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Deutsche Hospiz Stiftung in Dortmund legte Veröffentlichung vor: "Sterbehelfer in Deutschland - Weißbuch 2000"

Das Weißbuch liefert Fakten für Meinungsbilder und Entscheider, ist aber jedem zugänglich. Bestellt werden kann es gegen 20 DM (bar, Briefmarken oder Verrechnungsscheck) bei der Deutschen Hospiz Stiftung, Im Defdahl 5- 10, 44141 Dortmund; Telefon 0231/738073-0 (http://www.hospize.de).

Ein Leitfaden - zum Weißbuch
Das Weißbuch dokumentiert die Geschichte und die Aktivitäten der Sterbehelfer in Deutschland, insbesondere der sogenannten "Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS)". Alle Daten und Fakten, Zitate und Dokumente sind aus Materialien und Publikationen der DGHS entnommen. Weil diese Unterlagen meist nur von Sympathisanten angefordert werden oder nur einem eingeschränkten Kreis von Mitgliedern der DGHS mit engen Auflagen zur Verfügung gestellt werden, ist die Veröffentlichung und Verbreitung in Form dieses Weißbuches ein Akt der Aufklärung und ein Beitrag zur Transparenz.
Das Weißbuch dient als nüchterne Materialsammlung und Dokumentation. Der Leserin und dem Leser werden dennoch Mechanismen und Methoden der Sterbehelfer offenkundig. Die Tricks, die Hintergründe und die Profitorientierung werden dargestellt.
Dieser Leitfaden soll die Verfahrensweisen der DGHS deutlich und augenfällig machen. Er weist auf die zentralen Punkte in der großen Menge der Informationen und Dokumente hin. Er scheut sich auch nicht vor einer Wertung der objektiven Tatbestände.

I. Die Entwicklung der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben
Der historische Abriss (Seite 4-8) macht deutlich, dass die DGHS seit ihrer Gründung nicht auf die Schaffung von humanen Bedingungen des Sterbens abzielt, wie der Name suggeriert. Dies hieße, sich für würdige Sterbebegleitung, moderne Schmerztherapie und psychosoziale Betreuung der Sterbenden und der Angehörigen einsetzen.
Statt dessen werden seit der Gründung immer wieder praktische Hilfen zur Selbsttötung (Seite 4) publiziert und aktive Sterbehilfe befürwortet. Fazit: Schon der Name "Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben" täuscht.
Die Geschichte der DGHS ist durchzogen von Konflikten mit der Justiz. Der damalige Präsident Hans-Henning Atrott wurde rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung im Gifthandel verurteilt (Seite 6). In der Affäre um den Exit-Bag (Seite 7) wurde das Ehrenmitglied der DGHS Christof Burtscher, Leiter der Regionalstelle Wien, wegen Mithilfe zum Selbstmord verurteilt (Seite 40).
Immer geht es jedoch nicht nur um die illegale aktive Sterbehilfe, sondern auch um viel Geld: Atrott wurde wegen Steuerhinterziehung in Höhe von mehreren hunderttausend DM verurteilt. Der Wiener Sterbehelfer Burtscher kassierte von seinem Opfer rund 4000 DM.

II. Die Organisationsstrukturen der DGHS
Die DGHS unterhält ein weitverzweigtes System mit zwei Büros, neun Kontaktstellen, Kontakttelefonen, Mitarbeitern in 49 Städten und 36 Kontaktpersonen (Seite 10). Dies dient der Bindung der geschätzt 40-50.000 Mitglieder. Das "Wir-Gefühl" wird indirekt hervorgerufen und gefördert, nicht explizit propagiert, geschweige denn faktisch gelebt. Auch werden keine Berichte über Tätigkeit, Frequentierung oder Erfolge der Büros, Kontaktstellen und Mitarbeiter veröffentlicht. Die Verwendung der Mitgliedsbeiträge beziehungsweise Spenden ist daher dubios.
Weder ist bekannt, dass persönliche Krisenintervention unvoreingenommen stattfindet, noch werden aus den Beiträgen Einrichtungen für "humanes Sterben" gefördert. Die Preise der anzufordernden Materialien sind so hoch, dass auch hier Profit erzielt und nicht subventioniert wird. Entscheidend sind nicht die Gegenleistung und der Service für Mitglieder, sondern deren gutes Gefühl "dazuzugehören".
Der heutige Geschäftsführer und organisatorische Kopf der DGHS Dr. Kurt F. Schobert war langjähriger Assistent von Hans-Henning Atrott und wurde nach dessen Verurteilung Geschäftsführer (Seite 15). Entgegen der Behauptung der DGHS, mit den Machenschaften von Herrn Atrott gebrochen zu haben, sprechen die personellen Entscheidungen eine andere Sprache.

