Pflege - Patientenrecht & Gesundheitswesen
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Was rechtens ist
...apropos ... Wie können wir unsere behinderten Angehörigen lebenslänglich absichern oder Testamente zugunsten von Menschen mit geistiger Behinderung
1. Teil
A. Einleitung
Wir Angehörigen von Menschen mit geistigen Behinderungen sind für den Fall unseres Todes
grundsätzlich von der Sorge um den hinterbleibenden behinderten Angehörigen getragen.
Wir wollen für den Fall unseres Ablebens die weitere Versorgung unseres behinderten
Angehörigen sichergestellt wissen; sichergestellt werden soll dabei dessen
lebenslängliche Förderung und Pflege, da er ohne entsprechende Hilfestellung und
Fürsorge hilflos wäre.
Diese Betreuung ist naturgemäß kostenaufwendig, so daß unsere Angst vor einer nicht
angemessenen Unterbringung oftmals berechtigt ist. Bei heute zunehmend leeren
öffentlichen Haushalten wird trotz gesetzlich normierter Eingliederungshilfe für
Behinderte die Gewährung von öffentlichen Mitteln restriktiv gehandhabt: Die
preisgünstigste Unterbringung erhält oftmals, ohne Berücksichtigung der Bedürfnisse
des Behinderten, den Zuschlag.
Tatsächlich ist die Betreuung geistig behinderter Menschen durch Dienste, Einrichtungen
oder Heime gefährdet, weil die Kostenträger eine Ausweitung des Personalbestandes
verhindern und die Aufwendungen für die Fort- und Weiterbildung der hauptamtlichen
Mitarbeiter reduzieren wollen.
Unter diesen Voraussetzungen verwundert es eigentlich nicht, daß viele Angehörige
behinderter Menschen um den bisher erreichten Standard der Behindertenhilfe fürchten. In
dieser Situation ist es für betroffene Familien wichtig zu wissen, daß der BGH im
Oktober 1993 nochmals bestätigt hat, es sei nicht zu beanstanden, wenn Eltern durch
letztwillige Verfügungen dafür Sorge tragen wollen, daß die persönlichen Bedürfnisse
ihres behinderten Kindes über eine Grundversorgung hinaus abgesichert werden, und zwar
lebenslänglich.
Die über das sog. Behindertentestament geführte Diskussion wird von der Grundsatzfrage
mitbestimmt, ob solche Verfügungen von Todes wegen durch die grundgesetzlich
gewährleistete Testierfreiheit gedeckt sind oder ob eine derartige Testamentsgestaltung
wegen Unterlaufens des in den Vorschriften der §§ 2 BSHG und 9 SGB I formierten
sozialhilferechtlichen Nachrangprinzipes sittenwidrig und damit nach § 138 Abs. 1 BGB
nichtig sind.
Zum besseren Verständnis stellen wir einige grundsätzliche Ausführungen zur
1. Gesetzliche Erbfolge und Testierfähigkeit (B) sowie
2. zum sozialrechtlichen Nachrangprinzip (C)
voran.
B. Gesetzliches Erbrecht, Testierfreiheit
I. Gesetzliche Erbfolge
Das allgemeine Erbrecht ist in unserem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Dort ist
bestimmt, wer wieviel erbt, wenn der Erblasser kein Testament errichtet hat. Man spricht
von der gesetzlichen Erbfolge.
Mit anderen Worten:
Bei Fehlen eines Testamentes oder eines Erbvertrages greift die gesetzliche Erbfolge und
das gesetzliche Erbrecht, d. h. der Erbgang, der automatisch im Falle eines Todesfalles
eintritt. Das BGB geht von der sog. Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) aus:
Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine
oder mehrere andere Personen (Erben) über.
- Das Gesetz kennt gesetzliche Erben erster Ordnung: Abkömmlinge des Erblassers
- Gesetzliche Erben zweiter Ordnung: Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge
- Gesetzliche Erben dritter Ordnung: Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge
- Gesetzliche Erben vierter Ordnung: Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge
Diese gesetzliche Erbfolge kann nur durch Testament oder Erbvertrag
abgeändert werden. Selbst aber dann, wenn ein an sich gesetzlich bestimmter Erbe enterbt
wird, steht ihm der sog. Pflichtteilsanspruch zu (§ 2303 Abs. 1 BGB), der wertmäßig auf
die Hälfte des gesetzlichen Erbteiles gerichtet ist.
