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Unterrichtsreihe zum Thema "Sterbehilfe"


Was ist "minderwertig"?  

Folgende Antwort gibt H. Simon, Minderwertigkeit und Fürsorge, Manuskript eines Vortrages vom Oktober 1929, zit. n. K. Dörner, Tödliches Mitleid, Gütersloh, 1989, S. 44ff.

"Was verstehen wir unter "Minderwertigkeit". Alle "Werte" sind relativ, bezogen auf irgendeinen Interessenten. Wenn wir im Zusammenhang von Minderwertigkeit und Fürsorge sprechen, so ist der "Interessent" derjenige, der die Fürsorge auszuüben hat; das ist im civilisierten Staate die Gemeinschaft, welche den Staat trägt. Gemeinschaftsleben bringt Rechte und Pflichten. Solidarität der Gemeinschaft.

Der Einzelne ist für die Gemeinschaft das wert, was er für sie Ieistet und zwar über seinen eigenen unmittelbaren Unterhalt hinaus. Gleichgültig sind für die Gemeinschaft die Zahlreichen, die gerade noch für sich selbst sorgen, der Allgemeinheit aber keinen Nutzen bringen. Ballast-Existenzen sind die "Minderwertigen" aller Art, welche die Lasten ihres eigenen Daseins mehr oder weniger der Gemeinschaft überlassen, an den Rechten der Gemeinschaft aber teilnehmen. Die Ausdrücke "Ballast-Existenzen" und "Minderwertigkeit" dürfen in diesem Zusammenhang nicht mit einem moralisierenden Beiklang gebraucht werden; sie bezeichnen nur eine objektiv vorhandene, sachliche Bewertung, gewissermaßen im kaufmännischen Sinne als "Passivum" der Gemeinschaftsbilanz zu buchen, dem ein entsprechendes "Aktivum" nicht gegenübersteht. "Schuld" und "Wert" müssen getrennt werden. Sie haben es hier nur mit dem sachlichen Wert zu tun ... Eine grundlegende Unterscheidung ist nötig: die 3 Abschnitte im Leben des Menschen: Kindheit - volles Leistungsalter - Greisenalter. Kindheit und Greisenalter bieten für die Allgemeinheit zwar auch Ballast-Existenzen; aber hier stehen doch in der Gesamtbilanz des Einzelwesens positive Werte im Haben, welche das Passivum dieser natürlichen Altersstufen zum mindesten ausgleichen. Auch hier ist aber schon eine Einschränkung zu machen: ausgeglichen wird die Bilanz des Einzelnen nur bei vollwertigen, tüchtigen Leistungen über ein langes, werktätiges Leben. Und da gibt es doch schon sehr große individuelle Unterschiede im Gesamtwert ... Im übrigen sind für die Allgemeinheit minderwertig: alle, die - sei es in Folge ungenügender Veranlagung oder fehlerhafter Entwicklung zu einer vollwertigen Leistung nie gelangt sind oder - bei Kindern - nie gelangen können: die Idioten, Schwachsinnigen erheblichen Grades, die Krüppel, die Körperschwachen, Kränklichen, die Schwächlinge, die immer wieder sofort versagen, sobald eine ernstere Leistung von ihnen verlangt wird. Dann aber auch alle wirklich Kranken für die Dauer ihrer Krankheit. Der Gemeinschaftswert dieser Menschen wird um so geringer, je "anfälliger" sie für alle Arten von Krankheiten sind, und je mehr ihre Gesamtleistung durch Krankheit eingeschränkt wird. Die seelische Komponente des Krankseins. Dann die wirklichen Taugenichtse, Schädlinge, Verbrecher, alle die an Zahl dauernd zunehmenden Menschen, die sich den Pflichten des Gemeinschaftslebens nicht einfügen wollen oder nicht können - wobei das "Können" auch nur eine sehr relative Sache ist. Denn fast Alle "können", wenn sie müssen. Das "Müssen" hat aber die moderne Civilisation in großem Umfange ausgeschaltet. Und hier beginnen die Wirkungen auf die Allgemeinheit: wir brauchen ein hartes Geschlecht; nur ein solches kann sich im Kampfe der Völker durchsetzen. Was wir aber heute treiben, ist Verweichlichung, trotz allen Sportes, der doch auch nur ein Spielen bleibt!...verhängnisvolle Wirkung auf die Volksseele. Tüchtigkeit und Fleiß werden entwertet, durch die Gleichmacherei in den Rechten, und die Bevorzugung der Tüchtigen bei der Zuteilung der Pflichten: er trägt die Lasten allein. Noch nicht einmal die Rechte sind gleichmäßig verteilt: der Schwache und Untüchtige wird hier sogar bevorzugt. Schon der Hilfsschüler kostet mehr als das Doppelte des Normalschülers. Der Mensch im Krankenhaus, in der Irrenanstalt, im Krüppelheim, im Zuchthaus, im Altersheim kostet mehr, oft viel mehr, als der überwiegenden Mehrheit unseres Volkes in gesunden Tagen zur Verfügung steht ... Die Fürsorge kommt nur dem Schwachen und Minderwertigen, dem wenig Widerstandsfähigen, also dem Lebensuntüchtigen zu gut. Der Tüchtige braucht sie nie. Dadurch Verhinderung des natürlichen Ausmerzungsprozesses ... Unsere ganze soziale und gesetzgeberische Entwicklung fördert die Vermehrung des Schwachen und hemmt die Erstarkung des Starken. Die notwendige Folge muß Überhandnehmen der Schwäche und der Untüchtigkeit sein ... Die "demokratische" Lehre von der Gleichwertigkeit aller Menschen drückt sich verhängnisvoll aus ... Allgemein ist man dahin gelangt, daß das Untaugliche jeder Art unter günstigere Lebensbedingungen gesetzt wird, wie das Gesunde und Tüchtige. Das geht so von der Kinderfürsorge bis ins höchste Alter; - gilt ganz besonders auch für die Verbrecher und anderen Schädlinge ...Zusammen über 12.000.000 Minderwertige oder 1/5 der Bevölkerung. Grotjahn schätzt die Lebensuntüchtigen sogar auf 1/3 aller Lebenden. (Anm. K. Dörner: Diesem sozialdemokratischen Arzt und Eugeniker kommt also wohl das Verdienst zu, als Erster die Zwei-Drittel-Gesellschaft errechnet zu haben.)

