Im Haus fest installierte Hilfsmittel gehören nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung
In einer Grundsatzentscheidung hat das Bundessozialgericht (BSG) am
06.08.1998 - B 3 RK 14/97 R - festgestellt, dass fest in eine Wohnung oder ein Haus
eingebaute Hilfsmittel nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung
gehören.
Mit diesem Urteil gab das BSG seine frühere, teilweise gegenteilige Rechtsprechung auf.
Sachverhalt: Der Entscheidung lag die Klage eines Mannes zugrunde, der
aufgrund einer Krebserkrankung in seiner Gehfähigkeit erheblich eingeschränkt ist und
nur noch ungefähr 50 m mit Gehhilfen gehen kann. Er hat nach dem Schwerbehindertengesetz
(SchwbG) einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie die Merkzeichen G, aG und B
zuerkannt. Das im Obergeschoss seiner Wohnung befindliche Schlaf- und Badezimmer konnte
der Behinderte nur über eine viertel gewendelte Treppe erreichen, die er ohne eigene
Gefährdung und ohne Gefahr der Verschlimmerung seiner Behinderung nicht mehr allein
bewältigen konnte. Daher entschloss sich der Behinderte zum Einbau eines Treppenlifts.
Unter Hinweis auf die Verordnung eines solchen durch seinen Hausarzt beantragte er die
Übernahme dieser Kosten durch die zuständige gesetzliche Krankenkasse, die von dieser
mit der Begründung abgelehnt wurde, die behinderungsgerechte Herrichtung einer Wohnung
werde von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht umfasst. Dieser
Ansicht der beklagten Krankenkasse gab das BSG als letzte Instanz Recht.
Entscheidungsgründe: Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V hätten
Versicherte als Teil der Krankenbehandlung Anspruch auf Versorgung mit Seh- und
Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im
Einzelfall erforderlich seien, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine
Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine
Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V (Heil-
und Hilfsmittel von geringem oder umstrittenen therapeutischen Nutzen oder geringem
Abgabepreis) ausgeschlossen seien. Durch die Einbeziehung aller nicht ausdrücklich
genannten geeigneten, aber nicht näher definierten "anderen Hilfsmitteln" in
den Leistungskatalog habe der Gesetzgeber verdeutlicht, dass er von einem umfassenden
Hilfsmittelbegriff ausgehe. Die Rechtsprechung des BSG habe dies dahin ausgelegt, dass
für den hier interessierenden Bereich des Behinderungsausgleichs der Hilfsmittelbegriff
erfüllt sei, wenn fehlende Körperteile ersetzt oder beeinträchtigte bzw. ausgefallene
Körperfunktionen ganz oder teilweise wiederhergestellt, ermöglicht, ersetzt, ergänzt
oder wesentlich erleichtert würden, und zwar auch dann, wenn eine technische Hilfe nur
unter Einschaltung Dritter genutzt werden könne.
Obwohl vom BSG bereits einmal entschieden worden sei, dass ein Treppenlift kein
Hilfsmittel der Krankenversicherung sei, sah sich der Senat nach erneuter Überprüfung
und Bestätigung dieser Entscheidung jedoch veranlasst, die maßgeblichen Gesichtspunkte
deutlicher hervorzuheben und sich auch teilweise von anderen Entscheidungen zu
distanzieren.
Das BSG führte in seiner Begründung weiter aus, dass hervorzuheben sei, dass die
gesetzliche Krankenversicherung allein die Aufgabe habe, die Gesundheit der Versicherten
zu erhalten, wiederherzustellen oder zu bessern, und zwar durch Krankenbehandlung und
durch medizinische Rehabilitation. Sonstige übergreifende Aufgaben, wie etwa die soziale
Eingliederung oder die berufliche Rehabilitation seien ihr nicht zugewiesen, wodurch sie
sich von anderen Zweigen der Sozialversicherung und von der Sozialhilfe unterscheide. Für
Behinderte nützliche Mittel würden im Bereich des Behinderungsausgleichs nur dann als
Hilfsmittel in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung fallen, wenn sie
Körperfunktionen im Bereich der Grundbedürfnisse ganz oder weitgehend ausglichen, und
zwar in behinderungsspezifischer Weise, sodass Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens
auch dann nicht in die Leistungspflicht der Krankenversicherung fielen, wenn sie im
Einzelfall für einen Behinderten nützlicher seien als für einen Gesunden.
Bei einem Treppenlift ließe sich unter diesen Gesichtspunkten allerdings feststellen,
dass er einmal geeignet sei, eine Körperfunktion bei einem Grundbedürfnis zu ersetzen,
nämlich dem Treppensteigen, das im Alltagsleben von vergleichbarer Bedeutung sei wie
Gehen, Stehen oder Sitzen. Auch wirke dieses Mittel behindertenspezifisch, weil es in der
Regel nicht, wie etwa ein Fahrstuhl auch von Gesunden benutzt werde und damit nicht als
allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens einzuordnen sei. Damit seien aber
noch nicht alle Voraussetzungen für ein Hilfsmittel im Sinne der Krankenversicherung
erfüllt.
