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Stellungnahme
zum Antrag der Fraktion der CDU, im Landtag von Nordrhein-Westfalen – vom 11.11.2002, Drucksache-Nr. 13/3217 – des Landtags von Nordrhein-Westfalen
Auch das Sterben ist ein Teil des Lebens
Zunächst einmal gilt es herauszustellen, dass
der Lebensschutz in der BRD durch Art. 1 und 2 Grundgesetz (GG) garantiert ist
und flankierend durch das Strafgesetzbuch (StGB) durch entsprechende
Strafandrohungen umgesetzt wird (vgl. u.a. § 216 StGB).
Aktive Sterbehilfe muss auf Grund dieser
verfassungsrechtlichen Festlegungen ausgeschlossen bleiben. Auch wiederholtes
Einfordern einer „Freigabe" der aktiven Sterbehilfe unter Berufung auf
angebliche Wünsche in der Bevölkerung (Meinungsumfragen interessierter Kreise,
z.B. Deutsche Gesellschaft für humanes Sterben) können daran nichts ändern.
Hilfe zum Leben, auch bei schwerer Krankheit
und in der Sterbephase muss in menschenwürdiger Form erbracht werden. Nach
überwiegender Meinung der insoweit kompetenten Mediziner und Juristen besteht
diese Hilfe insbesondere darin, Sterbebegleitung durch Angehörige bzw.
Hospizarbeit und palliativmedizische Therapien anzubieten und zu gewährleisten.
Es muss Aufgabe der Politik sein, die
Hospizarbeit und die Palliativmedizin zu fördern bzw. zu stärken. Während die
Hospizarbeit in der BRD beachtliche Fortschritte gemacht hat, ist die BRD im
Bereich der Palliativmedizin nach dem Urteil von medizinischen Experten immer
noch ein Entwicklungsland. Große Kraftanstrengungen sind geboten, insoweit die
BRD nach vorne zu bringen. Dabei muss auch zielgerichtet die Hospizarbeit weiter
gefördert werden. Eine Stärkung entsprechender Angebote im Sozialgesetzbuch (SGB)
V erscheint zwingend.
Zu dieser Thematik habe ich in meiner
Internetseite http://www.wernerschell.de zahlreiche Texte eingestellt.
Sie sind einmal zu finden in der Rubrik „Rechtsalmanach", und zwar unter
Nr. 13. Ganz aktuell wurde dort auch das Urteil des EuGH für Menschenrechte
eingestellt, das ein Menschenrecht auf aktive Tötung nicht anerkennt. Zum
anderen sind umfangreiche Texte im Forum meiner Internetseite eingestellt
worden. Diese Texte sind zu finden, wenn man im Forum - es gibt ein aktuelles
und ein archiviertes Forum - jeweils Suchbegriffe wie „Sterbebegleitung"
bzw. „Sterbehilfe" eingibt. Es werden Beiträge angezeigt, die zum Teil
sehr pointiert zu Einzelfragen der Thematik Stellung beziehen. U.a. werden
Beiträge der Deutschen Hospiz-Stiftung vorgestellt. Diese Stiftung lehnt eine
aktive Sterbehilfe eindeutig ab.
Eine wahre Fundgrube an Informationen zu den
rechtlichen Aspekten des Themas enthält mein Buch „Sterbebegleitung und
Sterbehilfe – Gesetze, Rechtsprechung, Deklarationen (Erklärungen),
Richtlinien, Stellungnahmen (Statements)", 3. aktualisierte und erweiterte
Auflage 2002, Kunz Verlag, jetzt in der Buchreihe der Schlüterschen, Verlag und
Druckerei in Hannover. Die neue Auflage ist erst vor wenigen Tagen erschienen;
sie enthält alle relevanten Positionsbeschreibungen und stützt diese auf die
entsprechenden Gesetzesvorschriften bzw. Grundsatzurteile der Gerichte! Im
Übrigen zeigt das Buch, in welcher Weise nach den Vorgaben des aktuellen
Betreuungsrechts Vorsorge getroffen werden kann, z.B. durch Vollmacht und
Patientenverfügung. U.a. wird im Buch der komplette Text der von den Kirchen
herausgebrachte Vorschlag für eine „Christliche Patientenverfügung"
vorgestellt. Hilfereiche Hinweise, wie z.B. Adressen und Literaturliste,
ergänzen das Informationsangebot. Die Botschaft meiner Veröffentlichung
lautet: Aktive Sterbehilfe nein, Sterbebegleitung ja!
Der Antrag der CDU-Fraktion vom 11.11.2002
greift die bereits hier angesprochenen Grundsatzpositionen auf und kann insoweit
uneingeschränkt unterstützt werden.
