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Die Möglichkeiten des Menschen

aus: K. Dörner, a.a.O., S.94f.

Soweit ich sehen kann, hat es seither erst einen Philosophen gegeben, der die Gruppen der Sozialen Frage, die Gemeinschaftsfremden und Randständigen systematisch bedacht hat: Jean Paul Sartre. Wenn man sein ganzes Werk überblickt, gibt es kaum ein randständiges Schicksal, das er nicht philosophisch oder dramatisch behandelt hat. Nirgends gelingt ihm dies aber so umfassend wie in seinem "Saint Genet" , das Werk, das in der Nachkriegszeit entstanden ist und in dem er vielleicht auch am intensivsten den Nationalsozialismus mitreflektiert hat. In seiner Frage nach dem Menschen steckt immer auch der Anspruch, daß in mir wie in jedem Menschen der Möglichkeit nach die ganze Menschheit enthalten sei. Auf Genet als einen Fürsorgezögling, Dieb, Homosexuellen, Strichjungen, Rauschgiftschmuggler, Verräter, Bettler und Vagabunden bezogen, formuliert er: "Denn man muß schon wählen: wenn jeder Mensch der ganze Mensch ist, muß dieser Abweichler entweder nur ein Kieselstein oder ich sein." Hier sind beide Ethiken, die wir entwickelt haben, in einem Satz zusammengefaßt. Der Mensch und vor allem der randständige Mensch ist entweder ich, Mensch oder Ding, Kieselstein. Sartre ist somit vielleicht der erste Philosoph, der die Beantwortung der Frage, was der Mensch sei, von den elendesten, ausweglosesten, gescheitertesten, minderwertigsten, randständigsten und kommunikationslosesten Menschen, Menschengruppen oder Situationen von Menschen her beginnt. Nur dadurch, daß er hiermit beginnt, kann seine Antwort auf die Frage nach dem Menschen einigermaßen vollständig ausfallen. Würde er nämlich mit der Situation des idealen oder auch des durchschnittlichen Menschen bei seiner Beantwortungsarbeit beginnen, käme er entweder zu den genannten randständigen Menschen gar nicht mehr durch, oder er würde sie nur noch abgeleitet und abgewertet als Dinge oder nicht mehr vollwertig menschlich auffassen können. Dieser Gedanke, der die Randständigen von der letzten an die erste Stelle rückt und der von seiner Randständigkeit den Menschen und die menschliche Welt aufbaut, also es notwendig macht auf keinen Menschen verzichten zu können, so daß es nichts, aber auch gar nichts Unmenschliches mehr geben kann, hat die Art von Zwangsläufigkeit, die wir bisher immer nur der Brauchbarkeitslogik und -ethik bescheinigen konnten. Sartres Ethik hat aber den Vorteil, daß sie einerseits den verdinglichenden Pannwitz-Blick nicht leugnet, da ein Mensch für mich immer auch Kieselstein sein kann; andererseits enschärft sie diesen Blick im Rahmen und im Schutz der immer auch offenen Möglichkeit der Herstellung einer wirklich umfassenden Solidargemeinschaft, die die Gruppen der Sozialen Frage, die Minderwertigen, die Randständigen buchstäblich in die Mitte nimmt. Mehr ist uns zur Zeit wohl nicht möglich.

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