Pflege - Patientenrecht & Gesundheitswesen
www.wernerschell.de
Aktuelles
Forum (Beiträge ab 2021)
Archiviertes Forum
Rechtsalmanach
Pflege
Patientenrecht
Sozialmedizin - Telemedizin
Publikationen
Links
Datenschutz
Impressum
Pro Pflege-Selbsthilfenetzwerk
>> Aktivitäten im Überblick! <<
|
"Mitaufnahme einer Begleitperson": Es stellen sich bei der pflegerischen Betreuung von (minderjährigen) Patienten und Behinderten immer wieder
Rechtsfragen
Es ist allgemein üblich und aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden,
daß im Zusammenhang mit einer stationären Krankenhausbehandlung von Kindern einzelne
pflegerische Aufgaben bei der "Mitaufnahme einer Begleitperson" auf diese zur
Wahrnehmung ganz oder teilweise übertragen werden. Die Übernahme solcher Aufgaben ist
oft der Beweggrund für die Mitaufnahme. Dabei ist zu bedenken:
Die Entscheidung darüber, welche Tätigkeiten auf Begleitpersonen übertragen werden
können, bestimmt sich nach dem wohlverstandenen Interesse des (kleinen) Patienten.
Dabei muß bedacht werden, daß einerseits den Eltern das Vertretungsrecht/Sorgerecht
ihres Kindes obliegt (einschließlich der Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechts!),
andererseits dem Krankenhaus eine Garantenstellung gegenüber dem Patienten
auferlegt ist (= die Sicherheit des Patienten ist oberstes Gesetz!). Ähnlich der
Aufgabenübertragung bei der Injektionstätigkeit kann man sagen: Je geringer die
theoretische und praktische Gefährdungsmöglichkeit des Patienten ist, desto eher darf
die Pflegekraft/der Arzt eine Verrichtung zur Durchführung einer Begleitperson
übertragen. Die Grundzüge der bei einer Aufgabenverlagerung zu beachtenden Regeln
sollten in einer entsprechenden Dienstanweisung des Krankenhausträgers näher
bestimmt werden.
Die Person, der pflegerische Aufgaben zur Verrichtung übertragen werden, muß zur
Übernahme körperlich geeignet und zuverlässig sein (Vorsicht ist z.B. bei
Übermüdung, seelischer Überlastung, Drogenabhängigkeit und Wochenbettpsychose
angezeigt). Dabei kann es darauf ankommen, ob die Verrichtungen auch zu Hause
durchgeführt würden und die tätig werdende Person dafür genügende Erfahrung besitzt
(z.B. Verabreichung von Mahlzeiten, Sitzwache, Baden und Wickeln eines Säuglings nach
Anleitung, Fiebermessen, Insulininjektionen, Beachtung von Hygieneregeln). Der
Aufgabenübertragung sollte eine auf den Einzelfall abgestellte Einweisung/Aufklärung/Einübung
(Hinweise auf Gefahren und Verhalten bei Zwischenfällen!) voraufgehen. Die
Einweisung/Aufklärung sollte in einem Gespräch erfolgen und nicht durch Elternbriefe
u.ä. ersetzt werden. Schriftliche Informationen können zwar ein Gespräch vorbereiten,
sollten dieses aber auf keinen Fall ersetzen.
Dem Übertragenden verbleiben nach einer Aufgabenübertragung Sorgfaltspflichten
(Aufsichts- und Kontrollpflichten), deren Anforderungen je nach den Umständen des
Einzelfalles unterschiedlich sind; je mehr die übertragene Aufgabe den Charakter eines
Heileingriffes besitzt, um so strenger sind die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten
(Gefahrenlage entscheidet!). So ist es also erforderlich, daß sich eine Pflegekraft
unter Berücksichtigung des konkreten Krankheitszustandes trotz des Daseins einer
Begleitperson regelmäßig von dem Befinden des Patienten selbst überzeugt (z.B.
Infusionstherapie, deren Durchführung weitgehend der Begleitperson übertragen wurde,
Kontrolle des zu schließenden Gitterbettes) und, wenn nötig, zur Abwendung einer
Gefahr eingreift. Die Störung der Nachtruhe einer Begleitperson (durch die
kontrollierende Nachtschwester) darf kein Grund sein, eine gebotene Sorgfaltspflicht aus
bloßer Rücksichtnahme außer acht zu lassen.
Zu Nachweiszwecken im Schadensfall dient in der Regel eine lückenlose gründliche Dokumentation
in den Krankenunterlagen; sie sollte Auskunft geben über die Entscheidungsfindung
(einschließlich Einweisung/Aufklärung) in den vorstehenden Punkten 1 und 2 sowie über
die Beachtung der in Punkt 3 angesprochenen Sorgfaltspflichten (Aufsichts- und
Kontrollpflichten). Bedeutsam kann in einem Haftungsfall sein, daß bei einer
unvollständigen Krankendokumentation eine "Umkehr der Beweislast" möglich ist.
Soweit eine Begleitperson entgegen den gegebenen Anweisungen ein Kind gefährdet, muß
eingeschritten werden. Zunächst wird in aller Regel das Pflegepersonal aktiv werden
müssen (erneute Belehrungen, verstärkte Kontrollen). Kommt eine Begleitperson den
Anweisungen nicht nach, sind die vorgesetzten Dienstkräfte (ärztlicher Dienst,
pflegerischer Dienst) zu informieren und um Entscheidung zu bitten, wie nunmehr verfahren
werden soll. Es muß m.E. in diesem Zusammenhang erwogen werden, ob die Begleitperson
nicht besser das Haus verläßt. Darüber muß aber letztlich auf "höherer
Ebene" entschieden werden. Sinnvoll erscheint, das gesamte Verfahren der Aufnahme von
Begleitpersonen, Verhalten, Folgen bei Pflichtwidrigkeiten usw. in der wähnten Dienstanweisung
genau zu beschreiben. Dann wissen alle Beteiligten rechtzeitig, was zu tun ist.
Für das Pflegepersonal ist es auf jeden Fall wichtig, alle getroffenen
Maßnahmen und gegebenen Hinweise (auch an vorgesetzte Dienstkräfte) zu dokumentieren.
Eine Dokumentation von Unzulänglichkeiten entbindet aber nicht von der fortbestehenden
Pflicht, Schäden von Patienten abzuwenden bzw. sorgfältig zu arbeiten.
Orientiert man sich an diesen Grundsätzen, wird eine Pflegekraft wohl
kaum unmittelbar zur Haftung herangezogen werden können. Zu fragen wäre im übrigen,
ob es eine Haftpflichtversicherung gibt. Besteht sie seitens des Krankenhauses
nicht, sollte eine solche Absicherung von den Pflegekräften gefordert werden.
Werner Schell
|