An der regelhaften Benutzung von Behindertenparkplätzen besteht ein öffentliches Interesse
Behindertenparkplätze nur für außergewöhnlich Gehbehinderte
Das Bundessozialgericht hat entschieden (Az.: 9 RVs 15/87), daß die für Behinderte
vorgesehenen Parkplätze nur von außergewöhnlich Gehbehinderten mit einem entsprechenden
Vermerk im Behindertenausweis in Anspruch genommen werden dürfen. Dies, so das
Bundessozialgericht, gelte auch für Behinderte, die wegen Darmstörungen öfter zur
Toilette gehen müssen. Damit wurde in letzter Instanz die Klage eines Autofahrers
erfolglos abgewiesen, der wegen teilweiser Entfernung des Darmes häufig auf eine Toilette
angewiesen ist.
Für Behindertenparkplätze spricht ein besonderes und gewichtiges
öffentliches Interesse
Diese Feststellung traf der Verwaltungsgerichtshof in Kassel in seinem Urteil vom
15.6.1987 (Az.: 11 UE 2521/84). Wenn ein Verkehrsteilnehmer, der nicht Schwerbehinderter
ist, sein Fahrzeug auf einem Parkplatz abstellt, der ausdrücklich für Schwerbehinderte
reserviert ist, kann das abgestellte Fahrzeug für den Fahrer kostenpflichtig abgeschleppt
werden, so der Verwaltungsgerichtshof in Kassel. In der Streitsache ging es darum, daß
ein Fahrer sein Fahrzeug auf einem Parkplatz abgestellt hatte, der durch Beschilderung
ausdrücklich als Schwerbehinderten-Parkplatz ausgewiesen war. Die veranlaßte
Abschleppung des Fahrzeugs verursachte Kosten, die dem Fahrer auferlegt wurden. Der
zahlungsunwillige Fahrer wurde vom Gericht eines Besseren belehrt: Er wurde nämlich
verurteilt, die Abschleppkosten zu zahlen, weil für besondere Parkplätze für
Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinde ein besonderes und
gewichtiges öffentliches Interesse spreche. Aufgrund dieser Interessenlage sei es
zulässig, falsch parkende Fahrzeuge abzuschleppen.
Parkgenehmigung nur bei außergewöhnlicher Gehbehinderung
Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 3.2.1988 (Az.: 9/9a RVs 19/86) entschieden,
daß Behinderte, die wegen ihres Körperschadens auf den normalen Parkplätzen nicht aus
dem Fahrzeug aussteigen oder wieder in das Auto einsteigen können, allein deswegen noch
nicht auf den besonderen Parkplätzen für Behinderte parken dürfen. Die besonders
ausgeschilderten Parkplätze sind nach den Feststellungen des Bundessozialgerichts allein
für außergewöhnlich Gehbehinderte mit einem besonderen Eintrag in den
Behindertenausweis vorbehalten. Eine außergewöhnliche Behinderung ohne dementsprechende
Gehbehinderung reicht dafür nicht aus. Das Bundessozialgericht meinte, daß die
besonderen Parkplätze für Behinderte den Personen vorbehalten werden müßten, die
praktisch zu Fuß nicht mehr gehen können. In dem Verfahren vor dem Bundessozialgericht
ging es um die Klage eines schwerbehinderten Mannes mit einem Grad der Behinderung von
100. Da er erheblich gehbehindert ist, beantragte er die Feststellung außergewöhnlicher
Gehbehinderung mit dem Merkzeichen "aG". Er wollte damit erreichen, die für
außergewöhnlich Gehbehinderte eingerichteten Parkplätze benutzen zu dürfen, weil er
infolge seiner Behinderung nur ein- und aussteigen könne, wenn die Tür seines
Personenkraftwagens vollständig geöffnet sei. Der Antrag wurde letztinstanzlich
abgelehnt.
Behindertenparkplätze dürfen auch von berechtigten Schwerbehinderten
nicht zeitlich unbegrenzt belegt werden
Diese grundsätzliche Feststellung traf das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in
Koblenz (Az. 7 A 15/88). Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz darf ein
Schwerbehinderter einen Behindertenparkplatz nur so lange belegen, wie dies für seine
Belange (z.B. Arztbesuch, Einkauf) notwendig ist. Ansonsten werde das Fahrzeug auf dem
Behindertenparkplatz auch von Behinderten unberechtigt abgestellt und dürfe - wie im
entschiedenen Fall geschehen - von der Polizei abgeschleppt werden. In dem Streitverfahren
ging es um die Klage einer Frau gegen das zuständige Polizeipräsidium. Die Klägerin
hatte ihre blinde 12jährige Tochter nach Mainz gefahren und das Kraftfahrzeug stundenlang
auf dem Behindertenparkplatz abgestellt. Als ein schwerbehinderter Mann denselben
Parkplatz benutzen wollte, benachrichtigte er die Polizei. Die Folge: Das Fahrzeug wurde
abgeschleppt; der Klägerin wurden die Kosten auferlegt. Die Klage wurde zurückgewiesen,
weil die Klägerin nicht klar begründen konnte, wieso sie eigentlich zugunsten der
blinden Tochter ihr Fahrzeug stundenlang auf dem Behindertenparkplatz abgestellt hatte.
Weniger bedeutsam erschien dem Gericht allein der Umstand, daß der Behindertenausweis der
Tochter sichtbar im Fahrzeug gelegen hatte.
Behindertenparkplätze können für Behinderte frei gemacht werden
Der Verwaltungsgerichtshof München hat in einem Beschluß vom 11.7.1988 (Az.: 21 B
88.00504) entschieden, daß ein ordnungswidrig auf einem Behindertenparkplatz abgestelltes
Fahrzeug auch dann auf Kosten des Fahrzeughalters abgeschleppt werden kann, wenn ein
Berechtigter nicht konkret am Parken gehindert wird. Nach Auffassung des Gerichts besteht
zugunsten der Schwerbehinderten an der Verfügbarkeit von Behindertenparkplätzen in der
Regel ein öffentliches Interesse, das den privaten Belangen von nicht Parkberechtigten
vorgeht, selbst wenn diese durch das Abschleppen ihrer Fahrzeuge erhebliche Nachteile in
Kauf nehmen müssen. Angesichts ihrer besonderen Hilfsbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit
müssen Schwerbehinderte darauf vertrauen können, daß ihnen die speziell für sie
eingerichteten Parkplätze jederzeit zur Verfügung stehen und notfalls mit polizeilicher
Gewalt freigemacht werden. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob gerade zu dieser Zeit ein
Berechtigter an der Benutzung des Parkplatzes gehindert wird oder ob ihm zu dieser Zeit
noch andere Parkplätze offenstehen. Es ist Schwerbehinderten nicht zuzumuten, unter
Inkaufnahme weiterer Fahrstrecken anderswo freien Parkraum zu suchen und sich dabei
möglicherweise vom eigentlichen Zielort wieder zu entfernen.
Werner Schell
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