Dazu folgende Anmerkungen:
- Es versteht sich, dass ein Gesetz für
aktive Sterbehilfe nicht in Betracht kommen kann. Die
verfassungsrechtlichen Festlegungen schließen ein solches Gesetz aus.
Dies sollte auch so verdeutlicht werden.
- Es erscheint aber ein Bundesgesetz
notwendig, dass sich mit der näheren Ausgestaltung der Möglichkeiten zur
Abfassung von Vollmachten zur Gesundheitsfürsorge bzw. Unterbringung und
Patientenverfügungen befasst. Es ist unbefriedigend, dass z.B. die
Abfassung von Patientenverfügungen im Wesentlichen durch Erklärungen der
Bundesärztekammer (von 1998) bestimmt wird und damit auch weitgehend der
Deutung der Ärzteschaft überlassen bleibt. Hier ist der Gesetzgeber
gefordert; er sollte z.B. die Möglichkeiten der Selbstbestimmung durch
Patientenverfügung näher beschreiben und sich zur Verbindlichkeit
solcher Verfügungen äußern. Auch die Möglichkeiten, sich per Vollmacht
festzulegen, sollten gesetzlich verdeutlicht werden. Mittlerweile gibt es
bereits über Jahre hinweg die unterschiedlichsten Gerichtsentscheidungen.
Insoweit ist Klärungsbedarf gegeben, vor allem zum Thema
Behandlungsabbruch (Urteile siehe u.a. die o.a. Buchveröffentlichung).
- Die finanzielle Förderung der
Hospizarbeit muss weiter ausgebaut werden. Die insoweit bestehenden
Regelungen können nur als ein Einstieg verstanden werden. Wenn man den
Lebensschutzgrundsatz (Art. 1 und 2 GG) wirklich weiter ausgestalten will,
muss man auch die finanzielle Förderung entscheidend verbessern.
- Das Prinzip „ambulant vor
stationär" ist eigentlich unumstritten. Aber dieses Prinzip muss
auch durch entsprechende Rahmenbedingungen realisierbar gemacht werden. Im
Vordergrund muss stehen, die Palliativmedizin zu fördern und damit die
Ärzte erst fähig zu machen, Schmerztherapien dem heutigen Wissensstand
entsprechend anzuwenden. Wie schon an anderer Stelle bemerkt wurde, ist
die BRD im Bereich der Palliativmedizin ein Entwicklungsland mit der
Folge, dass die meisten Ärzte, vor allem Hausärzte und Internisten, für
diesen Aufgabenbereich nicht genügend qualifiziert sind. Ein anderes
Thema ist, dass die ambulante Palliativmedizin nicht ausreichend honoriert
und damit nach Ausweichmöglichkeiten, z.B. der Krankenhauseinweisung,
gesucht wird. Damit wird das Prinzip „ambulant vor stationär" auf
den Kopf gestellt.
- Das Sterben im Krankenhaus muss
menschenwürdig gestaltet werden. Hier besteht Nachholbedarf, insbesondere
deshalb, weil die meisten Menschen im Krankenhaus sterben müssen. Nicht
selten werden Sterbende im Krankenhaus „abgeschoben". Ob und ggf.
inwieweit die Anbindung von Hospizen an Krankenhäusern und (teil)stationären
Pflegeeinrichtungen eine hilfreiche Lösung darstellen kann, sollte
ernsthaft geprüft werden. Auf jeden Fall muss sichergestellt werden, dass
der im Landeskrankenhausrecht zum Ausdruck gebrachte Anspruch, dass im
Krankenhaus ein menschenwürdiges Sterben ermöglicht werden muss,
gewährleistet ist.
- Die Einrichtung weiterer Lehrstühle für
Palliativmedizin ist zwingend und bedarf sofortiger Umsetzung. Man muss
nämlich dabei bedenken, dass erst viele Jahre nach Einrichtung solcher
Lehrstühle mit entsprechend qualifizierten Ärzten zu rechnen ist.
Palliativmedizinisch ausgebildete Ärzte werden aber sofort benötigt.
Daher muss ergänzend über ein flächendeckendes Weiterbildungsangebot
für Ärzte und Pflegekräfte nachgedacht werden. Ärztekammern und
Weiterbildungsinstitutionen (für Pflegekräfte) müssen einbezogen
werden.