III. Die Kommunikationsmittel der DGHS
Die Mitgliederzeitschrift (Auflage ca. 41.000) und weitere Publikationen arbeiten mit einem breitem Informationsangebot und der Instrumentalisierung neutraler Themen (Seite 16). In den Artikeln werden meist andere Quellen ausgiebig zitiert oder es wird auf diese verwiesen. Viele Artikel spiegeln die angebliche "Volksmeinung" wider oder benutzen allgemein-interessierende Themen mit leserfreundlicher Bearbeitung so, dass das Gefühl allgemeiner Übereinstimmung entsteht (Seite 30). Der Leser sieht sich in einem breiten gesellschaftlichen Konsens mit vielen Verbündeten. Die positive Resonanz der Leser auf Darstellungen etwa zu den Themen Trauerkultur, Krankenhausbürokratie und Rentenproblematik verleitet dazu, diese Zustimmung auch auf die Frage der aktiven Sterbehilfe zu übertragen.
Dies gilt ebenfalls für die Umarmungstaktik beim Einsatz von Prominenten (Seite 16). Fotos werden als "Eye-Catcher" für den eigenen Imagetransfer missbraucht, da kein Bezug zum umgebenden Text beziehungsweise zum Inhalt der Artikel besteht. Die Interviews oder Stellungnahmen beziehen sich auf gänzlich andere Themen ohne inhaltlichen Zusammenhang mit der DGHS. Dennoch entsteht der Eindruck, die DGHS sei hoffähig, zumindest als Gesprächspartner akzeptiert und ernte viel Zustimmung.
Die massive Öffentlichkeitsarbeit mit Internet, Veranstaltungen, Werbeaktionen (Seite 18) zeitigt keine konkreten Erfolge im Sinne der praktischen Hilfe. Weder unterhält noch unterstützt die DGHS Einrichtungen der praktischen Sterbebegleitung vor Ort, noch kann sie im juristischen oder politischen Bereich Ergebnisse vorweisen.
In Pressemitteilungen und Zeitungsartikeln versteht es die DGHS, kritische Stimmen zu diffamieren. Die Deutsche Presse Agentur (dpa), die Katholische Nachrichten
Agentur (kna) und große Tageszeitungen werden als Hofberichterstatter diskreditiert (Seite 41).
Dubios ist auch die Zusammenarbeit der DGHS mit der Gelka Druck und Verlags GmbH in Ettlingen (Seite 68) und mit dem Sonja Bichler Versandbüro (Seite 69).
Die Öffentlichkeitsarbeit dient nicht der Bewusstseinsbildung für ein verdrängtes Thema, sondern greift im Gegenteil Vorurteile und die Sehnsucht nach einfachen Lösungen auf. Letztliche Ziele sind Mitgliederakquise und Profit (Seite 56).

IV. Die DGHS und der Hospizgedanke
Das Verhältnis der DGHS zur Hospizbewegung ist gekennzeichnet von einer Mischung aus Umarmungsstrategie und Polemik (Seite 19). Die Arbeit der Hospizdienste wird ambivalent dargestellt, jedoch für bestimmte Fälle als nicht ausreichend bewertet. Aus solchen (gezielt konstruierten) Einzelfällen mit Wünschen nach aktiver Sterbehilfe wird die Forderung nach deren genereller Legalisierung abgeleitet - ohne auf die damit verbundenen Gefahren aufmerksam zu machen.
Die Aktivitäten der DGHS selbst sind dabei der beste Beweis für das "Dammbruch-Argument": Aus der Einzelentscheidung wird auf Grund selbstherrlicher Entscheidung über das Leben anderer, durch Verbindung mit Profit-Interessen und Vernachlässigung anderer Alternativen schnell eine generalisierte Scheinlösung. Auf das Argument, dass ein Systemwechsel im Gesundheitswesen - hin zu häuslicher Betreuung und flächendeckend eingesetzter moderner Schmerztherapie - den Ruf nach aktiver Sterbehilfe deutlich zurückdrängt, wird nicht eingegangen.
Der Schmusekurs gegenüber einzelnen Einrichtungen (Seite 27) wird konterkariert von scharfen Angriffen gegen die Deutsche Hospiz Stiftung (Seite 23). In einer verqueren Argumentation wird die Hospizbewegung als Feigenblatt für Missstände im Gesundheitswesen angeprangert - ohne zu sehen, dass der Hospizgedanke für ein grundsätzliches Umdenken steht, für eine Implementierung neuen Denkens in alle Bereiche der medizinischen Versorgung. Als Schwerpunkt müssen nicht stationäre Hospize mit der Gefahr der Abschiebung gesehen werden, sondern Ausbau und Vernetzung der ambulanten Dienste.
Die DGHS-Denkweise ist systemkonservativ statt reformorientiert: Die Befürwortung aktiver Sterbehilfe stärkt das bestehende System und seinen unwürdigen Umgang mit dem Sterben. Weil nicht die unwürdigen Bedingungen bekämpft und verändert werden, sondern der Schwerstkranke undSterbende schneller - und damit kostengünstiger - sein Leben beendet. Aktive Sterbehilfe ist insofern kein Feigenblatt, sondern die makabre Fortentwicklung der Kostenlogik des herrschenden Systems. Der Druck auf die Betroffenen in einen Behandlungsabbruch einzuwilligen würde sich erhöhen. Wer schwach ist, wird aussortiert oder - noch besser - sortiert sich selbst aus.

