Pflege - Patientenrecht & Gesundheitswesen
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Die Weitergabe von Patientendaten an ein externes
Archivierungsunternehmen unterliegt dem Gebot der Schweigepflicht
Zur täglichen Arbeit von Krankenhäusern und stationären bzw. ambulanten
Pflegeeinrichtungen gehört auch die Archivierung der Patientendaten. Im Zusammenhang mit
der Erledigung solcher Aufgaben wird immer wieder die Frage aufgeworfen, ob und
gegebenenfalls inwieweit es zulässig ist, die Archivierungstätigkeit privaten
Dienstleistungsunternehmen zu übertragen. Vor allem stellt sich die Frage, ob eine solche
Aufgabenverlagerung mit den Geboten der Schweigepflicht in Einklang zu bringen ist.
Die Schweigepflicht ist seit Jahrhunderten das Fundament des Vertrauens in der
Krankenversorgung und hat in zahlreichen Rechtsvorschriften ihre nähere Ausgestaltung
gefunden
Die Pflicht zur Verschwiegenheit soll gewährleisten, daß das zwischen Patienten und den
Gesundheitsberufen erforderliche Vertrauensverhältnis wirkungsvoll geschützt wird. Sie
muß sich grundsätzlich auf alle Angelegenheiten erstrecken, die die Gesundheitsberufe
bei der Begegnung mit dem Patienten erfahren.
Die Schweigepflicht wird zunächst einmal durch die Art. 1 und 2 Grundgesetz (GG)
als Recht auf informationelle Selbstbestimmung garantiert. Damit ist der
gesellschaftliche Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimbereiches als selbständiges
Rechtsgut grundlegend anerkannt. Zugleich ist der hohe Rang untermauert, der in der
heutigen Zeit einer ungefährdeten Intimsphäre des Menschen zukommt. Hinzu kommen
Kernaussagen zum Schutz der persönlichen und medizinischen Patientendaten in der
Musterberufsordnung für die deutschen Ärzte (MBO-Ä 1997) und verschiedenen Gesetzen.
Nach § 203 Strafgesetzbuch (StGB) werden u.a. Ärzte und die weiteren
Gesundheitsberufe auf Antrag bestraft, wenn sie unbefugt ein fremdes
Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis, oder
ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbaren, das ihnen in ihrer
Berufseigenschaft anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist.
Schon die einfachste Weitergabe eines Geheimnisses an eine Person, die nicht dem Kreis
der zum Wissen Berufenen angehört, kann ein unbefugtes Offenbaren darstellen und bestraft
werden. Eine Aufhebung der Schweigepflicht kommt u.a. nur dann in Betracht, wenn eine
rechtswirksame Entbindung vorliegt (ausführliche Darstellungen zur Schweigepflicht u.a.
in: Schell, W. "Arbeits- und Arbeitsschutzrecht für die Pflegeberufe von A bis
Z". Brigitte Kunz Verlag, Hagen, 2. Auflage 1998; Schell, W. "Patientenrechte
für die Angehörigen der Pflegeberufe von A bis Z". Brigitte Kunz Verlag, Hagen, 1.
Auflage 1993; Schell, W. "Staatsbürgerkunde, Gesetzeskunde und Berufsrecht für die
Pflegeberufe in Frage und Antwort". Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 11. Auflage
1998).
Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied: Die Grundsätze der Schweigepflicht sind
auch bei der externen Archivierung von Patientendaten zu beachten
In dem Rechtsstreit hatten die Richter zu klären, unter welchen Voraussetzungen die
externe Archivierung (einschließlich Transport, Übernahme, Speicherung, Verdichtung -
z.B. auf Mikrofilm -, Verwaltung und Lagerung) von Patientendaten und darauf gerichtete
Werbemaßnahmen durch ein Archivierungsunternehmen, rechtlich zulässig sind. Der
Sachverhalt war so gestaltet, daß in den fraglichen Fällen eine ausdrückliche
Zustimmung der betroffenen Patienten nicht vorgesehen war. Das zunächst angerufene
Landgericht (LG) Kleve verurteilte das beklagte Unternehmen (am 28.4.1995) dazu, das
Anbieten oder Bewerben der Archivierung von Patientendaten ohne ausdrückliche Beteiligung
und Zustimmung der Patienten zu unterlassen. Das LG wies dabei u.a. darauf hin, daß
bereits die Werbung des beklagten Unternehmens sittenwidrig sei, weil die umworbenen
Ärzte zum Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht verleitet würden. Die hiergegen
erhobene Berufung des Unternehmens war vor dem OLG Düsseldorf erfolglos. Mit Urteil vom
20.8.1996 - 20 U 139/95 - wies das OLG Düsseldorf die Berufung des Unternehmens
zurück.
In ihrer Urteilsbegründung stellte das OLG zunächst heraus, daß diejenigen Ärzte
und/oder Krankenhausverwaltungen, die Patientendaten, zum Beispiel Krankenblätter,
Arztbriefe, Röntgenaufnahmen, zur Verfilmung, sonstigen Bearbeitung und Archivierung an
ein externes Unternehmen aushändigen, damit im Sinne des § 203 StGB Geheimnisse der
betroffenen Patienten "offenbaren". Bereits die Tatsache, in der Behandlung
eines Arztes oder eines Krankenhauses gewesen zu sein, sei ein zum persönlichen
Lebensbereich gehörendes Geheimnis, dessen Offenlegung eine Verletzung der ärztlichen
Schweigepflicht enthalte. Weiterhin machte das OLG deutlich, daß das Merkmal des
"Offenbarens" auch nicht deshalb entfallen könne, weil das beklagte Unternehmen
zu den "zum Wissen Berufenen" im Sinne des § 203 StGB gehöre. Es könne als
rechtlich eigenständiges und selbstverantwortlich handelndes Dienstleistungsunternehmen
den "berufsmäßig tätigen Gehilfen" von Ärzten nicht zugerechnet werden.
Ebenso könne nicht von einer - mutmaßlichen oder sogar konkludenten - Einwilligung der
betroffenen Patienten ausgegangen werden. In diesem Zusammenhang stellte das OLG
unmißverständlich fest, daß im Hinblick auf das Recht der informationellen
Selbstbestimmung Patientendaten grundsätzlich nur mit ausdrücklicher Einwilligung
des Patienten an externe Dritte weitergegeben werden dürfen. Jeder Arzt und jede
Krankenhausverwaltung, die ohne eine solche Einwilligung Dienste eines
Archivierungsunternehmens in Anspruch nehmen, verstoße daher gegen § 203 StGB. Daher
sei es erforderlich, so das OLG weiter, daß die anbietenden Archivierungsunternehmen bei
ihren Angeboten und Werbungsaktionen ausdrücklich auf das Erfordernis der
Patienteneinwilligung hinweisen. Ansonsten sei eine Wettbewerbshandlung, wie im
vorliegenden Fall, wettbewerbswidrig, auch wenn der Wettbewerber (das anbietende
Dienstleistungsunternehmen) nicht selbst gegen die sittlich fundierte Norm verstoße, die
Wettbewerbshandlung sich aber als (notwendige) Teilnahme an fremdem Verstoß gegen
eine solche Norm darstelle. Möglicherweise könnte ein solches Verhalten als Anstiftung
oder Beihilfe an den Verstößen Dritter gewertet werden.
Fazit: Patientendaten können legal grundsätzlich nur aufgrund einer ausdrücklichen
Einwilligung der Patienten an externe Dritte weitergegeben werden
Es ist daher in jedem Einzelfall schriftlich zu regeln, ob der Patient mit der Verwaltung
und Archivierung seiner Patientendaten durch ein Fremdunternehmen einverstanden ist oder
nicht. Dies gilt im übrigen auch für bereits abgeschlossene Behandlungen, die im Rahmen
einer Archivierung durch Dritte verarbeitet werden sollen.
Werner Schell (5/99)
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