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Hepatitis-Infektion - Ein Behandlungsfehler?
In einem Aachener Krankenhaus wurden durch den Chefarzt der Abteilung
Herzchirurgie 13 Patienten mit Hepatitis B infiziert. Im Gegensatz zum medizinischen
Personal war der beamtete Chirurg nicht ständig umfassend kontrolliert und auch nicht
geimpft worden.
Über die arbeitnehmer-, haftungs- und strafrechtlichen Aspekte der stattgefundenen
Infektionen sprach "marburger bund - Ärztliche Nachrichten" mit Rechtsanwalt
Roland Peter Wehn (von der DBV-Winterthur Versicherung München). Das Interviewtext wurde
von Herrn Wehn zur Verfügung gestellt und mit seiner Genehmigung wie folgt vorgestellt:
Frage: Herr Wehn, vor dem Hintergrund der Infektionsfälle: sehen Sie
eine generelle Verpflichtung für Ärzte, sich in regelmäßigen Abständen virologisch
untersuchen zu lassen?
Wehn: Diese Frage ist m.E. durch den Haftpflichtjuristen nur zum Teil zu
beantworten, denn eigentlich muß diese Frage aus der Medizin beantwortet werden: Das
Gesetz selbst sieht zur Zeit keine direkte Verpflichtung vor und ich glaube, es ist auch
gut so. Für den Bereich der angestellten Ärzte gibt es berufsgenossenschaftliche
Unfallverhütungsvorschriften, die Untersuchungen in regelmäßigen Abständen vorsehen.
Für den Bereich der verbeamteten Ärzte existieren keine einheitlichen Vorschriften. An
vielen uns bekannten Kliniken nehmen allerdings auch die verbeamteten Ärzte in
regelmäßigen Abständen an freiwilligen betriebsärztlichen Untersuchungen teil und
kommen auch den Impfangeboten nach. Es wäre sicher überzogen, für jeden Bereich der
Medizin eine Untersuchungspflicht konstatieren zu wollen. Für den operativen Bereich
könnte ich mir aber die Notwendigkeit einer generellen Verpflichtung vorstellen,
allerdings würde eine solche generelle Verpflichtung immer sehr massiv in das
Persönlichkeitsrecht des einzelnen Arztes eingreifen und sollte dann als wesentlicher
Eingiff vom durch eine allgemeingültige Norm geregelt werden.
Frage: Wie sieht es denn für die betroffenen Patienten aus?
Wehn: Ohne jetzt einer Entscheidung vorgreifen zu wollen, wird m.E. für die Frage
einer Entschädigung maßgeblich sein, ob aus Sicht der Patienten ein vom Klinikum oder
dem betreffenden Arzt zu vertretender Behandlungsfehler vorliegt. Man wird hier
unterscheiden müssen zwischen der Klinikleitung und dem einzelnen Arzt:
Für die Klinikleitung kommt ein Organisationsverschulden in Betracht, wenn es die an der
Klinik tätigen Ärzte nicht in regelmäßigen Abständen auf die Notwendigkeit einer
betriebsärztlichen Untersuchung hinweist und die Teilnahme auch kontrolliert. Das Problem
ist, daß die sich aus den berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriften
abgeleitete Untersuchungspflicht nicht ohne weiteres für verbeamteten Ärzte gilt.
Allerdings wird man über die generell erhöhte Fürsorgepflicht des Dienstherren
gegenüber dem verbeamteten Arzt auch eine solche Hinweispflicht zumindest diskutieren
müssen. Ein weiteres Problem ist, das diese BG-Vorschriften vom Schutzzweck her in erster
Linie dem Schutz des Arztes dienen und erst in 2. Linie dem Schutz des Patienten. Es ist
danach für den individuellen Einzelfall die Frage zu stellen, ob ein sorgfältiger
Klinikbetreiber diese Untersuchungen generell für alle Ärzte obligatorisch hätte machen
müssen. Ich gehe in Anbetracht der Vielzahl der möglichen Ansteckungsrisiken davon aus,
daß diese Frage zu bejahen sein wird. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, ob im
konkreten Fall Schadenersatzansprüche realisierbar sein würden, denn zwischen der
mangelnden Kontrolle und der konkreten Infektion beim Patienten müßte ein
Ursachenzusammenhang bestanden haben. Würde sich der Arzt z.B. einer im Januar 1999
anstehenden Untersuchung nicht unterzogen haben oder wäre diese nicht angeboten worden,
dann würde aus dieser fehlenden Untersuchung ein Patient der etwa im Dezember 1998
operiert wurde, keine Ansprüche ableiten können.
