Kinder- und Jugendrehabilitation sowie Kinderkuren
In einer im Deutschen Bundestag eingebrachten kleinen Anfrage wurden
kürzlich der Bundesregierung einige Fragen zum Themenkomplex "Kinder- und
Jugendrehabilitation sowie Kinderkuren" gestellt. Die daraufhin von der
Bundesregierung erstellte Antwort ist sehr informativ, so daß die Fragen und Antworten
nachstehend auszugsweise wiedergegeben werden (Quelle: Bundestagsdrucksache 13/7140;
BAR-Information 4/1997):
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Wie beurteilt die Bundesregierung die gesundheitspolitische und
gesundheitsfördernde Bedeutung der Kinder- und Jugendrehabilitation sowie der
Kinderkuren?
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Welche Modelle und Konzepte sind der Bundesregierung bekannt, und wie
bewertet sie diese?
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Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus der Konzeption, die in
der "Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie" erarbeitet wurde?
Die Maßnahmen zur Vorsorge und Rehabilitation im Kindes- und Jugendalter
sind für die gesunde Entwicklung der jugendlichen Bevölkerung von großer Bedeutung. Da
sich die Anzahl der chronisch kranken Kinder und Jugendlichen in den letzten Jahren
erhöht hat, ist auch der Bedarf an spezifischen und qualifizierten
Rehabilitationsangeboten für Kinder und Jugendliche gestiegen. Daher nehmen Vorsorge- und
Rehabilitationsmaßnahmen sowie Kuren für Kinder und Jugendliche auch zukünftig einen
wichtigen Stellenwert in der medizinischen Rehabilitation ein; allerdings gilt auch hier
der Grundsatz, daß ambulanten und teilstationären Maßnahmen der Vorzug zu geben ist. Da
ein großer Teil der chronischen Krankheiten bzw. der Krankheitsfolgen im Erwachsenenalter
bestehen bleibt, ist auch für die gesetzliche Rentenversicherung ein Bezug zur
Leistungsfähigkeit im späteren Erwerbsleben gegeben. Die Rehabilitation bei Kindern und
Jugendlichen hat für die gesetzliche Rentenversicherung insbesondere dadurch Bedeutung,
daß die Kindheit als optimale Entwicklungsphase betrachtet werden kann, um
gesundheitliche Probleme bereits im Vorfeld zu verhindern oder zu minimieren und einer
sekundären Chronifizierung entgegenzuwirken. Zudem sind Verhaltensweisen, die in dieser
Entwicklungsphase aufgebaut werden, sehr überdauernd, so daß die gesundheitsrelevanten
Verhaltensweisen, die in dieser Altersspanne vermittelt werden können, größere Chancen
haben, beibehalten zu werden.
Bereits 1990 haben die Spitzenverbände der Kranken- und
Rentenversicherungsträger gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie
Anforderungsprofile für Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen für Kinder und
Jugendliche entwickelt. 1996 hat der Fachausschuß "Stationäre Präventions- und
Rehabilitationsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche" der genannten Gesellschaft den
Entwurf von Rahmenempfehlungen für die Durchführung stationärer Maßnahmen zur
Prävention und Rehabilitation für Kinder und Jugendliche vorgelegt. Diese stellen eine
Weiterentwicklung der erwähnten Anforderungsprofile dar und berücksichtigen die
bisherigen Erfahrungen und neueren Erkenntnisse. Es ist vorgesehen, die Neufassung auf der
Ebene der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) zu beraten.
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Wer übernimmt die Kosten für die Kuren und stationären
Rehabilitationsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche, wie hoch sind diese
durchschnittlich pro Maßnahme, und wie hoch beziffern sich die Ausgaben der jeweiligen
Kostenträger (z.B. gesetzliche Krankenversicherung, private Krankenversicherung,
Rentenversicherungsträger) insgesamt für diese Maßnahmen?
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen gemäß § 23 Abs. 4 SGB V
stationäre Vorsorgemaßnahmen und gemäß § 40 Abs. 2 SGB V stationäre
Rehabilitationsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche, sofern hierfür die Voraussetzungen
vorliegen. Daneben erbringen die Krankenkassen ambulante Vorsorgekuren gemäß § 23 Abs.
2 SGB V und ambulante Rehabilitationskuren gemäß § 40 Abs. 1 SGB V. Neben der
Übernahme der Kosten für kurärztliche Behandlung und die erforderlichen Arznei-, Heil-
und Hilfsmittel kann die Krankenkasse einen Zuschuß von bis zu 15,- DM täglich für
Kosten der Unterkunft, Verpflegung, Kurtaxe und Fahrtkosten etc. gewähren. Statistisch
werden in der gesetzlichen Krankenversicherung Kinderkuren nicht gesondert erfaßt.
