Pflege - Patientenrecht & Gesundheitswesen
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Jugendschutz & Aufsichtspflicht im
Krankenhaus
Frage:
Ich bin als Kinderkrankenschwester auf einer Kinderstation beschäftigt. Auf
dieser Station werden Kinder und Jugendliche im Alter von 0 -18 Jahre behandelt
und gepflegt. Diese Altersschwankungen bringen doch einige Probleme mit dem
Jugendschutz zu Tage. So dürfen in unserem Haus ab 14 Jahre die Jugendlichen
mit einer vorher erbrachten Unterschrift der Eltern die Station verlassen.
Ebenso haben einige Eltern keine Probleme mit dem Rauchen, wenn die Kinder noch
keine 16 Jahre alt sind. Mein Problem liegt darin, dass ich eine
Jugendleiterausbildung besitze und das Gesetz zum Schutze der Jugend in der
Öffentlichkeit (JÖSchG) eigentlich recht gut kenne.
Daher nun meine Fragen:
Ist es ausreichend, wenn die Eltern eine schriftliche Erklärung abgeben, dass
ihr Kind die Station verlassen und ohne Kontrolle ins Krankenhausgelände darf?
Wer hat dann die Aufsichtspflicht, wer haftet in einem Schadensfall, welcher Art
auch immer?
Dürfen Eltern ihren Kindern das Rauchen in der Öffentlichkeit erlauben? Ich
betrachte das Krankenhaus als eine öffentliche Anstalt und hier können die
Eltern keine Willenserklärung für das Rauchen abgeben! Die Krankenhausleitung
hat auf diese Anfragen geantwortet, das ist alles erlaubt und wir Schwestern
sollten uns keine Sorgen machen.
Ich mache mir Sorgen, weil ich immer noch der Meinung bin, dass mein Beruf es
verlangt, die Patienten zu pflegen und eine Fürsorgepflicht auszuüben.
Inwieweit sind wir Schwestern vor bösen Überraschungen sicher, dass wir bei
einem Schadensfall zur Verantwortung gezogen werden können (abgesehen von
unserer Verbandsversicherung)?
Ich möchte Sie bitten, mir diese Fragen zu beantworten oder Bezugsquellen zu
nennen; die sich mit diesen Themen beschäftigen.
Antwort:
Die dargestellten Sachverhalte können in vielfältigen Varianten auftreten, so
dass eine Einschätzung nur in allgemeiner Form möglich ist:
Zunächst ist festzustellen, dass Patienten grundsätzlich einen Anspruch darauf
haben, bei stationärer Aufnahme keinen für sie gefährlichen Situationen
ausgesetzt zu werden. Der Krankenhausträger und das angestellte Personal sind
daher verpflichtet, alles zu tun, damit die Patientensicherheit gewährleistet
ist. Dies schließt aber nicht aus, dass Patienten kraft ihres
Selbstbestimmungsrechtes (Art. 1 und 2 Grundgesetz) bestimmte „Freiräume"
beanspruchen (können), für die sie dann auch selbst Verantwortung übernehmen
müssen. So gesehen bestehen keine Bedenken dagegen, Patienten auf Grund
geeigneter Absprachen zu gestatten, die Krankenhausstation zu verlassen, um z.B.
auf dem Krankenhausgelände Spaziergänge durchzuführen. Derartige „Unternehmungen"
können sogar therapeutisch empfehlenswert sein.
Absprachen dieser Art können sicherlich auch dann zu Gunsten
von Kindern bzw. Jugendlichen infrage kommen, wenn die sorgeberechtigten
Personen (Eltern) eine entsprechende (schriftliche) Erlaubnis erteilt haben.
Damit haben die Sorgeberechtigten auch (unausgesprochen) akzeptiert, dass die
Minderjährigen während eines abgesprochenen Ausganges nicht unter der Aufsicht
der Krankenhausmitarbeiter stehen können mit der Folge, dass eine
Schadenshaftung für die Zeit des Ausganges nicht den Mitarbeitern des
Krankenhauses angelastet werden kann. Zur Vermeidung von Irrtümern sollten die
Beteiligten auf diese Situation besonders aufmerksam gemacht werden.
Nach § 9 JÖSchG darf Kindern und Jugendlichen unter 16
Jahren das Rauchen in der Öffentlichkeit nicht gestattet werden. Diese
Vorschrift ist klar und eindeutig und schließt ein Recht der sorgeberechtigten
Personen aus, dieses Verbot aufzuheben. In § 12 JÖSchG ist sogar bestimmt,
dass Personen, die die beschriebene Verbotshandlung herbeiführen oder fördern,
eine Ordnungswidrigkeit begehen.
Auf Grund dieser Rechtslage ist es nicht zulässig, Kindern
und Jugendlichen unter 16 Jahren im Krankenhausbereich das Rauchen zu gestatten
bzw. dies zu dulden. Krankenhäuser sind als Veranstalter bzw. Gewerbetreibende
im Sinne des JÖSchG anzusehen und damit besonders verpflichtet, einem
gesetzwidrigen Handeln entgegen zu treten.
Angesichts der Tatsache, dass das Rauchen mit seinen
zweifelsfrei schädlichen Folgen eine große Gesundheitsgefährdung in unserer
Gesellschaft darstellt, sollte alles daran gesetzt werden, vor allem Kinder und
Jugendliche vor den gesundheitsschädigenden Folgen des Rauchens zu schützen.
Es erscheint mir eine besondere Verpflichtung aller
Institutionen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen, Kinder und Jugendliche, aber
auch Erwachsene, vor solchen Folgen zu schützen. Eine Krankenhausleitung, die
das Rauchen von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren als unproblematisch
abtut und das Personal animiert, sich darüber keine Sorgen zu machen, handelt
m.E. verantwortungslos und gesetzwidrig!
Werner Schell (30.04.2004)
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