Für die Eigenhaftung des Arztes - die beim Beamten übrigens auch eingeschränkt ist -
wird maßgeblich sein, ob man ihm konkret ein Verlassen des ärztlichen Sorgfaltsmaßstabs
nachweisen kann. Hier wird gerade im operativen Bereich unter dem Stichwort der
Eigenverantwortung des Arztes fraglich sein, inwieweit ein sorgfältiger Operateur sich
ggf. auch ohne Verpflichtung in regelmäßigen Abständen hätte untersuchen lassen
müssen. Hierbei handelt es sich um eine Frage, die die Medizin selbst klären muß. Ich
gehe allerdings auch in diesem Punkt vor dem Hintergrund der ärztlichen
Selbstverantwortung davon aus, daß man eine regelmäßige Untersuchungspflicht wohl
bejahen muß, fraglich bleibt allerdings in welchen Zeitabständen. Dann wäre beim
operierenden Arzt noch der Fall des "Kennen- oder Wissen Müssens" anzusprechen.
Eine direkte Untersuchungsverpflichtung wird man sicher dann unterstellen können, wenn
ein Operateur sich selbst intraoperativ massiver verletzt und aufgrund der Serologie
bekannt ist, daß der Patient hochgradig invektiös ist. Unterbleibt hier eine
Eigenkontrolle, dann wäre dies sicher als Behandlungsfehler der nachfolgend infizierten
Patienten zu werten, denn hier mußte auch der nur durchschnittlich sorgfältige Arzt mit
einer Eigeninfektion rechnen. An vielen Kliniken bestehen auch für diesen Fall
entsprechende Dienstvorschriften, die teilweise sehr detailliert regeln, wie in solchen
Fällen vorzugehen ist. Es wird zum Teil vorgeschrieben, für einen festgelegten Zeitraum
- etwa dem der möglichen Latenz - nur mit doppelten Handschutz zu operieren oder
ähnliches.
Frage: Trägt eigentlich die Haftpflichtversicherung dieses Risiko:
Wehn: Hier schneiden Sie ein grundsätzliches Problem an: § 4 II Ziff. 4 der
allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen schließt Haftpflichtansprüche wegen der
Übertragung einer Krankheit grundsätzlich aus, es sei denn, daß die konkrete
Übertragung nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich erfolgt ist. Konkret heißt dies,
daß derjenige, der ohne besonderen Schutz als Virenträger operiert und davon Kenntnis
hat für eventuelle Übertragungen keinen Versicherungsschutz genießen wird, wenn er
selbst an dieser Krankheit erkrankt ist.
Frage: Wie sieht es aber für denjenigen aus, der sich ohne besondere
Anhaltspunkte nicht untersuchen ließ?
Wehn: Es ist sehr schwierig hier theoretisch Aussagen zu treffen: Generell würde
ich es noch nicht als grob fahrlässig bewerten, sich nur nicht untersuchen zu lassen,
solange keine besonderen Anhaltpunkte für eine mögliche Infektion bestehen. Anders
würde es allerdings dann aussehen, wenn - wie oben beschrieben - Anhaltspunkte für eine
mögliche Infektion durch einen Patienten oder anderswie vorliegen. Bedenken muß man
auch, daß im Falle dieses Ausschlusses der Arzt die Beweislast für die lediglich
fahrlässige Handlungsweise trägt und es immer eine am Fall orientierte Einzelbetrachtung
bleiben wird. Im Resumee wird man daher raten müssen, sehr umsichtig mit diesem Thema
umzugehen.
Vorgestellt: Team Werner Schell (07/99)
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