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Inline-Skates im Straßenverkehr
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich mit der
rechtlichen Einordnung von Inline-Skates im Straßenverkehr zu befassen. Die
getroffene Entscheidung hat weitreichende Bedeutung und wird in Kürze
vorgestellt.
Der Fall:
Eine Klägerin machte Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend,
bei dem sie auf einer Straße im ausserörtlichen Bereich auf Inline-Skates in
einer langgezogenen Linkskurve mit einem entgegenkommenden Motorrollerfahrer
zusammenstieß und sich schwere Verletzungen zuzog. Die Straße ist dort knapp
fünf Meter breit und hat keinen Rad- oder Fußgängerweg. Der linke
Fahrbahnrand wies zur Unfallzeit zahlreiche Unebenheiten auf. Die zulässige
Höchstgeschwindigkeit an der Unfallstelle betrug 30 km/h. Die Klägerin
behauptete, sie sei nach Passieren des Ortsausgangsschildes sofort in einem
Bogen auf die - von ihr aus gesehen - linke Fahrbahnhälfte gefahren und habe
sich dann in deren Mitte weiterbewegt. Zunächt wurde ein Anspruch der Klägerin
auf Ersatz ihres materiellen Schadens aus § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG)
dem Grunde nach nur zu 40% für gerechtfertigt erklärt und die Klage im
Übrigen wegen Mitverschuldens der Klägerin abgewiesen. Dabei wurde u.a. die
Auffassung vertreten, der Klägerin sei zur Last zu legen, dass sie nicht - wie
es § 2 Abs. 1 und 2 Straßenverkehrsordnung (StVO) für Fahrzeuge vorschreibe -
die rechte Fahrbahn benutzt habe. Hierzu sei sie verpflichtet gewesen, weil
Inline-Skates als Fahrzeuge und nicht als "ähnliche
Fortbewegungsmittel" nach § 24 Abs. 1 StVO in Verbindung mit § 25 StVO
nach den für Fußgänger geltenden Regeln zu behandeln seien. Der BGH hat die
angefochtene Entscheidung im Endergebnis bestätigt.
Entscheidungsgründe:
Der Auffassung des Berufungsgerichts über die rechtliche Einordnung der
Inline-Skates könne nicht zugestimmt werden. Inline-Skates seien keine
Fahrzeuge im Sinne der StVO, sondern als ähnliche Fortbewegungsmittel im Sinne
von § 24 Abs. 1 StVO zu behandeln. Sie entsprechen allerdings nicht in jeder
Hinsicht den dort ausdrücklich aufgezählten oder herkömmlicher Weise hierzu
gerechneten „ähnlichen Fortbewegungsmitteln". Sie haben zwar auch nur
ein geringes Eigengewicht und sind üblicherweise nicht mit Beleuchtungen und
mehrfachen Bremssystemen ausgestattet. Inline-Skater können jedoch die
Geschwindigkeit von Fahrradfahrern erreichen und seien damit deutlich schneller
als Fußgänger, wobei - in starkem Maße abhängig vom Können - die Bremswege
erheblich länger sei als bei Fahrrädern. Eine Regelung durch den Gesetzgeber
wäre deshalb wünschenswert. Bis zu einer ausdrücklichen Regelung müsse die
Einordnung der Inline-Skates nach geltendem Recht so erfolgen, dass eine
möglichst geringe gegenseitige Gefährdung oder Behinderung aller
Verkehrsteilnehmer gewährleistet sei. Durch die Einordnung der Inline-Skates in
§ 24 StVO könne den für Inline-Skater bestehenden und von ihnen ausgehenden
Gefahren derzeit noch am ehesten begegnet werden. Dies entspreche auch den
Ergebnissen des Abschlussberichts eines vom Bundesministerium für Verkehr, Bau-
und Wohnungswesen in Auftrag gegebenen Forschungsprojektes "Nutzung von
Inline-Skates im Straßenverkehr", in dem hervorgehoben worden sei, dass
Inline-Skater auf der Fahrbahn mit der derzeitigen technischen Ausrüstung
stärker gefährdet seien als im Seitenraum einer Straße und die
Verträglichkeit mit dem Fahrradverkehr geringer sei als die mit dem
Fußgängerverkehr. Dies spreche entscheidend dagegen, sie durch eine rechtliche
Einordnung als Fahrzeuge grundsätzlich zur Benutzung der Fahrbahn zu
verpflichten, was aufgrund des im Vergleich zu Radfahrern größeren
Breitenbedarfs, der (etwas) geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit und des
längeren Bremsweges der Inline-Skater zu größeren Behinderungen und
Gefährdungen des Fahrzeugverkehrs und ihrer selbst führen könne.
Demgegenüber zeige die bisherige Erfahrung, dass Inline-Skater durch Anpassung
ihrer Geschwindigkeit an die jeweilige konkrete Situation und an ihr Fahrkönnen
die entsprechenden Wege mangels derzeit bestehender sinnvoller Alternativen
gemeinsam mit Fußgängern nutzen können. Selbst wenn mithin Inline-Skates
nicht als Fahrzeuge zu behandeln seien, halte das Berufungsurteil den Angriffen
der Revision im Ergebnis stand. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
wies im vorliegenden Fall der linke Fahrbahnrand zur Unfallzeit zahlreiche
Unebenheiten auf. Nach ihrem eigenen Sachvortrag fuhr die Klägerin denn auch
tatsächlich nicht am linken Fahrbahnrand, wie es grundsätzlich für
Fußgänger vorgeschrieben sei, sondern mitten auf der Fahrbahn des
Gegenverkehrs. Das aber war ihr schon im Hinblick auf ihre Pflichten aus § 1
Abs. 2 StVO gegenüber den ihr entgegenkommenden Fahrzeugen keinesfalls
gestattet. Vielmehr wäre sie - wenn sie auf ein Skaten an der
Unfallörtlichkeit nicht gänzlich verzichten wollte - unter den hier gegebenen
Umständen jedenfalls gehalten gewesen, die rechte Fahrbahnseite zu benutzen. Da
sie dies nicht beachtet habe, müsse sie sich ein Mitverschulden anrechnen
lassen, dessen Bemessung durch das Berufungsgericht keine Rechtsfehler erkennen
ließ.
Urteil des BGH vom 19.03.2002 - VI ZR 333/00 -
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