Die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung können Leistungen zur
Rehabilitation für Kinder und Jugendliche aufgrund des § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB V
durchführen. Die Aufwendung in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten
für diese Leistungen beliefen sich im Jahre 1995 auf insgesamt 197.319.671,18 DM.
Die durchschnittlichen Aufwendungen pro durchgeführte Leistung betrug im
Jahre 1995 in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten rechnerisch rd. 8.300
DM.
Der Bundesregierung liegen keine statistischen Angaben über die Ausgaben
der privaten Krankenversicherer für Kurkosten im allgemeinen oder Kurkosten und
stationäre Rehabilitationsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche im besonderen vor.
Kurkosten gehören nicht zum regelmäßigen Leistungsumfang der privaten
Krankenversicherung, können aber im Rahmen spezieller Kurtarife versichert werden. Diese
Kurtarife sind in der Regel keine gesondert erfaßbaren selbständigen Versicherungen,
sondern als sog. unselbständige Teilversicherungen, d.h. als Teil der
Krankheitskostenversicherung konzipiert. Als Folge hiervon werden Beiträge und Leistungen
aus den Kurtarifen zusammen mit und in der Krankheitskostenversicherung ohne eine
Möglichkeit der Aufschlüsselung erfaßt. Hinzu kommt, daß Rehabilitationsmaßnahmen je
nach Gestaltung des Versicherungsschutzes unter die Leistungspflicht der
Krankheitskostenversicherung fallen können und dann auch nicht gesondert erfaßt werden.
Auch aus dem vom Verband der privaten Krankenversicherung e.V.
herausgegebenen Zahlenbericht 1995/96 ist im übrigen zum Thema Kurkosten ergänzend nur
zu ersehen, daß die privaten Krankenversicherer bei den "Sonstigen Leistungen"
auch noch Kurkostenzuschüsse an die Versicherten erbracht haben. Diese "Sonstigen
Leistungen" , d.h. Leistungen, die anderen Tarifleistungen nicht zuzuordnen sind,
haben im Jahre 1995 insgesamt 167,4 Mio. DM betragen und verteilen sich in der Hauptsache
auf Kurkostenzuschüsse, Wochenhilfe, Pflegezusatzversicherungsleistungen sowie andere
Zahlungen an die Versicherten. Der Anteil der Kurkostenzuschüsse ist auch hier nicht
gesondert erfaßt.
Gemäß § 36 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gehören zur vorbeugenden
Gesundheitshilfe auch Kuren für Kinder und Jugendliche, wenn nach ärztlichem Urteil eine
Kur im Einzelfall erforderlich ist. Soweit Personen diese Kur nicht von anderen
Sozialleistungsträgern erhalten und ihnen aufgrund ihrer Einkommens- und
Vermögensverhältnisse die Aufbringung der Mittel nicht zuzumuten ist, werden diese
Kosten im Rahmen der Einzelfallprüfung vom Träger der Sozialhilfe übernommen. Die
Voraussetzungen für die Gewährung einer Kur sind in der Regel die gleichen, die für
Versicherte in der gesetzlichen Krankenkasse gelten. Die Höhe der Leistung bemißt sich
nach Sozialhilfegrundsätzen. Nach der Sozialhilfestatistik erhielten im Jahre 1994 710
Kinder bzw. Jugendliche vorbeugende Gesundheitshilfe.
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Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Beantragung der Kuren und
Rehabilitationsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche in den letzten Wochen stark
rückläufig ist?
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Worauf führt die Bundesregierung dies zurück?
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Inwieweit spielen dabei nach Einschätzung der Bundesregierung
Budgetüberlegungen der niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen eine Rolle?
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Inwieweit besteht nach Einschätzung der Bundesregierung bei den Eltern
eine Verunsicherung, daß sie Zuzahlungen für die Kinder bzw. für sich selbst leisten
müssen?
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Was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu tun?
Die Bundesregierung ist kein Aufsichtsbehörde von Krankenkassen, daher
ist ihr ein umfassender Überblick über eine Änderung der Bewilligung durch die
Krankenkassen nicht möglich. Entscheidend für die Durchführung von Vorsorge- und
Rehabilitationsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen ist allerdings, daß die
Anspruchsberechtigten einen entsprechenden Antrag stellen. Möglicherweise sind solche
Anträge durch eine Verunsicherung in jüngster Zeit wegen der Veränderung der
rechtlichen Rahmenbedingungen (Höchstdauer der Maßnahme, Leistungsintervalle,
Veränderung der Zuzahlungshöhe) unterblieben. Diese Maßnahme spielen aber für Kinder
in der Regel keine Rolle, da sie bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres bei stationären
Maßnahmen zuzahlungsfrei sind und in Härtefällen die Sozialklausel anzuwenden ist.