Nun könnte man daran denken, das behinderte Kind zu enterben und statt seiner einen
Dritten als Erben einzusetzen, um den Zugriff des Sozialhilfeträgers auf das Erbe zu
verhindern.
Diese Lösung ist aber wenig sinnvoll:
In jedem Fall bliebe in einem solchen Fall der Pflichtteilsanspruch des behinderten Kindes
bestehen.
Auf diesen Pflichtteilsanspruch des behinderten Kindes könnte ggf. der Sozialhilfeträger
zugreifen. Das Gesetz bestimmt, daß in einem solchen Fall der Sozialhilfeträger den
Anspruch des behinderten Kindes gegenüber dem Nachlass
auf Auszahlung des
Pflichtteilsanspruches übergeleitet wird.
Auf die Frage, ob und ggf. welche testamentarischen Lösungen es gibt, bei denen
grundsätzlich das Vermögen im Todesfall ausschließlich zugunsten des behinderten Kindes
eingesetzt werden kann, und die im übrigen auch sozialpolitisch vertretbar sind, werden
wir später eingehen.
II. Testierfähigkeit:
Art. 14 unseres Grundgesetzes (GG) bestimmt:
"Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. ..."
Die Testierfreiheit umfaßt also die Befugnis des Erblassers, zu Lebzeiten
einen von der gesetzlich vorgesehenen Erbfolge abweichenden Übergang seines Vermögens
anzuordnen, insbesondere einen gesetzlichen Erben von der Nachlassbeteiligung
auszuschließen und wertmäßig auf den gesetzmäßigen Pflichtteil zu beschränken.
Die Testierfreiheit gestattet es also, Vermögensnachfolge weitgehend nach
"Gutdünken" zu regeln.
So, nun hatten wir aber gehört, daß Art. 14 GG gleichermaßen bestimmt, daß Inhalt und
Schranken des Eigentums und des Erbrechts durch Gesetz bestimmt werden. Was bedeutet dies
nun konkret? Welche Gesetze sind damit gemeint?
Rechtsgeschäftlich ist eine Beschränkung durch Errichtung eines wechselbezüglichen
gemeinschaftlichen Testamentes (§2271 BGB), unter Abschluß eines Erbvertrages (§ 2289
BGB) möglich. Auch die Rücktritts- und Widerrufsrechte bzgl. eines Testamentes oder
eines Erbvertrages sind Ausfluß der allgemeinen Testierfreiheit.
Für Sie ist von besonderem Interesse die Einschränkung der Testierfreiheit durch das
sog. Pflichtteilsrecht (§ 2303 ff BGB). Darüber hinaus ist als weitere Einschränkung
von besonderer Bedeutung die Einschränkung der Testierfreiheit durch § 138 BGB. Dieser
besagt:
"Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig."
Zur Definition der sog. guten Sitten gibt es umfangreiche Rechtsprechung
(auf die wir nachfolgend nicht im einzelnen eingehen möchten). Tatsache ist aber, daß
der BGH als höchste Rechtsprechungsinstanz heute die Vorschrift des § 138 sehr
zurückhaltend anwendet und grundsätzlich die Testierfreiheit betont.
Gegen die guten Sitten könnte es also z. B. verstoßen, jahrelang staatliche Sozialhilfe
in Anspruch zu nehmen und im Erbfall den Staat von möglichen Überleitungsansprüchen
auszuschließen. Wie eingangs erwähnt, hält der BGH aber den Wunsch von Eltern, ihren
behinderten Angehörigen lebenslang abzusichern, für legitim.
Das Problem konzentriert sich damit auf die Frage, welche letztwilligen Verfügungen ein
Erblasser im Hinblick auf das gesetzlich normierte Nachrang- oder Subsidiaritätsprinzip
des Sozialhilferechtes gerade auch im Hinblick auf die ihm verfassungsrechtlich
garantierte Testierfreiheit treffen darf und welche nicht.
C. Nachrangprinzip
I. Allgemeine Grundsätze
Gemäß § 2 Abs. 1 BSHG erhält keine Sozialhilfe, wer sich selbst helfen kann oder wer
die erforderliche Hilfe von anderen, besonders von Angehörigen oder von Trägern anderer
Sozialleistungen erhält.
