Pflege - Patientenrecht & Gesundheitswesen
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Rechtsfragen im Umgang mit dem zentralen Venenkatheter
Ärzte sind grundsätzlich befugt, mit der Wahrnehmung bestimmter
heilkundlicher Verrichtungen, z.B. Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen,
geeignetes nichtärztliches Personal (Mitarbeiter) zu betrauen.
Obwohl dem Grunde nach die Zulässigkeit der Übertragung solcher
Verrichtungen auf nichtärztliches Personal nicht angezweifelt wird, ergeben
sich gleichwohl in der Praxis immer wieder Unsicherheiten und Fragen.
Einige solcher Fragen wurden wie folgt der Redaktion zur Beantwortung vorgelegt:
- Darf sich eine examinierte Kinderkrankenschwester weigern, eine Infusion an
einen zentralen Venenkatheter (ZVK) anzuschließen, dessen Einstichstelle nach
ihrem Ermessen entzündlich verändert ist, obwohl der Oberarzt dies für
unbedenklich erklärte?
- Sollten Infusionslösung und Kurzinfusionen bei einem ZVK generell von dem
ärztlichen Dienst angehängt werden?
- Wie sieht hier die aktuelle Rechtsprechung aus?
Antwort:
Zunächst einmal ist festzustellen, daß
das Anlegen von zentralen Venenkathetern (ZVK) in aller Regel zu den ärztlichen
Verrichtungen gehört, die nicht auf das dreijährig ausgebildete
Krankenpflegepersonal übertragen werden können. Diese Tätigkeit ist nach den
einschlägigen Vorschriften nicht Gegenstand der dreijährigen Kranken- und
Kinderkrankenpflegeausbildung. Übertragbar ist der Wechsel von
Infusionslösungen bei einem ZVK auf Krankenpflegepersonen dann, wenn diese
Personen für diese Verrichtung tatsächlich (theoretisch und praktisch)
qualifiziert sind. Es gelten insoweit die Delegationsregeln wie bei einer
intravenösen Injektion (vgl. Schell, W. „Injektionsproblematik aus
rechtlicher Sicht". B. Kunz Verlag, Hagen 1995).
Verfügt eine Krankenpflegeperson über die im Einzelfall erforderlichen
Kenntnisse und Fertigkeiten zum Wechsel von Infusionslösungen bei einem ZVK,
wird sie einer diesbezüglichen Anordnung nachkommen müssen. Es geht hier
arbeitsrechtlich darum, daß der Arbeitgeber oder ein bestimmter Vorgesetzter
Einzelheiten der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers bestimmt. Wenn allerdings
eine Krankenpflegeperson nach sorgfältiger Einschätzung der Umstände des
Einzelfalles z.B. zu dem Ergebnis kommt, daß bei dem angeordneten Wechsel der
Infusionslösung eine Gefährdung des Patienten/der Patientin nicht
auszuschließen oder sogar wahrscheinlich ist, muß sie von einer Übernahme der
Tätigkeit absehen und den Auftrag zurückgeben: Der Arbeitnehmer hat nämlich
Anordnungen, deren Ausführung - ihm erkennbar - den Strafgesetzen zuwiderlaufen
würde, nicht zu befolgen (vgl. hierzu § 8 Bundesangestelltentarif - BAT -).
Wann konkret eine Berechtigung zur sanktionslosen Verweigerung einer bestimmten
Verrichtung vorliegt, kann umstritten sein.
Die Fragestellerin will eine Infusion an einen ZVK nicht anlegen, weil dessen
Einstichstelle (nach ihrer pflegerischen Beurteilung) entzündlich verändert
ist. Dieser Sachverhalt erscheint mir in der Tat geeignet, von der vorgesehenen
Infusion in den vorhandenen ZVK abzusehen. Dies auch dann, wenn der zuständige
Oberarzt die Entzündung für unbedenklich befunden hat.
Nach den einschlägigen Hygieneregeln, die Maßstab für sorgfältiges
Arbeiten sind, wird nämlich immer wieder angemerkt, daß bei
Entzündungszeichen und ähnlichen Komplikationen das gesamte Infusionssystem
(sofort ) entfernt werden soll (vgl. z.B. die Richtlinie für „Krankenhaushygiene
und Infektionsprävention" mit der Anlage 5.1: „Anforderungen der
Krankenhaushygiene bei Infusionstherapie und Katheterisierung von
Gefäßen", herausgegeben vom früheren Bundesgesundheitsamt in Berlin).
Juchli formuliert in „Pflege"; Thieme Verlag, Stuttgart 1994 (Seite 1051)
u.a. wie folgt: „Bei auftretender Entzündung müssen der Katheter entfernt
(Arzt) und die Venen mit Alkohol- oder Antiphlogistikaverbänden behandelt
werden." Bei Boonen und Heindl-Mack „Pflege in der Intensivmedizin";
Thieme Verlag, Stuttgart 1996 (Seite 376) heißt es u.a.: „ Treten erste
Anzeichen entzündlicher Veränderungen im Verlauf des Gefäßes auf, so ist der
Katheter unverzüglich zu entfernen" (ähnlich auch Gundermann u.a. in „Lehrbuch
der Hygiene"; Fischer Verlag, Stuttgart 1991, Seite 308; sowie Neander u.a.
in „Handbuch der Intensivpflege"; ecomed Verlag Landsberg, Stand 1996;
Abschnitt 5.3, Seite 27). Da die Hygieneregeln bei der Infusionstherapie
besonders sorgfältig beachtet werden sollten (vgl. Beckert „Hygiene für
Fachberufe im Gesundheitswesen"; Thieme Verlag, Stuttgart 1995; Seite 299),
halte ich die Weigerung der Fragestellerin für durchaus legitim und denke, daß
der zuständige Arzt der Abwendung möglicher Infektionsgefahren größere
Beachtung hätte schenken sollen!
Ein rechtliches Gebot, Infusionslösung
und Kurzinfusionen bei einem ZVK generell vom ärztlichen Dienst anhängen zu
lassen, besteht nicht; es ist grundsätzlich von den skizzierten
Delegationsmöglichkeiten auszugehen. Es besteht aber, wenn anderweitiger
Regelungsbedarf gesehen wird, die Möglichkeit, in einer für das jeweilige
Krankenhaus maßgebenden „Dienstanweisung" entsprechende Hinweise
vorzusehen. Hierzu habe ich in meinem Buch „Injektionsproblematik aus
rechtlicher Sicht" nähere Ausführungen gemacht.
Aktuelle Rechtsprechung zum Thema ist
mir nicht bekannt. Das Fehlen von gerichtlichen Entscheidungen ist
unterschiedlich interpretierbar. Gerichtsentscheidungen sind in aller Regel
keine Rechtsquellen, sondern auch nur „Beurteilungshilfen" für richtiges
Verhalten.
Werner Schell (30.05.1997, eingestellt am 18.03.2001)
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