Außerdem haben die Krankenkassen bereits darauf hingewiesen, daß bei Maßnahmen für
Kinder auch im Regelfall die Höchstdauer überschritten werden kann.
Der beobachtbare Rückgang bei Anträgen liegt nach Auffassung der
Bundesregierung auch an teilweise gezielten Falschinformationen in der Öffentlichkeit
über die vom Gesetzgeber getroffenen Regelungen. "Budgetüberlegungen" der
Vertragsärzte können bei der Verordnung von ambulanten und stationären Vorsorge- und
Rehabilitationsmaßnahmen keine Rolle spielen, da es ärztliche Budgets für die
Verordnung von Kuren nicht gibt. Bei Kinderheilbehandlungen ist keine Zuzahlung zu
leisten, und zwar auch nicht für Kinder, die das 18. Lebensjahr überschritten haben.
Bei den Rentenversicherungsträgern wurden im gesamten Jahr 1996 40.445
Anträge auf Kinderheilbehandlungen gestellt. Damit wurden insgesamt 11,4 % weniger
Anträge als im Jahr 1995 gestellt. Über die Gründe des Rückgangs liegen keine
gesicherten Erkenntnisse vor. Die gesetzgeberischen Maßnahmen im Rahmen des Wachstums-
und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) sehen keine Änderungen bei den Regelungen
zur Kinder- und Jugendrehabilitation vor, da daß der Antragsrückgang nach Auffassung der
Bundesregierung nicht auf gesetzliche Änderungen zurückzuführen ist.
- Welche Forschungsprojekte beschäftigen sich mit Fragen der Kinder- und
Jugendrehabilitation sowie Kinderkuren in der Bundesrepublik Deutschland?
- führt diese durch, von wem werden sie finanziert, und welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen?
- Welchen weiteren Forschungsbedarf sieht die Bundesregierung?
- Welche Lehrstühle in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigen sich nach Kenntnis der Bundesregierung speziell mit dem Fachgebiet "Kinder- und Jugendrehabilitation"?
In Deutschland werden verschiedene Forschungsprojekte zu Fragen der
Kinder- und Jugendrehabilitation durchgeführt. Ausführende Stellen sind im wesentlichen
Universitätsinstitute und Rehabilitationseinrichtungen. Eine sehr umfangreiche Auflistung
aller Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der Rehabilitation wird in dreijährigem Turnus
von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) herausgegeben. Spezifische
Informationen zu den ausführenden Einrichtungen und den Geldgebern können dieser
BAR-Zusammenstellung entnommen werden.
Die Finanzierung dieser Forschungsarbeiten wird in begrenztem Umfang von
den Rehabilitationsträgern, Rentenversicherung, Unfallversicherung und
Krankenversicherung zur Verfügung gestellt. Auch die Bundesregierung unterstützt
Forschungsarbeiten zu diesem Thema im Rahmen ihrer Forschungsförderung im Programm
"Gesundheitsforschung 2000" und der Ressortforschung des Bundesministeriums für
Arbeit und Sozialordnung bzw. Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Gesundheit. Derzeit wird im Gesundheitsforschungsprogramm ein neuer Förderschwerpunkt
"Rehabilitationsforschung" eingerichtet. Die gemeinsam von der
Rentenversicherung und dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und
Technologie getragene erste Phase hat zum Ziel, in mehreren Regionen
rehabilitationswissenschaftliche Forschungsverbünde aufzubauen. Mit der Förderung sollen
interdisziplinäre Forschungsarbeiten zu bisher defizitären Themenfeldern der
Rehabilitationsforschung angestoßen werden, die einen unmittelbaren Praxisbezug haben und
zur Verbesserung der rehabilitativen Versorgung beitragen können. Obwohl in der ersten
Phase der Bereich der pädiatrischen Rehabilitation nicht im Vordergrund steht, werden im
Rahmen der einzurichtenden Forschungsverbünde voraussichtlich einzelne Projekte aus
diesem Themengebiet in die Förderung kommen. Eine schwerpunktmäßige Bearbeitung von
Forschungsfragen zur pädiatrischen Rehabilitation könnte in einer 2. Förderphase
erfolgen, die vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Technologie unter der
Voraussetzung einer finanziellen Beteiligung von Kranken- und Unfallversicherung
angestrebt wird.
- Welche Forschungsprojekte beschäftigen sich mit Fragen der Kinder- und
Jugendrehabilitation?
Die Einrichtung von Lehrstühlen liegt in der Zuständigkeit der Länder
und Hochschulen. Der Bund hat keine Kenntnis darüber, welche Lehrstühle in der
Bundesrepublik sich speziell mit dem Fachgebiet "Kinder- und
Jugendrehabilitation" beschäftigen.
Werner Schell (08/99)
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