Die Sozialhilfe ist damit nachrangig gegenüber
- der Möglichkeit der Selbsthilfe (§ 2 Abs. 1, 1. Alternative BSHG)
- tatsächlichen Hilfeleistungen Dritter (§ 2 Abs. 1, 2. Alternative BSHG)
- Leistungsverpflichtungen Dritter (§ 2 Abs. 2, Satz 1 BSHG)
- bestimmten Ermessensleistungen Dritter (§ 2 Abs. 2, Satz 1 BSHG)
Das Gesetz bestimmt im einzelnen, welches Einkommen, welche Einkünfte in
Geld oder in Geldeswert vor Inanspruchnahme von Sozialhilfe herangezogen werden können.
Was im einzelnen zum Einkommen und was zu den Einkünften zählt, ist äußerst
vielgestaltig und soll hier bei diesem Thema zunächst nicht interessieren.
II. Härtefall/Durchbrechung des Nachrangprinzipes
Von diesem Grundsatz gibt es eine Ausnahme:
Sozialhilfe darf nicht vom Einsatz oder von der Verwertung des vorhandenen Vermögens
abhängig gemacht werden, soweit dies für denjenigen, der das Vermögen einzusetzen hat
und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine besondere Härte bedeuten würde.
Wann im konkreten Fall ein sog. Härtefall vorliegt, läßt sich nicht für den Einzelfall
beurteilen. Hierzu gibt es umfangreiche Rechtsprechung. Entscheidend ist es hier, daß im
Rahmen der anwaltlichen Beratungspraxis der konkrete, zur Beurteilung anstehende
Lebenssachverhalt überprüft und bewertet wird.
U. a. ist hierbei sicherlich zu berücksichtigen, inwieweit die nun heranzuziehenden
Angehörigen ihren bisher behinderten Angehörigen betreut haben. Derjenige, der bereits
30 Jahre einen schwerbehinderten Angehörigen zu Hause versorgt hat, soll grundsätzlich
dann, wenn er selber nicht mehr hierzu in der Lage ist, nicht auch noch finanziell zu den
Kosten einer vollstationären Heimunterbringung herangezogen werden können. Die
Rechtsprechung privilegiert hier denjenigen, der sich viele Jahre um seinen behinderten
Angehörigen unter hohem persönlichen Einsatz gekümmert hat.
III. Kostenersatz durch Erben
Eine weitere interessante Vorschrift ist die des Kostenersatzes durch den Erben:
Diese Vorschrift bestimmt, daß der Erbe des Hilfeempfängers in bestimmten sachlichen und
zeitlichen Grenzen zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet ist, wobei er
allerdings nur in Höhe des Nachlasses, also dessen, was tatsächlich geerbt wird, haftet.
Diese Vorschrift stellt insofern eine Konkretisierung des Nachrangprinzipes dar, als sie
das durch die Härtefallklausel durchbrochene Nachrangprinzip im Erbfall unter gewissen
Voraussetzungen wieder aufleben läßt.
IV. Problemstellung
An dieser Stelle wird nun mit letzter Deutlichkeit klar, worin die besondere Problematik
der Testamentsgestaltung zugunsten von Menschen mit geistiger Behinderung liegt:
Die Vorschrift über den möglichen Kostenersatz durch den Erben wird in der Praxis
vielfach dadurch unanwendbar gemacht, daß der Erblasser, sei es durch Erbvertrag oder
durch Testament, bestimmte, im einzelnen noch zu diskutierende letztwillige Verfügungen
trifft, die dem Sozialhilfeträger nach seinem Tode den Zugriff auf das ererbte Vermögen
erschweren.
2. Teil
D. Lösungsvorschlag
Die Frage, in welcher Form dies geschehen kann, wird in Rechtssprechung und Literatur und
auch von den Interessensverbänden heftig diskutiert. Hier kann man sicherlich keine
allgemeingültige Lösung vorschlagen. In jedem Fall kann hier nur dringend angeraten
werden, sich individuell beraten zu lassen. Wir wollen dabei nicht verhehlen, daß auch
das Ergebnis dieser Beratung immer letztlich davon geprägt ist, welche Auffassung der
Beratende vertritt. Auch hier die dringende Empfehlung: Nicht einfach den benachbarten
Anwalt oder Notar aufsuchen, sondern sich vorher erkundigen, wer bei der Ausgestaltung
letztwilliger Verfügungen bei Vorhandensein behinderter Angehöriger über entsprechende
Erfahrungen verfügt.
