Bei Mitaufnahme der haushaltsführenden Person ins Krankenhaus besteht
ein Anspruch auf Haushaltshilfe
Kinder im Krankenhaus haben das Recht, ihre Eltern oder eine andere Bezugsperson jederzeit bei sich
zu haben. Aus: "Charta für Kinder im Krankenhaus" |
Bei der stationären Behandlung von (minderjährigen) Patienten ergeben
sich immer wieder Rechtsfragen. Einerseits geht es um die Einbeziehung von mithelfenden
bzw. mitpflegenden Begleitpersonen (meistens nahe Angehörige) und der sich
möglicherweise daraus entwickelnden Haftung bei mangelnder Sorgfalt bzw. Verletzung der
Aufsichtspflicht, zum anderen stellt sich die Frage, ob und ggf. inwieweit die gesetzliche
Krankenversicherung verpflichtet ist, für eine mitaufgenommene Mutter Haushaltshilfe nach
§ 38 Sozialgesetzbuch (SGB) V zu gewähren. Diesbezügliche Fragen werden in den letzten
Jahren vermehrt gestellt. Dies hat u.a. damit zu tun, daß in § 11 Abs. 3
Sozialgesetzbuch (SGB) V "die aus medizinischen Gründen notwendige Mitaufnahme einer
Begleitperson des Versicherten" als Anspruch ausgestaltet worden ist (die Kosten sind
mit dem Pflegesatz abgegolten).
In einem "Muster
Allgemeiner Vertragsbedingungen (AVB) für Krankenhäuser" der Deutschen
Krankenhausgesellschaft (Stand: 1990) heißt es in § 5 zur Aufnahme von Begleitpersonen:
...
(3) Eine Begleitperson wird aufgenommen, wenn dies nach dem Urteil des behandelnden
Krankenhausarztes für die Behandlung des Patienten medizinisch notwendig ist und die
Unterbringung im Krankenhaus möglich ist.
Darüber hinaus kann auf Antrag im Rahmen der Wahlleistung eine Begleitperson aufgenommen
werden, wenn ausreichende Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, der
Betriebsablauf nicht behindert wird und medizinische Gründe nicht entgegenstehen.
...
(5)...Eine Begleitperson wird entlassen, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 3 nicht mehr
gegeben sind. |
Zum anderen ist die Mitaufnahme einer Begleitperson eines stationär zu
versorgenden Kindes auch dadurch erleichtert, daß ein krankenversicherter Elternteil nach
§ 45 SGB V der Arbeit unbezahlt fernbleiben und Anspruch auf Krankengeld erheben kann.
Voraussetzung ist insoweit, daß das Kind das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Der
Anspruch auf Krankengeld besteht in jedem Kalenderjahr für jedes Kind längstens für 10
Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte längstens für 20 Arbeitstage. Der
Anspruch auf Krankengeld besteht für Versicherte insgesamt für nicht mehr als 25
Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte für nicht mehr als 50 Arbeitstage je
Kalenderjahr (§ 45 Abs. 2 SGB V).
Das Bundessozialgericht nahm eine familienfreundliche Auslegung des § 38
SGB V vor
Das Bundessozialgericht (BSG) hatte kürzlich Veranlassung, zum Anspruch auf
Haushaltshilfe bei Mitaufnahme der haushaltsführenden Person ins Krankenhaus eine
Klarstellung herbeizuführen. In dem Grundsatzurteil vom 23. November 1995 - 1 RK 11/95 -
ging es um folgenden Sachverhalt:
Eine nicht berufstätige Mutter, familienversichert über den Ehemann (Klägerin), ließ
sich anläßlich der stationären Behandlung ihres Sohnes Florian vom 26. August bis 2.
September 1991 mit ins Krankenhaus aufnehmen. Um anstelle der Mutter den Haushalt
fortzuführen und die häusliche Betreuung der damals einjährigen Tochter Melanie
sicherzustellen, nahm sich der bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) versicherte
Ehemann unbezahlten Urlaub. Der Antrag der Klägerin, das im Rahmen der Haushaltshilfe
entgangene Nettoarbeitsentgelt des Ehemannes in Höhe von 635 DM zu erstatten, lehnte die
AOK ab. Der hiergegen erhobenen Klage gab das angerufene Sozialgericht (SG) statt. Die
Berufung wurde zurückgewiesen. Mit der Revision rügte die AOK eine Verletzung des § 38
SGB V und macht u.a. geltend: Ein Anspruch auf Haushaltshilfe komme nur in Betracht, wenn
die Person, die den Haushalt bisher geführt habe, stationär behandelt werde. Diese
Voraussetzung sei bei der Mitaufnahme als Begleitperson nicht erfüllt. Die Revision der
beklagten Krankenkasse hatte aber keinen Erfolg.
Aus der Begründung: Das BSG war der Meinung, daß der Klägerin das ihrem Ehemann
entgangene Nettoarbeitsentgelt zu erstatten sei. Zwar umfasse die Regelung des § 38 SGB V
nicht den Fall, daß bei stationärer Behandlung die haushaltsführende Person aus
medizinischen Gründen als Begleitperson des Versicherten mit in das Krankenhaus
aufgenommen werde. Insoweit liege eine planwidrige Gesetzeslücke vor. § 38 SGB V solle
nämlich erreichen, daß nicht aus häuslichen oder familiären Gründen notwendige
medizinische Maßnahmen unterblieben und sich dadurch möglicherweise der
Gesundheitszustand des Versicherten verschlechtere und später eine intensive, längere
und meistens auch teurere Behandlung notwendig werde. Dies gelte nicht nur, wenn die
haushaltsführende Person selbst stationär behandelt werden müsse, sondern auch dann,
wenn ein dem Haushalt angehörendes versichertes Kind der Behandlung bedürfe und aus
medizinischen Gründen die Notwendigkeit bestehe, den haushaltsführenden Elternteil als
Begleitperson in das Krankenhaus aufzunehmen. Deshalb sei § 38 SGB V auf die Fälle der
Mitaufnahme der haushaltsführenden Person entsprechend anzuwenden und so die planwidrige
Lücke zu schließen.
Resümierend läßt sich feststellen:
Das Urteil des BSG hat weitreichende Bedeutung für die Eltern von (geistig) behinderten
Kindern, weil sie häufiger zur Betreuung und Begleitung ihrer Kinder mit in das
Krankenhaus aufgenommen werden müssen. Die erweiterte Auslegung des § 38 SGB V eröffnet
in diesen Fällen die Möglichkeit, die Betreuung weiterer im Haushalt lebender Kinder
sicherzustellen. Voraussetzung ist allerdings, daß das im Haushalt lebende Kind das
zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder daß es behindert und auf Hilfe
angewiesen ist.
Werner Schell (8.9.2000)
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