranschlagen ist, können im
allgemeinen ohne Rücksicht auf irgendwelche Komfortvorteile Wahlleistungsentgelte in
Höhe von 30 v.H. des Basispflegesatzes bei Zweibettzimmern und in Höhe von 80 v.H.
bei Einbettzimmern als noch angemessen angesehen werden (regelmäßige untere
Angemessenheitsgrenze).
Hält sich ein Krankenhaus in diesem Rahmen, so hat ein Patient oder - wie
hier - der Verband der privaten Krankenversicherung näher darzulegen, warum das
verlangte Entgelt gleichwohl als unangemessen hoch zu verwerfen sein soll.
b) Weisen die angebotenen Einbett- und Zweibettzimmer gegenüber den sonstigen
Mehrbettzimmern des Krankenhauses ein höheres Unterkunftsniveau auf - worüber
allein das Krankenhaus näheren Aufschluß geben kann -, so rechtfertigt dies
entsprechende Preisaufschläge. Dabei ist es bereits in der Mindestpreisregelung des
§ 22 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. BPflV angelegt, daß die Höhe des
Basispflegesatzes auch bei der Angemessenheitsprüfung dieser "Komfortzimmer"
bedeutsam bleibt.
Das bedeutet, daß dann, wenn eine Wahlleistungsunterkunft gegenüber den sonstigen
Mehrbettzimmern ein deutliches zusätzliches Qualitätsmerkmal - wie etwa eine eigene
Sanitärzone mit Dusche und WC - aufweist und die regelmäßige untere
Angemessenheitsgrenze nur maßvoll überschritten wird, schon allein dieses Merkmal
genügt, um die Einhaltung des Angemessenheitsgebots zu belegen. Demgegenüber sind um so
höhere Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Krankenhauses hinsichtlich der
Beachtung dieses Gebotes zu stellen, je weiter sich das geforderte Entgelt vom
Mindestpreis entfernt.
Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe Nr. 56/2000 vom 4. August 2000
Werner Schell (2.9.2000)
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