- Es ist daher folgerichtig, dass auch in
der Fortbildung entsprechende Angebote gefordert werden. Solche
Forderungen dürfen aber keine Lippenbekenntnisse sein. Man muss nämlich
wissen, dass die Verstärkung der Aus- und Fortbildung in den Bereichen
Palliativmedizin und Sterbebegleitung einen gewissen finanziellen Aufwand
erfordert. Man muss sich dazu bekennen, dieses Geld auch zusätzlich zur
Verfügung zu stellen. Der kürzlich in Aachen abgehaltene Schmerzkongress
hatte u.a. das Ergebnis: Schmerzgesellschaften fordern mehr Engagement in
der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Darüber informiert ein Artikel in der
aktuellen Zeitschrift des Marburger Bundes vom 15.11.2002 mit dem Titel
„Schmerztherapie als Argument gegen Sterbehilfe." Über die
Statements des Aachener Schmerzkongresses informieren auch einige
Beiträge im Forum, Rubrik Arzt- und Patientenrecht, meiner Internetseite
http://www.wernerschell.de.
- „Qualitätssicherung" in die
einschlägigen Gesetze hineinzuschreiben wird von Kennern der Szene, auch
von mir, kritisiert. Solche Regelungen bringen nämlich in Wirklichkeit
kaum Verbesserungen, sondern verstärken nur den Umfang der Tätigkeiten,
die darin bestehen, formale Anforderungen zu erfüllen, ohne dass für die
inhaltliche Verbesserung von Diagnostik, Therapie und Pflege verbesserte
sachliche und personelle Voraussetzungen geschaffen werden. Ärzte und
Pflegekräfte klagen bereits seit Jahren über die immense Belastung mit
Verwaltungsaufgaben. In diesem Sinne ist es richtig zu fordern, dass die
wirklich notwendigen Verrichtungen nicht zusätzlich durch normative
Vorgaben behindert werden.
- Das neue Fallpauschalensystem kann
umfassend kritisiert werden; auf keinen Fall wird es im Ergebnis zu einer
Verminderung der Gesundheitsausgaben führen. Es wird allenfalls eine
Verschiebung von Ausgaben bewirken. Auf jeden Fall ist zu befürchten,
dass z.B. geriatrische Leistungen und solche Vorrichtungen, die sehr
personalaufwendig sind, nicht ausreichend dotiert werden und daher
schlicht zu kurz kommen. Es muss geprüft werden, wie vor allem die
pflegerische Zuwendung schwer kranker bzw. sterbender Patienten in der
Krankenhausversorgung gestärkt werden kann. Das geht nicht ohne Geld!
- Der Marburger Bund hat in seiner
Zeitschrift vom 15.11.2002 das Thema „Fallpauschalen" ganz aktuell
im Zusammenhang mit der Schmerztherapie aufgegriffen. Der Titel des
Beitrages „Risiken für die Schmerztherapie". Dort ist u.a.
ausgeführt: Die stationäre und teilstationäre Schmerztherapie wird
zukünftig dem politischen Diktat entsprechend über das DRG-gestützte
Vergütungssystem finanziert werden müssen, obwohl der Bereich
Schmerztherapie im australischen DRG-System überhaupt nicht vorgesehen
war. Darunter werden beim derzeitigen Stand besonders konservative
stationäre oder teilstationäre Therapien leiden. ... Hier droht
zukünftig ein eklatantes Vergütungsdefizit mit der Gefahr, dass die
konservative Schmerztherapie hoch chronifizierter Schmerzkranker für die
Krankenhausträger unter DRG-Bedingungen nicht mehr finanzierbar ist. ...
Es besteht also Handlungsbedarf. ..."
- Verbesserte Möglichkeiten zu schaffen,
dass Patienten ihren Arzt auch ins Krankenhaus bzw. Hospiz „mitnehmen"
können, kann nur begrüßt werden. Allerdings werden solche
Möglichkeiten nur dann infrage kommen können, wenn generell eine
verbesserte Vernetzung von „stationär und ambulant" geschaffen
worden ist.
- Dass für Hausärzte Voraussetzungen
geschaffen müssen, auch unter verbesserten finanziellen Bedingungen
Schwerstkranke und Sterbende zu Hause zu versorgen, wurde bereits
angesprochen. Zur Zeit ist es leider aber noch so, dass mangels Kompetenz
und unzureichender finanzieller Abgeltung (Budgetierung) eher eine
Abschiebung von schwerstkranken und sterbenden Kranken stattfindet.
- Dass die Sterbebegleitung, aber auch die
dazu gehörige pallitivmedizinische Versorgung, verstärkt thematisiert
werden muss, steht außer Frage. Aber Diskussionen und Statements allein
bewegen nichts. Es muss schnellstmöglich eine verbesserte finanzielle und
personelle Ausstattung der hier relevanten Institutionen auf den Weg
gebracht werden. Schwerkranke und Sterbende warten schon lange auf
hilfreiche Lösungen!
Neuss, den 16. November 2002
Werner Schell
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