Ganz wichtig ist es dabei auch zu wissen, daß selbst für den Fall, daß man sich nach
eingehender Beratung zu einem sog. Behindertentestament entschließt, dieses in
regelmäßigen Abständen überprüft werden solle, spätestens aber dann, wen sich die
familiäre Situation, evtl. durch einen Todesfall oder durch das Hinzukommen weiterer
Erben geändert hat. Der Wunsch, ein Testament ein für allemal wirksam errichtet zu
haben, kann im Zweifel verhehrende Folgen haben.
Sinn und Zweck dieses sog. Behindertentestaments, Vor- und Nacherbschaft
Um zu verhindern, daß der Sozialhilfeträger auf den Nachlass des behinderten Kindes
Zugriff nehmen kann, bietet sich die Möglichkeit der Vor- und Nacherbschaft an. Was ist
das?
Danach wird das behinderte Kind als Vorerbe und ein (oder mehrere) nahe Angehörige (z. B.
die gesunden Geschwister) als Nacherben eingesetzt. Die Einsetzung als Vor- oder Nacherbe
bedeutet nicht, daß das behinderte Kind damit enterbt wird, was zwangsläufig gesetzliche
Pflichtteilsansprüche des behinderten Kindes entstehen ließe. Durch das Einsetzen des
behinderten Kindes als Vorerbe wird dieses nicht Erbe, sondern erst der Nacherbe. Dies hat
zur Konsequenz, daß das behinderte Kind keinen Erbteil erhält, auf den der
Sozialhilfeträger Zugriff nehmen könnte.
Da Sozialversicherungsträger nur Zugriff bei unbeschränktem Vermögen nehmen können,
beschränkt man das Vorerben in seiner Verfügungsbefugnis:
Neben der Einsetzung als Vorerbe empfiehlt sich regelmäßig, eine Testamentsvollstreckung
anzuordnen (§§ 2209, 2210 BGB). Dadurch steht der Nachlass gem. § 2214 BGB den
Gläubigern des erbenden Kindes nicht mehr als Zugriffsobjekt zur Verfügung. Darüber
hinaus fallen dem Erben gem. § 2211 BGB die zum Nachlass gehörenden Gegenstände zu. Die
Erbschaft stellt damit kein verwertbares Vermögen des behinderten Erben im Sinne des
§ 88 Abs. 1 BSHG dar.
Mit der Anordnung der Nacherbschaft wird außerdem bewirkt, daß der Nacherbe zwar das
Vermögen erbt, jedoch nicht als Erbe des behinderten Vorerben, sondern als Erbe des
Erblassers. Damit wiederum scheidet eine Haftung des Nacherben gem. § 92 c BSHG aus,
wonach die Erben des Sozialleistungsempfängers unter bestimmten sachlichen und zeitlichen
Voraussetzungen zur Rückzahlung der Sozialhilfe verpflichtet sind.
Der Einsatz eines Testamentsvollstreckers ist hier schon deshalb von Bedeutung, weil ohne
besondere Verfügung von Todes wegen der Vormund über den Nachlass des Behinderten
verfügen könnte. Auf die Person des Vormundes hat dagegen der Erblasser, sofern das
behinderte Kind volljährig ist, keinen unmittelbaren Einfluß mehr (§ 1898 BGB). Dem
gegenüber ermöglicht die Anordnung einer Testamentvollstreckung dem Erblasser, die
Verfügungsgewalt über den Nachlass einer ihm genehmen Person zuzuweisen.
Vor- und Nacherbe sind zeitlich aufeinanderfolgende Erben desselben Erblassers und
desselben Nachlasses. Der Nacherbe ist also, wie dargelegt, nicht Erbe des Vorerbens,
sondern Erbe des Erblassers.
Da der nicht durch Testamentvollstreckung eingeschränkte Vorerbe über das ihm
angefallene Nachlassßvermögen frei verfügen kann und dadurch dem Nacherben lediglich der
Überrest verbleibe und der Sozialhilfeträger auf dieses Vermögen Zugriff nehmen
könnte, ist in jedem Fall der Einsatz eines Testamentsvollstreckers sinnvoll.
Was ist eine Testamentsvollstreckung?