Aus der Gegenüberstellung der in § 33 Abs. 1 SGB V ausdrücklich genannten Hilfsmittel,
nämlich der Seh- und Hörhilfen, der Körperersatzstücke und der orthopädischen
Hilfsmittel einerseits und der nicht mehr konkretisierten "anderen Hilfsmittel"
andererseits folge ferner, dass nur solche technischen Hilfsmittel im Sinne dieser
Vorschrift anzuerkennen seien, die wie die ausdrücklich genannten Hilfen vom Behinderten
getragen oder mitgeführt bei einem Wohnungswechsel auch mitgenommen und benutzt werden
könnten, um sich im jeweiligen Umfeld zu bewegen, zurechtfinden und die elementaren
Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen. Das Hilfsmittel solle die
Körperfunktion des Behinderten ersetzen, ergänzen oder verbessern, die für die
möglichst selbständige Durchführung der Alltagsverrichtungen notwendig sind. Der
Behinderte werde dadurch den Erfordernissen der Umwelt angepasst, nicht aber das Umfeld an
die Bedürfnisse des Behinderten angeglichen. Andernfalls ließe sich die Leistungspflicht
der Krankenkassen nur schwerlich eingrenzen und würde nicht nur den behinderungsgerechten
Umbau eines Hauses umfassen, sondern sich auch auf die Herrichtung der Zufahrtswege oder
noch weitergehendere Umgestaltungen des Wohnumfeldes erstrecken.
Der Einwand, einem Gehbehinderten sei zumindest die selbständige Beweglichkeit innerhalb
der eigenen Wohnung von grundlegender Bedeutung, sei zwar zutreffend, aber dennoch nicht
geeignet aus diesem Grunde die Leistungspflicht der Krankenkassen zu begründen. Denn er
besage nur, dass damit ein Grundbedürfnis betroffen sei, ändere aber nichts an der
Erkenntnis, dass es sich beim Einbau eines Treppenlifts um die Anpassung des Wohnumfeldes
handele, die nur deshalb aus der Sicht des Klägers notwendig geworden sei, weil in seiner
Wohnung eine Treppe zu überwinden sei. Bei Versicherten mit gleicher Behinderung, der in
einer ebenerdigen Wohnung wohne, ergebe sich diese Notwendigkeit nicht.
Die Hilfsmitteleigenschaft eines Geräts hänge aber nicht von den jeweiligen
Wohnverhältnissen ab. Dass nach dem Gesetz das Hilfsmittel im "Einzelfall"
erforderlich sein müsse, besage nicht, dass bereits die Frage, ob ein nützliches Mittel
ein Hilfsmittel im Sinne der Krankenversicherung ist, nach allen Umständen des
Einzelfalles zu beurteilen wäre, sondern nur, dass Anspruch auf ein Hilfsmittel insoweit
bestehe, als es nach den individuellen (körperlichen und geistigen) Verhältnissen des
Versicherten erforderlich ist. Fest in ein Haus oder eine Wohnung eingebaute technische
Hilfen würden folglich nicht in den Anwendungsbereich des § 33 Abs. 1 SGB V fallen.
Aus diesem Grunde könne die in einer früheren Entscheidung des Senats vertretene
Auffassung nicht mehr aufrechterhalten werden, eine Klingelleuchte könne für einen
Schwerhörigen selbst dann ein in die Leistungspflicht der Krankenversicherung fallendes
Hilfsmittel sein, wenn sie mit dem Gebäude fest verbunden ist. Die für den Bereich des
Bundesversorgungsgesetzes (BVG) ausdrücklich niedergelegte Regelung, dass
"unbewegliche Gegenstände" nicht geliefert werden und damit von der Versorgung
mit Hilfsmitteln ausgeschlossen seien, gelte daher in entsprechender Weise auch für die
gesetzliche Krankenversicherung.
Den Ausschluss der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung bei Maßnahmen
zur Anpassung bzw. Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes habe der Gesetzgeber zudem
zuletzt dadurch bestätigt, dass er im vergleichbaren Bereich der sozialen
Pflegeversicherung eine differenzierte Regelung vorgesehen hat, ohne zugleich eine
Änderung des SGB V vorzunehmen. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 des 11. Sozialgesetzbuches (SGB
XI) haben Pflegebedürftige einen Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur
Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen
beitragen oder ihm eine selbständige Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel
nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen
zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Diese Leistungspflicht der Pflegekassen
für Pflegehilfsmittel werde ergänzt durch die als Ermessensleistung ausgestaltete
subsidiäre Möglichkeit zur Zahlung finanzieller Zuschüsse bis zur Höhe von 5.000 DM
"für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des
Pflegebedürftigen", wenn dadurch die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich
erleichtert oder eine möglichst selbständige Lebensführung des Pflegebedürftigen
wiederhergestellt werde (§ 40 Abs. 4 SGB XI). Der Gesetzgeber habe hier also zwischen
Hilfsmitteln und Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes unterschieden.
Nach diesem Abgrenzungskriterium falle der Einbau eines Treppenlifts nicht in die
Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Anders als eine Treppenraupe
ermögliche ein Treppenlift einem Behinderten nur die Überwindung einer bestimmten
Treppe. Durch den Einbau des Treppenlifts werde nur ein in der Mobilität des
Gehbehinderten entgegenstehendes lokales Hindernis überwunden, nicht aber das
Treppensteigen ermöglicht. Dies gilt auch dann, wenn der Treppenlift demontierbar sei und
an anderer Stelle wieder aufgebaut werden könne, es sich im Grunde aber nicht um eine
transportable Einrichtung handele.
Werner Schell (12.8.2000)
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