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Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU)
Die 15 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben am 07.
Dezember 2000 auf dem Gipfel in Nizza die neue EU-Grundrechtecharta feierlich
verkündet.
Die Charta fasst 54 gemeinsame Grundrechte der Mitgliedsländer zusammen. Sie
hat zwar noch keine allgemeine Rechtsverbindlichkeit, bindet aber bereits mit
ihrer Verkündigung die EU-Institutionen.
Der Europäische Rat hatte im Juni 1999 beschlossen, ein Gremium zur
Erarbeitung eines Entwurfs für eine Charta der Grundrechte der EU einzusetzen. In diesem als „Konvent" bezeichneten Gremium kamen
fünfzehn persönliche Beauftragte der Staats- und Regierungschefs der
Mitgliedstaaten, ein Vertreter der Kommission, sechzehn Mitglieder des
Europäischen Parlaments und dreißig Mitglieder der nationalen Parlamente
zusammen. Das Gremium wählte den ehemaligen Präsidenten der Bundesrepublik
Deutschland, Roman Herzog, zum Vorsitzenden (Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft
für Rehabilitation - BAR-Information Nr. 5/2000).
Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten
Die Grundrechtecharta bekräftigt unter Achtung der Zuständigkeiten und
Aufgaben der Gemeinschaft und der Union und des Subsidiaritätsprinzips die
Rechte, die sich vor allem aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen und den
gemeinsamen internationalen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, aus dem Vertrag
über die Europäische Union und den Gemeinschaftsverträgen, aus der
Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, aus
den von der Gemeinschaft und dem Europarat beschlossenen Sozialchartas sowie aus
der Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU und des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergeben.
Die in der Charta aufgelisteten Rechte gliedern sich nach einigen wenigen
fundamentalen Prinzipien: Der Würde des Menschen, den Grundfreiheiten, der
Gleichheit, der Solidarität, den Rechten eines Bürgers und der Justiz. Damit
wird der Grundsatz der Unteilbarkeit der Rechte mit aller Deutlichkeit
umgesetzt. Die bislang in den europäischen und völkerrechtlichen Instrumenten
bestehende Unterscheidung zwischen bürgerlichen und politischen Rechten
einerseits und wirtschaftlichen und sozialen Rechten andererseits wird
aufgehoben.
Belange behinderter Menschen
In zwei Artikeln der Grundrechtecharta wird auf die besonderen Belange von
Menschen mit Behinderungen Bezug genommen.
>> Artikel 21 „Nichtdiskriminierung
Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der
Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale,
der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder
sonstigen Anschauungen, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des
Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der
sexuellen Ausrichtung sind verboten.
>> Artikel 26 „Integration von Menschen mit Behinderung
Die Union anerkennt und achtet den Anspruch von Menschen mit Behinderung
auf Maßnahmen zur Gewährung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und
beruflichen Eingliederung und ihrer Teilnahme am Leben der Gemeinschaft.
Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang auch Artikel 3 „Recht
auf Unversehrtheit".
1. Jede Person hat das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit.
2 . Im Rahmen der Medizin und Biologie muss insbesondere Folgendes beachtet
werden:
- die freie Einwilligung der betroffenen Person nach vorheriger
Aufklärung entsprechend den gesetzlich festgelegten Modalitäten,
- das Verbot eugenischer Praktiken, insbesondere derjenigen, welche die
Selektion von Personen zum Ziel hat,
- das Verbot, den menschlichen Körper und Teile davon als solche zur
Erzielung von Gewinnen zu nutzen,
- das Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen.
Artikel 3 bezieht sich auf die Übereinkommen des Europarates über
Menschenrechte und Bio-Medizin, von denen nicht abgewichen werden soll. Dabei
bleibt jedoch unklar, inwieweit die insbesondere von Behindertenverbänden
kritisierte Sonderregelung der Bio-Medizin-Konvention, unter bestimmten
Voraussetzungen fremdnützige Forschung an einwilligungsunfähigen Personen
zuzulassen, bestehen bleibt.
Wirksamkeit der Charta
Von besonderer Bedeutung sind die in Kapitel VII aufgeführten „Allgemeinen
Bestimmungen", die eine Gewähr für die Wirksamkeit der Charta bieten
sollen. Darin ist präzisiert, was die Charta ist, nämlich ein Instrument, mit
dem kontrolliert werden kann, ob die Organe und die Mitgliedstaaten die
Grundrechte beachten, wenn sie im Geltungsbereich des Unionsrechts handeln.
Werner Schell (3.2.2001)
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