...Eingriffe unseres Staates in die Gesetze der Schöpfung: er will alles erhalten, kann aber die Bedingungen gar nicht schaffen, um alles zu erhalten; daher alles hoffnungslose Elend. Es wird wieder gestorben werden müssen. Es fragt sich nur, welche Millionen sterben müssen. Der Tod ist und bleibt auch eine Erlösung. Auch die Kirche beginnt zu erkennen, daß die starke Rücksichtnahme auf die Kranken und Schwachen eine Grausamkeit gegen die Gesunden und Tüchtigen ist...seelische Hyiene-Sterilisierung der Minderwertigen, Schwachsinnigen. Gesundung durch Wiederherstellung der primitiven Verantwortlichkeit. Minderwertig ist, wer die primitiveren, härteren Verhältnisse nicht mehr erträgt. Daraufhin wird man einmal unsere "Führenden" Stände sich ansehen müssen..."Humanität" = "Menschlichkeit" = "Menschengemäßheit" = neutraler Ausdruck. Kann auch: Dummheit bedeuten ... Ein fundamentaler Irrtum ist die Lehre von der Gleichwertigkeit der Menschen."

(Simon hat den Satz, wo er von der Notwendigkeit des Sterbens von Millionen spricht, in seinem Manuskript 1946 mit einem kommentierenden Zusatz versehen; die Art und Weise, wie er sich korrigiert und doch nicht korrigiert, ist bezeichnend für die Nachkriegszeit: wir werden den Zusatz zitieren, wenn wir die Nachkriegszeit erreicht haben. K.D.) siehe auch M10 Die Nachkriegszeit

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