V. Stellung der DGHS zur Politik
Optisch werden prominente Köpfe wie oben beschrieben als "Eye-Catcher" eingesetzt (Seite 30). Obwohl die DGHS Politiker in dieser Weise nutzt, werden sie gleichzeitig karikiert, da sie zum größten Teil nicht die DGHS stützen. Die DGHS baut dabei sehr subtil die Politiker zum Feindbild ihrer vermeintlichen Selbstbestimmungsideologie auf. Inhaltlich wird dabei kaum nach Personen, Parteien oder Positionen differenziert. Vielmehr findet auch hier eine permanente und pauschale Artikulation des vermeintlich "gesunden Volksempfindens" gegenüber der Politik statt (Seite 29-33).
Wollte man Leser und Mitglieder aufklären, kompetent und damit mündig machen, müssten auch die Nuancen in der politischen Diskussion gesehen werden. Sobald die Komplexität mancher Zusammenhänge deutlich würde, verlöre die Forderung nach aktiver Sterbehilfe und ihrer Legalisierung jedoch den Charme der einfachen Lösung.
Denn: Für wen soll sie gelten? Wer soll sie verabreichen? Wer würde davon direkt oder indirekt profitieren? Würden sich die Zustände im Gesundheitswesen verbessern? Geht es um Freitod oder Sterbehilfe? Ist jeder Selbstmord ein Akt der Selbstbestimmung? Alle diese Fragen werden weder gestellt, noch wird inhaltlich darauf eingegangen.

VI. Stellung der DGHS zur aktiven Sterbehilfe
Die DGHS macht Begriffsverwirrung zur organisatorischen und ideologischen Maxime (Seite 34 f.). Mal ist die Rede von aktiver Sterbehilfe, mal vom humanen Sterben, mal von Hilfe zur Selbsthilfe, mal vom Freitod, mal von Selbstbestimmung, mal von Erlösung.
Die Empfehlung der "konkreten Suizidhilfe EXIT-bag" (Seite 37) oder die Beschaffung einer solchen Kunststoffhülle und Beihilfe zum Selbstmord zum Preis von rund 4000 DM, wie im Falle des Sterbehelfers Christof Burtscher (Seite 40 f.), wird von der DGHS beschönigend mit dem Begriff des "begleiteten Suizids" beschrieben.
Konkret wird die Kampagne nur dort, wo sie Profit verspricht: Die Werbung für den "Bilanz-Suizid mit Kunststoffhülle" (Seite 48) dürfte also für das favorisierte Modell "Humanen Sterbens" der DGHS stehen: Ohne Kenntnis des Einzelfalls, ohne Beratung oder Begleitung, mit deutlichem Profit-Interesse und mit einer qualvollen und riskanten Methode.
Dem gleichen Zweck dienen auch die Publikationen der "Lose-Blatt-Sammlung" und des Buches "Selbsterlösung durch Medikamente". Zugänglich sind sie nur Mitgliedern ab einer einjährigen Zugehörigkeit zur DGHS. Garniert mit allgemeinen und nützlichen Informationen (Seite 69), ist deren Kerninhalt doch schlicht die Gebrauchsanweisung zur eigenen Entsorgung (Seite 76-95).

Vorstehender Text wurde von der Deutschen Hospiz Stiftung in Dortmund (am 6.12.2000) zur Verfügung gestellt.