Der Testamentsvollstrecker selbst ist zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses
verpflichtet, ohne daß der Erblasser ihn von dieser Verpflichtung befreien kann (§ 2220
BGB).
Der Erblasser selbst kann Verwaltungsordnungen hinsichtlich der Nachlassverwaltung
treffen, die aber bei Gefährdung des Erben außer Kraft gesetzt werden können.
Der Begriff der ordnungsgemäßen Verwaltung bedarf gerade im Licht der spezifischen
Problematik des Behindertentestaments einer näheren Beleuchtung. Der
Testamentsvollstrecker muß demnach dem Erben die Nachlassfrüchte, d. h. Zinsen und
Erträge zukommen lassen, aus denen dieser wiederum seinen Unterhaltsbedarf decken kann.
Will daher ein Erblasser, ohne hier auf weitere Details eingehen zu wollen, seinem
behinderten Kind die Nachlassßfrüchte möglichst weitgehend zukommen lassen, ohne daß die
Sozialhilfeleistungen geschmälert werden, empfiehlt es sich anzuordnen, der
Testamentsvollstrecker möge aus den Früchten zusätzliche Unterhaltsleistungen
erbringen. Dabei kommen - je nach den individuellen Bedürfnissen des Erben - insbesondere
Naturalleistungen in Betracht. Zu beachten ist nur, daß es sich wirklich um angemessene
Unterhaltsleistungen handeln muß. Zu der Frage, was hierbei angemessen ist, gibt es
selbstverständlich auch wieder umfangreiche Rechtsprechung, die es zu berücksichtigen
gilt.
Es empfiehlt sich hier, entsprechende Anordnungen möglichst konkret festzulegen.
Regelmäßig wird sich hier anbieten
- dem behinderten Erben ein monatliches Taschengeld auszuzahlen das
entsprechend seitens der Lebenshaltungskosten ggf. erhöht werden kann,
- dem behinderten Kind einmal im Jahr für mindestens 4 Wochen einen Urlaub in einer
Behindertenfreizeit oder sonstigen Erhohlungseinrichtungen zu ermöglichen,
- die Kosten für die Anschaffung von Gütern des persönlichen Bedarfes, wie Kleidung,
Einrichtungsgegenstände,
- all das zu gewährleisten, was der Gesundheitszustand des behinderten Menschen erfordert
(Einzelzimmer etc.)
Natürlich wird gleichzeitig auch die Verpflichtung zur Einstellung
derartiger Vergünstigungen angeordnet, sofern dadurch die Sozialhilfeleistungen gekürzt
werden.
Für den Fall eines beträchtlichen Vermögens oder eines hohen Pflichtteiles des
Behinderten, in den Fällen also, in denen der Behinderte aus den Früchten (Zinsen und
Erträge) seinen Lebensunterhalt sicherstellen kann, dürfte in Zukunft mit einer anders
lautende Entscheidung des BGH zu rechnen sein. Bei beträchtlichen Vermögen dürfte auch
bei Testamentsvollstreckung, wie dargelegt, die sog. Früchte-Lösung in Form eines
Auszahlungsanspruches gegenüber dem Testamentsvollstrecker der Rechtsprechung des BGH
Rechnung tragen.
Behindertentestament mit Vermächtnislösung
Empfohlen wird nicht selten auch ein Vorvermächtnis, ebenfalls unter
Testamentsvollstreckung (sog. Vermächtnislösung). Wir raten im Ergebnis davon ab:
Denn stirbt der Behinderte, dann konkurrieren die Kostenerstattungsansprüche des
Sozialhilfeträgers mit den Ansprüchen der Erben; jahrelanger Streit ist u. E. geradezu
vorprogrammiert.
Besondere Probleme ergeben sich selbstverständlich noch bei den unterschiedlichsten
familiären Situationen. Es würde sicherlich den Rahmen dieses Beitrages sprengen, hier
für jeden Einzelfall eine individuelle Lösung anbieten zu wollen.
Unser Tip: Lassen Sie sich in jedem Fall umfassend beraten!
Beitrag aus der Zeitschrift "Wachkoma und danach",
Mitgliederzeitschrift des Selbsthilfeverbandes "Schädel-Hirnpatienten in Not
e.V."; Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Verfasserin, Frau
Rechtsanwältin Dr. Ilse Dautert (Medizinrecht. Fachanwältin für Sozialrecht)
Werner Schell (07/99)
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